was bedeutet mein tattoo?
Fragt man nach der Bedeutung von Tattoo-Motiven, so bekommt man, wie wir ja in den letzten Ausgaben festgestellt haben, fast immer eine allgemeingültige Antwort. Tattoos stehen oftmals symbolisch für bestimmte Eigenschaften ihres Trägers, gewisse Ereignisse in seiner Vergangenheit oder Absichten für die Zukunft. Dabei ergeben sich Sinn und Hintergrund dieser Bedeutungen meist nicht durch die Motive selbst, sondern durch die kulturhistorische Betrachtung derselben. Dabei muß man nicht lange darüber nachdenken, warum in unserem Kulturkreis der Sensenmann mit dem Tod assoziert wird oder das Herz mit der Liebe.
In Tattoo-Motiven kann aber auch ein etwas komplexerer Schlüssel verborgen liegen, der zumindest eine gewisse Fachkenntnis im jeweiligen Bereich erfordert (wie z.B. bei asiatischen Motiven, deren Bedeutung nur ermessen kann, wer sich mit der jeweiligen Kultur beschäftigt hat). Das hat zur Folge, daß der Normalsterbliche hinter den meisten Motiven einen tieferen Sinn vermutet. Das gilt insbesondere für religiöse und im speziellen für christliche Motive. All die Engel und Heiligen müssen doch schließlich eine tiefere Bedeutung haben…
 
 
 
die schwalbe als tattoomotiv
In der griechischen Mythologie taucht sie aufgrund ihrer Vermehrungslust als der Lieblingsvogel der Liebesgöttin Aphro-dite auf. In Albanien war die Schwalbe der Liebesgöttin Prenne geweiht. Die Asche einer brütenden Schwalbe galt als eine Art Aphrodisiakum, Schwalbenblut und ihr Kot sollten schönen Haarwuchs bewirken. Die Nester indischer Seeschwalben gelten heute noch als potenzsteigerndes Nahrungsmittel. Die einzige christliche Bedeutung kommt ihr durch eine Fabel zu, nach der sie mit dem Saft von Schöllkraut ihren Jungen das Augenlicht gab. Darum galt sie als Symbol der Augenöffnung der Verstorbenen beim Jüngsten Gericht.

In der Tätowierung hat die Schwalbe Tradition.
Besonders unter Seefahrern war dieses Motiv beliebt. Mit Briefen oder Herzen im Schnabel galt die Schwalbe als Überbringerin von Liebesbotschaften. Die Trennung von der Geliebten und die damit verbundene Sehnsucht nach ihr wurde mit einer tätowierten Schwalbe ausgedrückt. Sie ist ein Liebesbekenntnis und Lebenszeichen zugleich, und meint auch: »Warte auf mich, ich komme zu dir zurück.« Als Old-School-Motiv ist die Darstellungsform einer Schwalbe dementsprechend vereinheitlicht worden. Sie erscheint nicht als realistisches Tierporträt, sondern in stilisierter Form: Sie wird fliegend, oft paarweise und fast immer in rot, blau und gelb tätowiert. Manchesmal wird ihr Köpfchen von einer Krone geziert oder über diesem schwebt ein goldener Ring. Einerseits steht dieser Ring gleich einem Heiligenschein für das engelhafte Wesen dieses Vogels, er kann aber auch als Verlobungsversprechen verstanden werden. Die Rockabillies machten aus der Schwalbe ein begehrtes New-School-Motiv, das sich bis heute neben Herzen, 8balls und Pin-ups behauptet hat..

Textquelle: TätowierMagazin (www.taetowiermagazin.de)
 
heilige herzen
Heilige Herzen
Vielleicht haben sich schon einige von euch gefragt, woher die "heiligen Herzen" kommen und was sie zu bedeuten haben!Wir sind der Sache mal auf den Grund gegangen und haben einfach einen Fachmann zu Rate gezogen, nämlich einen Pfarrer. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an Matthias Kleis!

Anwort von Pfarrer Matthias Kleis:
Die von Ihnen angesprochenen Bilder stammen aus der Romantik.
Vor etwa 150 Jahren wurde in der katholischen Kirche das Herz-Jesu Fest eingeführt. Das Herz steht für Liebe, so wie es dem damaligen Zeitgeist entsprach, aber auch heute ist diese Symbolik ja noch nicht verschwunden. Der Schein ums Herz stellt die Göttlichkeit dar.
Dornenkrone und Schwert stellen das Leid dar, das durch die Folterung Jesu entstanden ist, sozusagen das leidende Herz. Interessanterweise hat das rosenumschlungene Herz das gleiche Thema; es ist eine Umsetzung des Liedes: Maria durch ein Dornwald ging! Suchen Sie sich mal diesen Text, da werden Sie die Verwandlung von Dornen in Rosen finden.
 
Maria – Unschuld und Mütterlichkeit
   
 
Hin und wieder sieht man sie auf der Haut und manches mal wundert man sich:
Da trägt ein knallharter Typ doch tatsächlich ein Motiv, das man nicht nur mit Sanftheit,
sondern vor allen Dingen mit Christlichkeit und Religiosität in Verbindung bringt. Schon im Alten Testament wurde der »Hautstich« verboten, und auch sonst würde man den
rebellischen Aspekt von Tätowierungen und die eher konservative katholische Kirche nicht in einem Atemzug nennen. Irgendetwas scheint an dieser Maria dran zu sein, dass sie diese Pole verbinden kann.


Text: Sonja Hentschel • Fotos: Archiv TätowierMagazin

Maria ist nicht irgendeine Heilige. Sie ist nicht nur eine von vielen Figuren in der christlichen Mythologie. Sie hat eine Sonderstellung inne und immer wieder wird über einen bestimmten Aspekt ihrer Besonderheit diskutiert. Dass Maria die Mutter des Jesus von Nazareth ist, wird niemand anzweifeln wollen. Aber wie es dazu kam, macht Maria immer wieder zum Thema nicht nur theologischer Auseinandersetzungen. Die Rede ist von der jungfräulichen Empfängnis ihres berühmten Sohnes durch den Heiligen Geist. Inwieweit diese der Realität entspricht ist eine Sache der Perspektive, ebenso ihre Stellung als »Gottesgebärerin«, die ihr aufgrund der Göttlichkeit ihres Sohnes zugesprochen wird.
 

Grandioser Maria-Sleeve von Tobias, Pain & Ink Department (Berlin)



Besonders der Marienkult des Ostens seit dem 4. Jahrhundert gründete auf ihrer Funktion als Mutter Gottes und ihrer unbefleckten Empfängnis. Diese Eigenschaft verhilft ihr sogar zu einer Stellung im Islam, wo Maria als sündenfreie Jungfrau Marjam verehrt wird.

Die Katholiken gehen übrigens davon aus, dass Maria auch nach der Geburt Jesu ihre Jungfräulichkeit bewahrte, was im katholischen Glaubenssystem als besonders lobenswerte Tugend hervorgehoben wird. Diese dauerhafte Jungfräulichkeit wird allerdings vom neuen Testament widerlegt, wo vier Brüder und mindestens zwei Schwestern von Jesus erwähnt werden.
Die Faszination für die »Jungfrau« Maria scheint jedoch unabhängig von sämtlichen Diskussionen um ihre reale, körperliche Mutterschaft zu sein. Vielmehr symbolisiert Maria das Muttersein wie keine andere und dies auch unabhängig von ihrer Rolle als Mutter der katholischen Kirche, zu der sie wurde, indem sie Gottes Sohn gebar und damit das Göttliche menschlich werden ließ.
 

Typische Pose der Maria: Mit gefaltenen Händen, umgesetzt von Tattoo Jean, Harai Tattoo (Gent, B). Aber auch immer die Mütterliche, Versorgende und Beschützende. Tattoo von René, Body Language (Erfurt).



Ihre Ausdruckskraft bekommt die Madonna, die Figur Maria, vor allen Dingen, weil sie mit ihren Eigenschaften den Archetypus der »Großen Mutter« repräsentiert. Archetypen sind mythologische Motive, die immer wieder in unserem Unbewussten und über unsere individuelle Psyche hinaus eine Rolle spielen und bestimmte Eigenschaften symbolisieren. Der Archetyp der »Großen Mutter« repräsentiert natürlich in erster Linie das Mütterliche, aber auch andere typisch weibliche Merkmale, wie das Gütige und Großzügige, das Versorgende und Beschützende, Fruchtbarkeit und weibliche Weisheit. Das Weibliche steht aber auch für die Verwandlung, das Geheime, das Verführende. Im Falle der Madonna als Sinnbild spielen diese dunklen Seiten der Weiblichkeit allerdings keine Rolle und geraten durch die Legende ihrer Reinheit und Unbeflecktheit in Vergessenheit. So steht Maria als »Große Mutter« für das Ur-Vertrauen in die Mutter, in das Versorgt werden und in die Fülle.

Diese »Alles wird gut«-Ausstrahlung verbindet sich mit ihrer unantastbaren Position in der katholischen Kirche. Hier ist sie nicht nur Mutter, sondern Himmelskönigin und einzige Frau neben Gott, womit ihr, natürlich nur inoffiziell, ein Göttinnen-Status zukommt. Und so erklärt sich das Ausmaß des Marienkultes. Seinen Ausdruck findet dieser Kult nicht nur in Marias Funktion als Ansprechpartnerin für Gebete und Fürbitten der Gläubigen, sondern auch in den weltweiten Marienwallfahrtsstätten, wie zum Beispiel Montserrat in Spanien, Czestochowa in Polen, Lourdes in Frankreich, das deutsche Kevelaer oder natürlich die berühmte Basilica de Guadlupe in Mexiko. Hier soll die Jungfrau Maria im Jahr 1531 einem konvertierten Indio erschienen sein und ihn gebeten haben, ihr eine Kapelle zu errichten. Ihre Erscheinung auf mexikanischem Boden beweist seitdem für die Mexikaner die Ebenbürtigkeit mit der »Alten Welt« und dies macht die Jungfrau von Guadalupe zu einer Identitätsfigur, die alle sozialen und ethnischen Gruppen Mexikos vereint und mit ihrer Abbildung an Bushaltestellen und Taco-Ständen mehr ein politisches als ein religiöses Symbol darstellt.

Eine ähnlich politische Bedeutung hat auch die »Schwarze Madonna von Tschenstochau«, die für das polnische Volk als Nationalheiligtum gilt und deren Freiheitswillen verkörpert.
Schwarze Madonnen, also Marienstatuen mit schwarzer Hautfarbe, waren ursprünglich Statuen der Göttin Isis mit ihrem Sohn Horus und wurden von den Kreuzrittern aus Ägypten mitgebracht. Die »Schwarze Madonna« unterscheidet sich in den ihr zugesprochenen Charakterzügen von der milden, gehorsamen Jungfrau und Mutter Maria. Stattdessen ist die »Schwarze Madonna« eine stolze und unbeugsame Frau und damit oft Schutzpatronin der Frauen, Unterdrückten und Armen.
 

Maria als trauernde Gottesmutter mit einer Träne auf der Wange von Milosh (CZ). Im Leonardo-da-Vinci-Stil von Bob Tyrrell, Night Gallery (Detroit, USA)



Natürlich übernimmt auch die übliche Maria Patenschaften. Zum einen ist sie Patronin der Christenheit und der Gastwirte und Köche. Aber auch so spezielle Berufsgruppen wie die der Kürschner, Tuchmacher, Töpfer und Lebkuchenbäcker suchten Schutz bei ihr.
Kulinarische Spezialitäten finden sich auch, wenn man einen Blick auf die tiefere Symbolik von Mariendarstellungen in der Kunsthistorie wagt. Neben Marias typischem sanftem Lächeln, das Ausdruck von Mutterliebe, aber auch göttlicher Weisheit und Gelassenheit ist, wird sie oft mit einem Granatapfel dargestellt. Dieser symbolisiert die Überwindung des paradiesischen Sündenfalls durch den Tod Christi. Gleichzeitig versteckt er unter seiner harten Schale unzählige Kerne und repräsentiert damit die Härte des sündenfreien Lebens, welches jedoch reiche Früchte trägt.

Blaspemische Umsetzung des Maria-Motivs von Kain, Pain & Ink Department (Berlin)



Madonnen-Darstellungen in der Tattoo-Welt
sind sicherlich freier und persönlicher als die der christlichen Kunst. Bestes Beispiel dafür ist eine Tätowierung des Handballers Stefan Kretzschmar. Seine linke Wade wird von einer, mit dem Gesicht seiner Ex-Freundin Franzi von Almsick modifizierten Maria geschmückt. Ob man nun eine Person, Maria selbst oder die Eigenschaften, für die sie steht, durch ein Madonnen-Tattoo vergöttert, man entscheidet sich für ein Motiv mit tiefsinnigem und historischem Hintergrund.
 
Typografie: Sinnsprüche von »Chaos« bis »C’est la vie!«
   
 
Wir sollen unsere Träume nicht träumen, sondern leben, jeden Tag lächeln, da er sonst verloren ist, schnell leben und jung sterben – sinnvolle und -freie Sprüche für jede mögliche und unmögliche Lebenssituation gibt es zahlreich. Für manch einen ist ein solches Zitat aber mehr als Mutters Ratschlag aus der Mottenkiste.

Text: Stephanie · Fotos: Archiv TätowierMagazin

Lebenserfahrungen spiegeln sich in der Haut wider – Sorgen- und Lachfältchen, Grübchen, feine Linien vom Stirnrunzeln … positive und negative Erlebnisse prägen sich in der Epidermis ein, schaffen die individuelle Mimik, einen Ausdruck der Persönlichkeit. Ein Charisma, das uns im zwischenmenschlichen Bereich innerhalb von Sekunden über Sympathie und Antipathie entscheiden lässt.
 
 

Drei unterschiedliche Schrifttypen: »Tue, was du willst«, nach einem Buchtitel von Aleister Crowley, gestochen von Ute, Palatine Tattoo (Pirmasens). Daneben »Courage« (Mut) von Judd Ripley, Royal Tattoo und die »Unsterbliche Liebe« von Hang Loose Tattoo (Oberhausen).



Wer sein Innerstes nach außen kehren möchte, kann dies aber auch ganz selbstbestimmt und -bewusst tun. So haben viele Menschen einen Wahlspruch, eine Art Leitgedanken, den sie als prägend für ihr Leben ansehen. Ob buddhistische Lehren, christliche Grundsätze oder ein Zitat von Ringelnatz – die unterschiedlichen Mottos sind so vielfältig wie ihre Träger.



Apropos: Was genau ist ein Motto eigentlich?
Wikipedia weiß es: Das Wort »Motto« (von lateinisch lautmalerisch: muttum = Murmeln, Grunzen) bezeichnet
> die prägnante Formulierung von Zielen oder Ansprüchen seitens Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen
> einen einer Schrift, insbesondere einer literarischen Arbeit vorgesetzten Leitgedanken
> einen einprägsamen Spruch, zum Beispiel in der Werbung
> das Thema einer Veranstaltung
> einen von kämpfenden Truppen benutzten Schlachtruf.

 
 














Ein echter Tattoo-Klassiker: »Mein verrücktes Leben« von Onkel Frank, Quali-Tat-2 (Hagen).
Der Hahn mit italienischem Schriftzug bedeutet in der freien Übersetzung: »Nur mit ganz viel Dusel ist Italien Weltmeister geworden.« Gestochen von Jason Kundell.



Wie auch immer das individuelle »Mantra« (eine kurze, formelhafte Wortfolge, die meist repetitiv rezitiert wird) lautet, es ist Sinnbild für die Lebenseinstellung der entsprechenden Person. Und häufig gibt der Leitspruch einen tieferen Einblick in deren Charakter, als es der erste oberflächliche optische Eindruck vermag. So wird beispielsweise ein Gegenüber mit herunter gezogenen Mundwinkeln oft als Miesepeter eingeschätzt; sein Lebensmotto verrät, ob es sich wirklich um einen Pessimisten handelt. Allerdings steht nicht jedem die persönliche Einstellung ins Gesicht geschrieben. Einigen aber doch, wenn auch statt auf der Stirn meist eher am Rest des Körpers; Lebensmottos sind beliebte Tätowier-Motive.
Ob schlicht als Schriftzug oder aufwändiges Gesamtkunstwerk, unifarben oder bunt, französisch, englisch, deutsch, spanisch, chinesisch oder, oder, oder … mentale Schubladen wie Grübler, Spieler, Glückspilz, trübe Tasse, Philosoph und Chaot werden durch den ersten Blick auf das Tattoo bedient.
 













Diese Dame mag Menschen wohl nicht besonders. Misanthrop bedeutet Menschenfeind, gestochen von Roberto Seifert, Pandaemonium Tattoo (Memmingen). Keine Lust auf Recht und Ordnung hat dieser junge Mensch und fordert: Chaos! Gestochen von Wolfgang, In Memoriam (Koblenz)



Nun formulierte ja einst schon Wilhelm Busch ironisch: »Gedanken sind nicht stets parat, man schreibt auch, wenn man keine hat.« Doch wer einen Tätowierer die eigene Haut mit einem Sinnspruch veredeln lässt, hat sich vermutlicher- und wünschenswerterweise schon ein paar Gedanken dazu gemacht. Denn die Wirkung eines solchen Wahlspruches ist nicht zu unterschätzen!

Wer an sich glaubt, hat Erfolg
Eine alte Weisheit der hawaiianischen Huna-Religion lautet: »Energy flows where attention goes«, bedeutet: Die Energie fließt dahin, worauf man sich konzentriert – ganz egal, ob es sich dabei um etwas Positives oder Negatives handelt. Dass es sich bei diesem Satz nicht um ein abgedroschenes Sprichwort handelt, sondern durchaus aktuelle Bezüge hat, verraten die Automanipulationsmethoden von Verhaltenstherapien und Erfolgscoachings. Sie beinhalten häufig ein Umdenken und Umleiten jener Energie; dadurch werden innere Barrieren abgebaut und leichter Lösungsansätze für Probleme und Konflikte gefunden. So wird, wer sich ständig wiederholend sagt, dass er eine Herausforderung auf keinen Fall bewältigen kann, garantiert an dieser Hürde scheitern. Umgekehrt ist dafür aber die Erfolgschance derer, die sich immer mit positiven Sprüchen pushen, erheblich größer.

Insgesamt eignen sich Zitate religiöser Führer, berühmter Personen oder bekannter Philosophen ebenso gut als Lebensmotto, wie einzelne bedeutsame Worte oder Sätze aus Musikstücken. Der Fantasie sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt. Doch sollte man sich vor dem Tätowieren bewusst machen, ob das gewählte Motiv wirklich richtungsweisend für das gesamte Leben steht. Beispielsweise fühlt sich jeder in bestimmten Augenblicken als Loser – doch statt sich selbst für immer als Verlierer zu stigmatisieren, ist die Entscheidung für ein »Winner« vielleicht die bessere. Denn wer ehrlich zu sich selbst ist, wird in den meisten Fällen wohl lieber ein Leben als Gewinner führen …

Übrigens: Auch Träger von Schriftzügen wie »Hopeless« oder »One oft the lost ones« dürfen sich den Leitsatz Mark Twains zu eigen machen: Gebe jedem Tag die Chance, der beste deines Lebens zu werden!

Beispiele für beliebte Tattoo-Mottos
Alles wird gut!
Carpe diem (lat. Nutze den Tag)
Der Weg ist das Ziel (buddhistischer Grundsatz)
Jeder Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag (Zitat von Charlie Chaplin)
Mi vida loca (span. Mein verrücktes Leben)
C’est la vie (franz. So ist das Leben)
Om (Urklang, aus dessen Vibrationen nach hinduistischem Glauben das Universum entstand)
Om mani padme hum (bedeutet in etwa: Mitgefühl für alle Wesen)
 
Elvis – Heartbreak-Tat’s
   
 
Als Elvis Presley am 16. August 1977 stirbt, wird ein Mythos geboren. »Der König ist tot. Lang lebe der König!« schallte es aus allen Medien. Der Kult um den King of Rock’n’Roll ist ungebrochen. In den Herzen der Fans lebt der Mann mit der Haartolle weiter – und bei vielen auch auf der Haut.

Text: MAITREYA · Fotos: ARCHIV TÄTOWIERMAGAZIN

Ich war 11, als ich meinen ersten Elvis-Film sah, »Jailhouse Rock«. Da war es um mich geschehen. Tagelang harrte ich in tiefer Verzweiflung aus. Schließlich hatte ich mich das erste Mal heftig verliebt! Problematisch jedoch: Elvis weilte nicht mehr unter den Lebenden und daher gab es nun wirklich keine Chance mehr für mich, mit ihm zusammenzukommen. Oder ihn wenigstens mal zu sehen. Oder zu wissen, dass er irgendwo ist – und atmet – gerade jetzt ...
Der Herzschmerz ist mittlerweile überwunden. Aber der (zumindest in Jugendjahren) schmalhüftige Schönling mit der schwarzen Haartolle hält mich immer noch in Bann, wenn ich Fotos oder (frühe)Filme von ihm sehe, vor allem aber wenn ich Songs von ihm höre: »Love me tender« zum Beispiel ... Mehr als nachvollziehbar, dass die Jugend der 50er ob des Sängers in Ekstase geriet. Seine Ausstrahlung war und ist einfach einzigartig.

Die Kindheit des Kings
Am 8. Januar 1935 wurde Elvis Aaron Presley in Tupelo, Missisippi geboren. Tragischerweise starb sein Zwillingsbruder bei der Geburt. Womöglich hätte es gar zwei Kings gegeben!
Elvis wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Musik, so der Gospelgesang in der Kirche, und der im Missisippi-Delta beheimatete Blues und Country faszinierten den Jungen. Nach seinem Highschool-Abschluss verdingte er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs, wusch Teller, arbeitete als Platzanweiser im Kino und war Trucker-Fahrer.
Untrennbar verbunden: Elvis, das »Sun Records«-Logo, Memphis und seine erste Platte »My Happiness«. Tattoo von Peter, Hot Ink (Frankenthal)


Seine erste Platte nahm er 1953 in den Sun-Studios auf. »My happiness« hieß der Song, auf der B-Seite war zu hören: »That’s when your heartaches begin«. Die Legende besagt, dass er diese Platte für seine Mutter zum Geburtstag machte – ob’s stimmt, weiß man nicht so genau, da seine Mutter schon einige Zeit vorher Geburtstag hatte. Sei’s drum.

Der Weiße mit der schwarzen Stimme
Auf Elvis aufmerksam wurde Sam Philips, der Begründer des Plattenlabels Sun Records. Von ihm stammt der berühmte Ausspruch: »Wenn ich einen weißen Mann finden könnte, der die Stimme und das Einfühlungsvermögen eines Schwarzen hat, dann könnte ich eine Million Dollar machen.« Ein Afro-Amerikaner hätte in den (noch ziemlich rassistischen) 50er Jahren niemals einen so breiten Erfolg haben können. Die richtig heiße Musik wurde damals aber hauptsächlich von Farbigen gemacht.
Also war Elvis Presley genau sein Mann. Zusammen mit Scotty Moore an der Gitarre und Bill Black am Bass wurden verschiedene Balladen und Blues-Songs aufgenommen, die durch neuartige Tempowechsel richtig fetzten. Rock’n’Roll eben. Nachdem einige der Songs im Radio auftauchten, gab es wahre Rekord-Nachfragen.
 
Abb. links: Tätowierer unbekannt

Abb. rechts: Der schon etwas gereiftere Elvis von Bob Tyrrell, Night Gallery (Detroit, USA)



Elvis the pelvis (Elvis »das Becken«)
Neben seiner »schwarzen«, souligen Stimme und seiner weißen Hautfarbe hatte Elvis noch weitere Faktoren, die ihm zugute kamen. Er hatte diese Ausstrahlung. Er sah phänomenal gut aus. Und er machte diese sexy Bewegungen, wenn er auf der Bühne seine Lieder zum besten gab! Scotty Moore, ein Gitarrist, der bei den ersten Auftritten von Elvis dabei war, beschrieb es folgendermaßen.
»Das war der Moment in der er mit dieser Schüttelei anfing. Elvis stellte sich beim Gitarrespielen auf die Fußballen, um im Takt zu bleiben. Als er nun diese Show machte, fingen sie alle an zu schreien, und wir wußten gar nicht, was vor sich ging. Als wir wieder von der Bühne gingen meinte jemand, das liege nur daran, dass Elvis andauernd sein Bein geschüttelt hat. Von da an machte er das immer mehr und entwickelte daraus eine richtige Kunst. Aber es war ihm auch ein natürliches Bedürfnis.«
So entwickelte sich scheinbar der legendäre Hüftschwung, der die Frauen reihenweise um den Verstand brachte und dem Sänger zu dem Namen »Elvis the pelvis« (das Becken) verhalf. Im Amerika der 50er Jahre kamen diese Becken-Bewegungen extrem provokativ, sexuell und aufregend rüber. Zu aufregend, scheinbar: Bei einigen Konzerten schritt die Polizei ein und verbot Elvis die »unanständigen« Bewegungen. Aber was verboten ist, reizt noch mehr, wie ja jeder aus eigener Erfahrung weiß.

Elvis Superstar
Elvis richtiger Durchbruch gelang 1956, als er in der »Tommy and Jimmy Dorsey Stage Show« im Fernsehen auftrat. Danach wurde er zum gefeierten Superstar, zunächst in Amerika, dann auch in Europa. Mit Songs wie »Heartbreak Hotel«, »Blue Suede Shoes« »Love me«, »Don’t be cruel« oder »Hound Dog« gelangen ihm grandiose Hits, die bis heute jeder kennt.
1958 landete Elvis den absoluten Coup: Er trat in die Army ein und wurde dadurch zum amerikanischen Liebling schlechthin. Jetzt liebten ihn nicht nur die Töchter, sondern auch die Mütter und Omas.
Auch Hollywood entdeckte den Mann mit der schwarz gefärbten Haartolle und dem unwiderstehlichen Lächeln. Elvis zog sich von der Bühne zurück und verlagerte seinen Schwerpunkt auf die Schauspielerei. In insgesamt 33 Filmen wirkte er als Hauptdarsteller mit. Die inhaltliche Qualität der Streifen ließ zwar meist zu wünschen übrig, aber wen störte das schon? Für zwei Stunden (oder wie lange die Filme halt dauerten) konnte man ihn, den King, in Aktion erleben.

Comeback auf der Bühne
1968 trat Elvis in einer eigenen Fernsehshow auf, in der er in schwarzem Leder-Outfit Songs der 50er Jahre und neuere Lieder präsentierte. Die Show, die einen großen Erfolg hatte, war Auftakt für Elvis Rückkehr zur Bühne.
Eine etwas andere Hommage: Mit Schwalben gekrönter Schriftzug von Strangeland Tattoo (Witten)


Auch sein Erscheinungsbild hatte sich geändert. In glitzernden Anzügen mit Schlaghosen, mit langen Haaren und Koteletten, oft auch mit Sonnenbrille versehen präsentierte sich der älter gewordene King in zahlreichen Auftritten. Nach wie vor faszinierte er sein Publikum.
Einer der Höhepunkte in der Karriere des Sängers und Schauspielers war die Fernsehshow: »Elvis: Aloha from Hawaii « die 1973 via Satellit ausgestrahl wurde. Weltweit konnte man sein Live-Konzert sehen.

Torten und Tabletten
In den 70er Jahren fiel dem Publikum langsam auf, dass der King an Gewichtsproblemen litt. Mit geschickt ausgewählten Klamotten konnte Elvis das zunächst noch einigermaßen kaschieren. Aber seine Leibesfülle wuchs mehr und mehr. Angeblich soll der Sänger an Ess-Sucht gelitten haben. In einer Elvis-Biografie habe ich einmal gelesen, dass er sich während der letzten Jahre seines Lebens öfters mehrere ganze Sahnetorten bestellte und diese allein vertilgte. Ob diese Geschichte wahr ist? Wer weiß. Über Elvis gibt es viele Geschichten.
Relativ sicher ist es jedoch, dass er der Tablettensucht verfiel. Vor allem in dem Buch, dass seine Ex-Frau Priscilla über ihr gemeinsames Leben schrieb, wird dies thematisiert. Durch die Abhängigkeit von Medikamenten und seine ungesunde Lebensweise ruinierte sich der begnadete Sänger, der heute 70 Jahre alt wäre, seine Gesundheit. Er starb am 16. August 1977 in Memphis, Tennessee, an »Herzstillstand durch zentrales Versagen der Atemorgane«. Sein Tod löste weltweit heftige Reaktion aus. Einige Fans begingen sogar Selbstmord.

Er lebt
Nicht von ungefähr heißt es: Der King lebt. Ähnlich wie Marilyn Monroe oder James Dean hatte Elvis eine Ausstrahlung, die seinen Tod überdauerte und ihn unsterblich werden ließ. Seine Person und seine Musik sind Kult. Es gibt Elvis-Imitatoren-Treffen, Elvis-Fan-Clubs, sein Anwesen Graceland ist mit 600 000 Besuchern jährlich eine der größten Touristenattraktionen der USA. Und seit einiger Zeit hat der »Wackel-Elvis«, der in unzähligen Autos angebracht wird, erneut einen kleinen Kult hervorgerufen.
Es verwundert nicht, dass man das Konterfei des Ausnahmekünstlers, verwegen lächelnd oder mit sinnlichem Schmachtblick versehen, so oft auf Haut verewigt sieht. Für viele ist Elvis Presley nach wie vor das Idol schlechthin. Und wie kann man wohl besser ausdrücken, dass der King für einen persönlich die Nummer eins ist als mit einem Elvis-Tattoo?
 
Japanische Motive
   
 
Auch hierzulande gehören japanische Motive zu den beliebtesten Tattoo-Vorlagen. Oft ist Tätowierern und Tattoo-Fans jedoch nicht so ganz klar, was es denn nun mit Hannya, Drachen und Konsorten auf sich hat: Hier nun einige der wichtigsten traditionellen Motive, handgezeichnet von Meistertätowierer Horihide aus Gifu, mitsamt Erklärung derselben.

Text: Dirk-Boris Rödel
Bildrecherche: Steve Gilbert
Zeichnungen: Horihide
Hannya
Hannya-Masken
Entgegen der weit verbreiteten Meinung haben Hannya trotz der Ähnlichkeit nichts mit dem Teufel oder Satan zu tun. Zwar gibt es auch im Buddhismus Japans eine Vorstellung von einer Hölle, doch die Hannya sind irdische Ungeheuer. Durch menschliche Gefühlsverwirrungen wie Leidenschaft, Eifersucht oder Haß können sich Frauen in diese furchteinflößenden Monstren verwandeln. Im klassischen Nô-Theater Japans, dem auch die oft als Vorlagen verwendeten Hannya-Masken entstammen, werden Geschichten solcher weiblicher Dämonen beschrieben, die nur über den Weg zu Buddha Erlösung von ihrer unmenschlichen Gestalt erfahren können.







Kiyo Hime
Kiyo Hime
Die bekannteste Geschichte einer Hannya-Dämonin ist die von Kiyo Hime. Ihr Vater besaß eine Herberge, in die jedes Jahr ein Mönch auf seiner Pilgerfahrt Einkehr hielt. Im Laufe der Jahre entwickelte Kiyo Hime eine tiefe Liebe zu dem Mönch, der ihre Gefühle aber nicht erwidern konnte. Als Kiyo Hime ihm eines Nachts ihre Liebe gestand, kam es zum Streit zwischen den beiden, in dessen Verlauf die Tochter des Herbergswirts so erzürnte, daß der Mönch sein Heil in der Flucht suchte. In einem nahen Kloster suchte er Unterschlupf und verbarg sich unter einer riesigen Glocke. Kiyo Hime, die sich im Rausch ihrer Haßliebe inzwischen zu einer Dämonin mit Schlangenleib und Hannya-Kopf verwandelt hatte, spürte das Versteck jedoch auf und ließ die Glocke unter ihrem Feueratem schmelzen, wodurch das Objekt ihrer Begierde einen qualvollen Tod starb.




Kannon
Kannon
Kannon ist eine Boddhisattva (zu deutsch etwa: Erleuchtungswesen) des Mahayana-Buddhismus. Die Aufgabe der Boddhisattvas ist es, Menschen auf ihrem Weg zur Erleuchtung zu unterstützen. Dabei gibt es Boddhisattvas mit unterschiedlichen Aufgaben; Kannon ist die Boddhisattva des Mitgefühls und des Erbarmens. In Japan wird Kannon als Frau dargestellt, meist auf einem Drachen reitend, während in Indien, dem Ursprungsland des Buddhismus, Kannon als männlich angesehen wird.







Fudô Myôô
Fudô Myôô
Myôôs stehen in der buddhistischen Hierarchie unter den Boddhisattvas. Auch sie sind Beschützer des Buddhismus und wirken durch ihre Bewaffnung im Gegensatz zu den sanftmütigen Boddhisattvas eher martialisch. Der als Tätowiervorlage beliebteste Myôô ist Fudô Myôô, der Unerschütterliche. Er gilt auch als Höllenwächter und Wissenskönig und wird stets mit einem Seil dargestellt, mit dem er das Böse bindet, und einem Schwert, mit dem er die Feinde des Buddhismus bekämpft.








Drachen
Drachen
Das mit Sicherheit bekannteste japanische Motiv ist der Drache, der in Japan als glücksbringendes Wesen angesehen wird. Das mag darin begründet sein, daß der japanische Drache ein Wassersymbol ist: Er wohnt entweder in den Wolken, aus denen er während Gewittern herabsteigt, oder auch in Flüssen und Seen. Er steht somit für ein Element, daß für den Nassfeld-Reisanbau in Japan von enormer Bedeutung war. Drachen waren daher in Japan hochgeachtet, wurden verehrt und nicht etwa wie in Legenden hierzulande bekämpft.








Karpfen
Karpfen
Der einen Wasserfall hinaufspringende Karpfen gilt in Japan als Symbol für Stärke, Durchsetzungsvermögen und Erfolg. Als Phallussymbol steht er zudem für männliche Kraft und Potenz.












Tamatore Hime
Tamatori Hime
Die Legende berichtet, daß einst Tamatori Hime dem König der Unterwasserwelt, einem riesigen Drachen, dessen wertvollsten Besitz, eine kostbare Perle, geraubt hatte. Um auf ihrer Flucht schneller schwimmen zu können, schnitt sich Tamatori Hime in den eigenen Leib und verbarg darin die Perle. Zwar schaffte sie es noch bis ans Ufer, wo sie jedoch ihren Verletzungen erlag und so Opfer ihrer eigenen Habgier wurde.









Tiger
Tiger
Obwohl es in Japan nie freilebende Tiger gab, floß dieses majestätisch wirkende Motiv schon früh in die bildenden Künste Japans ein. Vorlagen für japanische Bilder dieser hoheitsvollen und zugleich kraftstrotzenden Tiere waren wohl aus Indien eingeführte Tiger. Wie auch Karpfen und Drachen ist der Tiger als Tätowiermotiv in erster Linie ein Kraft- und Machtsymbol.










Suikoden-Krieger
Suikoden-Krieger
In einem chinesischen Heldenroman, der Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem Titel Suikoden (»Geschichten vom Strand«) ins Japanische übersetzt wurde, wird von 108 Rebellen erzählt, von denen einige Tätowierungen trugen. Die Illustrationen verschiedener japanischer Künstler zu den Abenteuern dieser Briganten wurden begeistert als Tätowiervorlagen genutzt. Besonders gern wurde dazu die Farbholzschnittserie des Künstlers Utagawa Kuniyoshi herangezogen, die dieser im Jahre 1827 veröffentlichte.







Schlange
Schlangen
Auch in Japan gilt die Schlange als Tier mit negativem Charakter, obwohl dort natürlich die bei uns biblisch begründete Assoziation zwischen Schlange und Sünde fehlt. Ein guter japanischer Tätowierer achtet beim Anlegen eines Ganzkörpertattoos darauf, Schlangen nur mit Designs solcher Blüten zu kombinieren, die auch tatsächlich zu den Jahreszeiten erblühen, in denen Schlangen sich nicht im Winterschlaf befinden.





 
Sonne
   
 
Heute wissen wir, daß die Sonne ein riesiger Gasball ist, der durch die Gravitation zusammengehalten wird. Etwa die Hälfte ihrer geschätzten Lebensdauer von ca. zehn Milliarden Jahren hat sie bereits hinter sich. Bevor Menschen aber begannen sich naturwissenschaftlich mit diesem Himmelsobjekt zu befassen, hatte sie bereits einen festen Platz in Kulten, Mythen und Religionen

Text: Michaela Frieß

Es muß ein intuitives Wissen um die Wichtigkeit der Sonne für irdisches Leben geben, denn lange bevor die Sonne naturwissenschaftlich erklärt werden konnte, galt sie als Quelle des Lichts, des Lebens und der Fruchtbarkeit. In vielen Religionen wird sie mit der Vorstellung vom Gott im Himmel verbunden.
Die Ähnlichkeit mündlich überlieferter Schöpfungsgeschichten vieler Naturreligionen ist verblüffend, aber nachvollziehbar: In diesen Geschichten kommt der Sonne fast immer die zentrale Rolle bei der Erschaffung der Menschheit zu. Entweder vereinigte sie sich mit dem Mond, oder mit der Erde, woraus die Urahnen des Menschengeschlechts hervorgingen, die wiederum meist als Götter verehrt wurden. Für diese miteinander verwandten Vorstellungen von ihrer Schöpfungskraft dürfte banalerweise ihre Allgegenwärtigkeit verantwortlich sein. Der Anschein ihrer Bewegung am Himmel in immer gleichen Zyklen, ihr Verschwinden und wieder Auftauchen ist eines der konstantesten und ältesten Naturereignisse, in dessen Folge sich ihre Symbolik entwickelte.

Das Christentum hat nahezu die gesamte Sonnensymbolik auf Christus übertragen: Sein Tod ist der wahre Sonnenuntergang, seinen Auferstehung der wahre Sonnenaufgang.

Mythisch wurde der Sonnenlauf z.B. als Wagenfahrt, Schiffahrt, Vogelflug und Kugelrollen dargestellt. Die Sonne wird in vielen Kulturen auch als das allsehende Himmelsauge verstanden. Erste Darstellungen finden sich auf prähistorischen Felsenbildern aus dem asiatischen Raum und in Nordafrika: Der Kopf von Stieren und menschlichen Gestalten wird durch ein Sonnenrad dargestellt.
 






Sanfte Sonnengesichter von Marcuse, Smilin’ Demons, Mannheim (links) und dem unvergleichlichen Boris, Ungarn (rechts)





Die bedeutendsten Kulturräume, in denen die Sonne verehrt wurde sind das alte Peru und das alte Ägypten. In Peru galt die Sonne als göttliche Ahnherrin des Inkageschlechts. Dort wurden Sonnenbilder vor allen Dingen aus Gold gefertigt, denn kein anderes Edelmetall gleicht ihr so in Farbe und Glanz so sehr wie Gold. In Ägypten wurde der Sonnengott Re metaphorisch mit »der Goldene« bezeichnet, Echnaton machte aus der Sonnenverehrung gar eine monotheistische Religion.
Zahlreiche Tiere verkörpern die Sonne und ihre Charakteristiken: Adler und Falke beispielsweise stehen für die Kraft der Sonne, der sagenhafte Phönix symbolisiert ihre tägliche und alljährliche Verjüngung, der Hahn zeigt ihren Sonnenaufgang an und der Löwe ist das Symbol ihrer Allsichtigkeit, weil er mit offenen Augen schläft. In Ägypten ist der Skarabäus Sonnensymbol, weil er seinen Dung vor sich herrollt, wie der Sonnengott die Sonne.
 
 














Alles ist machbar: Ob griesgrämig (Normans Tattoo, Bottrop), sadistisch (Dean Deakyne, Laguna Beach) oder spirituell (Northside Tattoo, U.K.)

Das Christentum hat nahezu die gesamte außerbiblische Sonnensymbolik auf Christus übertragen: Sein Tod ist der wahre Sonnenuntergang, seinen Auferstehung der wahre Sonnenaufgang. So wurden bereits die frühchristlichen Kirchen geostet, das heißt, Kirche, Apsis und Altar wurden nacht Osten ausgerichtet als Symbol der Hinwendung zu Christus. Im Islam wenden sich die Betenden ebenfalls gen Osten als Zeichen der Hingabe an die Weite des Sonnenweges. Etliche Initiationsriten vieler Völker wurden von der Sonnensymbolik geprägt. Schon in archaischen Kulturen mußte der Initiant einen Sonnenlauf durchstehen, indem er durch ein künstlich hergestelltes Ungeheuer kriechen mußte.
Die wohl spektakulärste Sonnenzeremonie gab es bei den nordamerikanischen Plainsstämmen. Der sogenannte Sonnentanz galt in ihrer Religion als eine wichtige Erneuerungszeremonie. Er wurde zu dem Zweck abgehalten, den Großen Geist durch persönliches Opfer versöhnlich zu stimmen, und die bösartigen Geister der Erde zu besänftigen. Der Sonnentanz dauerte zwischen drei und vier Tagen und beinhaltete verschiedene Rituale. Die Feierlichkeiten fanden in einer Laubhütte statt, deren Dach nach Osten hin offen war, und in deren Mitte ein Baumstamm - der sogenannte Sonnenpfahl – aufgestellt wurde. Erst nach einem Schwitzbad, das zur Reinigung diente, betraten die Tänzer die Hütte, wo ihnen mit einem Messer Schlaufen in Brust oder Rücken geschnitten wurden. Durch diese Schlaufen stieß man fingerdicke Holzpflöcke, an denen Lederriemen befestigt wurden, die am »Sonnenpfahl« hingen. Einige wurden auf diese Weise in den Baum gehängt, die Augen Richtung Sonne gewandt. Anderen wiederum wurden Gewichte an die Lederriemen gebunden, mit denen sie dann um den Baum herumtanzten. Dieses Prozedere dauerte 24 Lieder des Tanzes, in deren Verlauf weder gegessen noch getrunken wurde.
 





»Schein oder nichtschein« - eine wirklich eigenwillige Variante unseres Sonnenballs. Hübsche Tribal-Sonne von Mark. B’s Red Dragon Tattoo (Neustadt)




Die Darstellungsweise der Sonne ist eine universell gültige - ein Kreis ist schon ausreichend, gehen von ihm Linien ab, ist das Bild eindeutig. Sonnenbilder von Kindern gemalt sind sich immer sehr ähnlich und haben eine warme, positive Aura - verständlicherweise, denn wohl niemand dürfte zumindest in unseren Breitengraden die Sonnenwärme als lästig empfinden. Und wie kommt die Sonne als Tattoomotiv daher? Es ist verwunderlich, daß dieses bedeutende Symbol nicht unbedingt zu den Tattooklassikern gehört. Das mag an der Einfachheit ihrer Form liegen und dem naheliegenden Gedanken, daß man ja nicht so ein nullachtfünzehn-Motiv von der Stange haben will. Unsere Bildauswahl aber dürfte deutlich machen, daß es da sehr wohl eine reichhaltige Palette von Darstellungsmöglichkeiten gibt. Schon die Stilvielfalt in der heutigen Tattookunst läßt da viel Freiraum: Ob im Comic-Stil, biomechanisch, tribalmäßig, keltisch oder knallbunt.
 
Elfen
   
 
Wer hat sich denn noch nicht irgendwann einmal vorgestellt wie es wäre, käme eine Elfe bzw. gute Fee und spräche mit sanfter Stimme: »Du hast drei Wünsche frei?«

Text: Michaela Friess

Die Elfenmädchen tanzten schon auf dem Elfenhügel, sie schwebten auf und nieder mit ihren langen Schals, die aus Nebel und Mondschein gewoben waren, und sahen gar lieblich aus für jemand, der an dergleichen Gefallen findet.« So beschreibt der Märchenerzähler Hans Christian Andersen die Elfen in seinem Märchen »Elfenhügel«. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich diese, auch heute noch gültige Bildvorstellung von Elfen. Es sind kleine, liebreizende und meist weibliche Geschöpfe, die über Zauberkraft verfügen. Für die Einbürgerung des Wortes »Elfen« ist eine deutsche Übersetzung (1764) der Komödie »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare verantwortlich, die 1595 aus seiner Feder floß. Die Übersetzungen der Komödien von Shakespeare oder auch John Milton (Paradise Lost) sorgten zwar für die literarische Verbreitung dieser Geschöpfe, aber ihre Erfinder sind sie nicht. Ihren eigentlichen Ursprung haben die Elfen im nordischen Volksglauben. In der Edda - die sogenannte heilige Schrift des heidnischen Europas ist in einer Handschrift aus dem 13. Jahrhundert erhalten - werden gar drei Bild- und Wesensvorstellungen unterschieden: Lichtelfen, Dunkelelfen und Schwarzelfen. Die ersteren sind die Bewohner der reinen Lichtregion, die zweiten irdischer Bergklüfte und Höhlen und stehen in enger Verwandtschaft zu den Zwergen bzw. Trollen. Die Schwarzelfen schließlich bewohnen die Unterwelt. Diese Unterscheidung verlor sich allerdings recht schnell, so daß eine dualistische Vorstellung - der Glaube an Licht- und Dunkelelfen - übrig blieb: »Die Lichtelfen sind heitere, fröhliche Geschöpfe, bald sichtbar, bald unsichtbar; sie machen sich gern mit den Menschen und Göttern zu schaffen, erfreuen durch ihre schöne Gestalt und Gutmütigkeit, während die Dunkelelfen das Licht fliehen, nur während der Nacht aus ihren finsteren Wohnungen hervorkommen, und, falls sie die Sonne noch auf der Erde überrascht, versteinert werden durch den Strahl, der sie trifft.« (Mythen-Lexikon)
Tattoo von Jörg
Akira Tattoo (Essen)
 
Tattoo von Thorsten
Raschke, Two Face (Berlin)
 
Tattoo von Chris
Bad Dog Productions (Orlando, FL)

Bemerkenswerterweise finden sich die Lichtelfen als Tattoo-Motiv viel häufiger als die Dunkelelfen: die meist anmutigen, weiblichen Flügelwesen sind mal zart wie ein Schmetterling und mal aufreizend wie ein Playboyhäschen; und immer dominiert das Unschuldige, Geheimnisvolle, Zauberhafte.
In der Edda gibt es sogar Verhaltensmaßregeln für den Fall, daß eine Elfe sich mit einem Menschen liebend verbindet: »… folgen solchem Umgang Kinder, so müssen diese ganz im heiligen Taufwasser gebadet werden, … ,weil sie sonst keine unsterbliche Seele bekommen.« Dieses Zitat verdeutlicht überraschenderweise den starken Einfluß des Christentums auf sogenannte heidnische Schriften: Da wird der Erbsündenglaube vehement mit dem Glauben an kleine Zauberwesen vermischt.
Worin aber besteht der Unterschied zwischen einer Elfe und einer Fee? Der eigentliche Unterschied zwischen Elfe und Fee liegt darin, daß eine Fee genauso groß wie ein Mensch ist, als sterblich gilt und außerdem für den Menschen sichtbar ist, wohingegen eine Elfe nur von jemandem, der ebenfalls über Zauberkraft verfügt, gesehen werden kann. Man darf aber resümieren, daß sich das äußerliche Erscheinungsbild und die Grundwesensart größtenteils entsprechen: Wie die guten Elfen auch, sind die guten Feen mit allen Reizen des Körpers und des Geistes ausgestattet, sie sind schön und ewig jung, bereit dem Unterdrückten zu helfen, den Verirrten den richtigen Weg zu weisen und mittels ihres Zauberstabes kleinere Wunder zu vollbringen.
Tattoo von Fatman
South Florida Tattoo (USA)
 
Tattoo von Kelly
Renegate Tattoo (Texas)

Elfen und Feen gehören sowohl in die Erwachsenenwelt als auch in die Welt der Kinder. Feen gelten als Schicksalskünderinnen, die vor allen Dingen in Verbindung mit Neugeborenen auftauchen; sie können gute Wünsche, aber auch böse Flüche mit auf den Lebensweg geben, weshalb es bei den Menschen im Mittelalter Brauch war, sie mit aufgetischten Speisen günstig zu stimmen. Selbst Jeanne d’Arc wurde in ihrem Prozeß Feenglaube vorgeworfen - ein Glaube, der vom Christentum bekämpft wurde.
Die Märchenwelt des 19. Jahrhunderts greift schließlich auf diesen alten Volksglauben zurück. Dörnröschen wird von einer bösen Fee verwunschen, wohingegen Aschenputtel ohne die Hilfe einer guten Fee niemals den Prinzen abbekommen hätte. Frau Holle ist eine Art Fee (obwohl ihre Häßlichkeit fast dagegen spricht), die sowohl Gutes als auch Schlechtes bringt, ganz abhängig von der Moral und Motivation ihrer zwei Probandinnen.
An Karneval dann tauchen Elfen und Feen in Anlehnung an das, was die Kinder gerade vorgelesen bekommen, in vielgestaltiger Form auf: da wird es auch nicht wundern, wenn wir dieses Jahr die bei Harry Potter beschrieben Elfen zu sehen kriegen, die allerdings so gar nicht dem klassischen Elfenschönheitsideal entsprechen. Im Gegensatz zu Glöckchen beispielsweise, der süßen, winzigen Luftelfe, die Peter Pan das Fliegen und Kindbleiben lehrt, sind die Elfen von J.K. Rowling großaugige, langohrige, kleiderlose, versklavte Hausdiener, ohne irgendwelche Privilegien, deren Zauberkraft außerdem völlig unbedeutend ist.
Wer weiß, vielleicht finden wir ja auf der einen oder anderen anstehenden Convention Harrys anhängliche Elfe namens Winky auf dem einen oder anderer Körperteil wieder?
 
Schwalben
   
 
Singen, fliegen, frei sein - wir haben lediglich einen oder haben vielleicht auch schon mal einen abgeschossen - einen Vogel natürlich

Text: Michaela Friess

In einem Märchen von Hans Christian Andersen bringt Däumelinchen eine Schwalbe durch den Winter, der es aufgrund einer Flügelverletzung nicht gelungen war, rechtzeitig in den Süden zu ziehen. Ein Jahr später dann wollte es der Zufall, daß die Schwalbe die Gelegenheit hatte, Däumelinchen zu retten: Diese nämlich sollte einen blinden und langweiligen Maulwurf heiraten, der die Sonne und die Wärme haßte und tief unter der Erde wohnte. Die Schwalbe aber nahm das nur daumengroße Wesen mit sich fort in den Süden, wo nicht nur immer die Sonne schien, sondern es auch den König der Blumen traf, der es zur Frau nahm.
Klassisch von Olaf Lobe
Kailitos Way (Duisburg)

Auch Oscar Wilde macht eine Schwalbe in dem Märchen »Der glückliche Prinz« zum Helden. Er erzählt wie eine Schwalbe bei dem mit Gold überzogenen und diamantenbestückten Standbild eines Prinzen zu überwintern versucht. Dieser nämlich erst sah jetzt als Statue das Elend und die Armut vieler Menschen, denen er helfen wollte. Darum schickte er die Schwalbe Nacht für Nacht aus, den besonders armen Menschen die an ihm befestigten Edelsteine und das Gold zu bringen. Das ging so lang, bis der Winter hereinbrach und die Schwalbe, nachdem sie alle Kostbarkeiten von ihm abgepickt hatte, tot zu seinen Füßen zusammenbrach. Über ihren Tod brach ihm das Herz. Als die Stadtherren gewahr wurden, wie schäbig doch ihr einst so prächtiges Standbild daherkam, wollten sie es einschmelzen lassen. Das gebrochene Herz des Prinzen aber schmolz nicht. So warfen sie es auf einen Kehrichthaufen, auf dem auch die tote Schwalbe lag. Gott bat einen Engel die beiden kostbarsten Dinge jener Stadt zu ihm zu bringen, woraufhin der Engel ihm das bleierne, gebrochene Herz und den toten Vogel brachte. Von diesem Tag an singt die Schwalbe in Gottes Paradiesgarten.
Im Teufels und …
 
Engelskostüm von
White Tiger Tattoo (USA)

Mit Briefen oder Herzen im Schnabel galt die Schwalbe als Überbringerin von Liebesbotschaften. Die Trennung von der Geliebten und die damit verbundene Sehnsucht nach ihr wurde mit einer tätowierten Schwalbe ausgedrückt

Die Schwalbe ist ein ausdauernder Schnellflieger, nahezu immer in der Luft. Sogar ihre Nahrung nimmt sie während ihres Fluges ein. Ähnlich wie der Frosch im Glas zeigt sie uns wie das Wetter werden wird: Fliegen die Schwalben hoch, bleibt das Wetter schön, fliegen sie tief, wird es regnen. Und das heute noch immer geläufige Sprichwort »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer« findet sich schon bei Aristoteles. Es meint, daß Überschwang oder Glücksgefühle nicht unbedingt von Dauer sind.
Die Schwalbe ist als Zugvogel ein Frühlingsbote, gilt als Glücksbringerin und wird in vielen Ländern als Liebesvogel verstanden. In China bedeutet eine am Haus nistende Schwalbe Erfolg, Kindersegen und Eheglück. In Mitteleuropa bewahrte sie die Hausbewohner vor Blitzeinschlag und Streit.
»Das Band der Liebe« von Eric Duffour (OtR)
 
Als Rache-Symbol von
Mit Dolch von »The Skin Lab«
In der griechischen Mythologie taucht sie aufgrund ihrer Vermehrungslust als der Lieblingsvogel der Liebesgöttin Aphro-dite auf. In Albanien war die Schwalbe der Liebesgöttin Prenne geweiht. Die Asche einer brütenden Schwalbe galt als eine Art Aphrodisiakum, Schwalbenblut und ihr Kot sollten schönen Haarwuchs bewirken. Die Nester indischer Seeschwalben gelten heute noch als potenzsteigerndes Nahrungsmittel. Die einzige christliche Bedeutung kommt ihr durch eine Fabel zu, nach der sie mit dem Saft von Schöllkraut ihren Jungen das Augenlicht gab. Darum galt sie als Symbol der Augenöffnung der Verstorbenen beim Jüngsten Gericht.
In der Tätowierung hat die Schwalbe Tradition. Besonders unter Seefahrern war dieses Motiv beliebt. Mit Briefen oder Herzen im Schnabel galt die Schwalbe als Überbringerin von Liebesbotschaften. Die Trennung von der Geliebten und die damit verbundene Sehnsucht nach ihr wurde mit einer tätowierten Schwalbe ausgedrückt. Sie ist ein Liebesbekenntnis und Lebenszeichen zugleich, und meint auch: »Warte auf mich, ich komme zu dir zurück.« Als Old-School-Motiv ist die Darstellungsform einer Schwalbe dementsprechend vereinheitlicht worden. Sie erscheint nicht als realistisches Tierporträt, sondern in stilisierter Form: Sie wird fliegend, oft paarweise und fast immer in rot, blau und gelb tätowiert. Manchesmal wird ihr Köpfchen von einer Krone geziert oder über diesem schwebt ein goldener Ring. Einerseits steht dieser Ring gleich einem Heiligenschein für das engelhafte Wesen dieses Vogels, er kann aber auch als Verlobungsversprechen verstanden werden. Die Rockabillies machten aus der Schwalbe ein begehrtes New-School-Motiv, das sich bis heute neben Herzen, 8balls und Pin-ups behauptet hat.
Moderner Chromflieger
von »Forever Art« (Texas)
Etwas mystischer betrachtet verkörpert die Schwalbe aber auch das Bedürfnis des Menschen der Kälte der Welt zu entfliehen und die Wärme zu suchen, genau so wie es die Schwalbe macht, wenn der Winter naht. In gewisser Weise symbolisiert sie so das Entfernen vom Irdischen, um das Himmlische zu finden - die persönliche Freiheit.







 
Seefahrermotive
   
 
Anker, Schiffe mit geblähten Segeln, »Glaube, Liebe, Hoffnung«, das Herz; die klassischen Seemannsmotive sind nach wie vor beliebte Vorlagen für Tätowierungen. Herbert Hoffmann berichtet über Historisches, Seefahrerromantik und den Hintergrund der Seemannsmotive.

Text: Herbert Hoffmann
Fotos: Archiv TätowierMagazin

Während im Abendland die Inquisition Furcht, Angst und Schrecken auslöste, die Tätowierung als heidnischer Kult verboten und verfolgt wurde und die naturheilkundigen Kräutersammlerinnen als Hexen auf den Scheiterhaufen kamen, brachen mutige Seefahrer wie Magellan, da Gama, Vespucci, Columbus und Cook mit ihren Korvetten oder Gallonen, den Segelschiffen des späten Mittelalters, zu neuen Ufern auf.
Vasco da Gama umsegelte das Kap der Guten Hoffnung und erkundete die Route nach Indien. Fernando de Magellan fand den Seeweg ums Kap Hoorn bis hin zu den Philippinen; Christoph Kolumbus und Amerigo Vespucci entdeckten die Neue Welt, James Cook erforschte die Ostküste Australiens, durchquerte jahrelang den Pazifik und entdeckte viele Inselgruppen in der Südsee. Sie fuhren im Dienste ihrer Länder Spanien, Portugal und Groß-Britannien, um ferne Länder zu erkunden, Handelswege zu erschließen, und über fremde Völker zu erfahren.

Zur Bedienung der Takelage wurden viele Hände gebraucht, und die Mannschaft eines jeden Schiffes bestand oft aus hundert Seeleuten. Wochen- und monatelang sahen sie bis zum Horizont nur Wasser.
Monatelange Entbehrung
wurde mit dem Paradies belohnt!

Wenn Land in Sicht kam, dann war die Freude riesengroß und Landgang war der Höhepunkt. Fremde Länder, ferne Inseln, andere und tätowierte Menschen, namentlich in der Südsee. Für die damals fast rechtlosen Seemänner waren diese herrlichen Inseln ein wahres Paradies und die Menschen dort lebten paradiesisch; ihre Tätowierungen rundeten diese Vorstellung von Friede, Freude und Freiheit ab – und sie ließen sich nun auch von den Heiligen dieser Völker tätowieren.
In seinem Bericht »Reise um die Welt« beschrieb der Kapitän Adam Johann von Krusenstern mit besonderer Ausführlichkeit den Tätowierbrauch auf den Marquesa-Inseln: »Um 4 Uhr nachmittags kam der König mit seinem Gefolge an Bord. Sein Name war Tapega Kettenowee. Er war er sehr starker, wohlgebildeter Mann von etwa 40 bis 45 Jahren. Er war völlig nackt und sein Körper war von dunkler, fast schwarzer Farbe, ganz tätowiert, sogar bis zu den Stellen seines Kopfes, von welchem man das Haar abgeschnitten hatte.
Sobald die Nukahiwer die Jahre der Mannbarkeit erreicht haben, tätowieren sie ihren ganzen Körper. Gewöhnlich nimmt man schwarze Farbe dazu, welche sich nachher in schwarzblaue verwandelt. Nirgends hat man wohl diese Kunst auf einem so hohen Grad von Vollkommenheit gebracht, wie auf diesen Inseln. Es ist eigentlich eine Malerei verschiedener Figuren auf dem Körper. Der König, der Vater des Königs und der Hohepriester waren die einzigen fast ganz schwarz Tätowierten, bei denen man keinen Teil der Körper finden konnte, der nicht in dieser Art geziert wäre. Auch das Gesicht, die Augen und ein Teil des Kopfes waren tätowiert.«

Eine Palme zur
Erinnerung!
Diese Tätowierungen waren das einzige, was die europäischen Seeleute aus diesem Paradies behalten und auch mitnehmen konnten. Sie waren die ganz wenigen Glücklichen, die dies Paradies nicht nur gesehen und erlebt hatten, sondern im Paradies gewesen waren. Und das konnten sie zu Hause mit diesen Hautbildern beweisen. Einige haben den Tätowiervorgang aufmerksam verfolgt, so daß sie später – wieder auf Großer Fahrt – ihre Kameraden tätowieren konnten. Oft kamen die Segler in eine Flaute, und an Bord gab es nichts anderes zu tun, als abzuwarten. Aus der Not wurde die Tugend gemacht: man tätowierte sich. So tätowiert kehrten sie in die Heimat zurück und verbreiteten diesen alten und wieder entdeckten Brauch des Tätowierens zuerst und sehr nachhaltig in den Hafenstädten, den die Schauerleute und Hafenarbeiter als erste eifrig übernahmen.






»Glaube, Liebe, Hoffnung«
Anker, Kreuz und
flammend Herz –
Glaube, Liebe, Hoffnung
Unter den Fahrensmännern hieß es alsbald: ein Seemann muß nicht stark, aber stark tätowiert sein! Für sie als Abenteurer war es ein Ehrenkodex tätowiert zu sein, und manche »Landratte«, die sich auch Tätowierungen wünschte, heuerte als Moses (Schiffsjunge) an und kehrte als tätowierter Vollmatrose stolz und selbstbewußt zurück. Zumeist waren es die Schiffszimmerer und Segelmacher, die an Bord ihre Kameraden tätowierten, und sie malten Motive für den Seemann. Eines dieser ersten und auch heute noch beliebten Motive war »Glaube, Liebe, Hoffnung«. Die Fahrensleute des ausgehenden Mittelalters standen täglich im Kampf mit den Naturgewalten der See und wußten, daß sie nur ein Spielball des Schicksals waren. In ihrer Hilflosigkeit vertrauten sie auf die Hilfe Gottes, flehten um seinen Beistand in der Not und glaubten an ihn, was mit dem Kreuz bezeugt wurde. Natürlich war ihnen auch die fehlende Liebe sehr bedeutsam, die durch das Herz versinnbildlicht wird. Der Anker ist das Sinnbild der Hoffnung, und jeder hoffte doch, daß er die Gefahren übersteht und die Heimat wieder sieht.



Das Seemanngrab
»Last Trip«
Aber die stürmische See ist gewaltig und oft todbringend. Wie viele brave junge Fahrensleute hat Freund Hein sich geholt; auf einem Seemannsgrab da blühen keine Rosen! Als Amulett soll dem Jan Maat ein tätowiertes Seemannsgrab das nötige Glück bringen. Wenn er sich das Seemannsgrab in die Haut stechen lässt, dann kann er nicht untergehen! Und so hat ein Segelmacher oder ein Schiffszimmerer ein Seemannsgrab in vielen Variationen gezeichnet als Tätowiervorlage: ein untergehendes Schiff und einen Rettungsring. Als schmückendes Beiwerk fügten die verschiedenen Tätowierer Gewitterwolken, eine aufgehende Sonne, ein Kreuz und einen Engel hinzu.







Seemannsromatik
Neue Zeiten: Das
Dampfschiff hat
das Segelschiff ersetzt!
Heute durchpflügen Containerschiffe und Riesentanker die Meere, laufen abends beilspielsweise in den Hamburger Hafen ein, werden am Container-Terminal oder im Petroleumhafen festgemacht. Das Löschen der Fracht und das Laden geschieht in wenigen Nachtstunden. Alles muß schnell gehen, denn die Liegegebühren sind sehr hoch. Für den Mann an Bord bleibt keine Zeit für einen Landgang; St. Pauli und die Reeperbahn bleiben sein Wunschtraum. Sein Leben heute ist ähnlich dem eines Fabrikarbeiters. Seemannsromantik gibt es heute nur noch in Büchern oder in den Erinnerungen alter Fahrensleute.
Sie sind noch bzw. schon auf Dampfschiffen gefahren als es dort noch behäbiger und gemütlicher einher ging und es noch Urlaub bis zum Wecken gab. Da konnten sie noch – wie einst Hans Albers im Film »Große Freiheit Nr. 7« einen Reeperbahnbummel machen. Und wenn sie in »Karl Finkes Tätowieranstalt« in der Kleinen Marienstraße in Altona oder zu Krischan Warlich in seine Hafenarbeiterkneipe in der Kieler Str. 44 auf St. Pauli eintraten, dann ließen sie sich natürlich tätowieren, doch kaum ein Dampfschiff, sondern eine stolze Dreimastbark auf den Arm oder eines der Fünfmast-Vollschiffe mit den Namen Padua, Pamir, Passat, Preussen, Pommern oder Potosi der Reederei Laisz auf ihre breite Seemannsbrust. Die Schiffe wurden immer zusammen mit den Küstenvögeln, den Möwen dargestellt, um eine gute Heimkehr anzuzeigen.
Am Beispiel des Segelschiffes erkennt man, wie sehr der Brauch des Tätowierens mit der Tradition verhaftet ist. Ich habe noch niemanden kennen gelernt, der sich ein Containerschiff hat tätowieren lassen. In wohl allen Menschen schwingt ein Stück Nostalgie mit, vielleicht auch das Wunschdenken, sich in die Welt der Seefahrtsromantik zu versetzen, was mit althergebrachten Seemannsmotiven ihren Ausdruck in der Tätowierung findet.
 
 
Tätowiermaschine
   
 
Tätowiermaschinen - Ein Ehrenplatz für das Arbeitsgerät

Endlose Stunden leiden manche Tattoofans unter der Tätowiermaschine, um sich schließlich auch noch das Folterinstrument, das für ihre Qualen verantwortlich ist, auf immer und ewig in die Haut stechen zu lassen. Tattoomaschinen als Tattoos - ganz sicher nicht geeignet als Modetattoo-Gag, eher was für Hardcore-Tattoofans


Text: Dirk-Boris
Im Graffiti-Stil gestochen
von Felix Leu.
Nach Personen gefragt, die sich in besonderer Weise um das Tätowieren verdient gemacht haben, dürften die meisten Kenner der Tattooszene wohl die selben Namen nennen: Felix und Filip Leu, die unumstrittenen Päbste der modernen Tätowierkunst, Spider Webb, der sich nachdrücklich und mit Erfolg für die Legalisierung des Tätowierens in New York einsetzte oder auch Henk Schiffmacher, besser bekannt als Hanky Panky, der mit seiner Arbeit und seinem Tattoo-Museum einen wichtigen Beitrag dazu leistete, das Tätowieren in der Gesellschaft bekanntzumachen. Bestimmt fallen jedem noch weitere Namen ein, die Anspruch darauf hätten, hier genannt zu werden. Mit ziemlicher Sicherheit würde aber einer nicht bedacht werden, der es wirklich verdient hätte: der amerikanische Elektrotechniker Thomas Alva Edison. Denn Edisons Verdienst war es nicht nur, die Kohlefadenglühlampe entwickelt zu haben (Vorläufer moderner Glühbirnen, ohne die Tätowierer überhaupt nicht sehen würden, was sie zusammenstechen), er konstruierte auch den Vorläufer der heute gebräuchlichen Tätowiermaschine.

Zugegebenermaßen hatte Edison nicht die Verzierung der Haut im Sinn, als er im Jahr 1877 seinen »Electric Stencil Pen« zum Patent anmeldete, vielmehr sollte besagtes Gerät dazu dienen, harte Oberflächen wie beispielsweise Metall zu gravieren.
 



Die patentierten Baupläne der Maschinen von O'Reilly und Edison. Das Funktionsprinzip basiert auf elektromagnetischen Spulen, die durch Ladung und Entladung die eine Feder hin- und herspringen lassen







Sieben Jahre später machte sich jedoch ein anderer das Prinzip des »Electric Stencil Pen« zunutze, um damit eine weiche, lebendige Oberfläche zu gravieren und einzufärben, nämlich die menschliche Haut. Mit einer geringfügig veränderten Vorrichtung von Edisons Gravurgerät hatte Samuel F. O’Reilly die erste wirkliche elektrisch betriebene Tätowiermaschine konstruiert, die er sich im Jahr 1891 patentieren ließ.

Relativ rasch verbreitete sich dieses Gerät, dessen Funktionsprinzip auf elektromagnetischen Spulen beruht, die durch Ladung und Entladung hunderte Male pro Sekunde eine Feder hin- und herspringen lassen, die wiederum die Nadelstange bewegt, an deren Ende schließlich die Tätowiernadeln angebracht sind. Das relativ einfache Konstruktionsprinzip der Maschine - sie funktioniert eigentlich genau wie eine elektrische Türklingel - lud technisch versierte Tattoo-Künstler geradezu dazu ein, sich die Maschinen selbst nach den eigenen Bedürfnissen zu bauen.
 
 



So sehen Top-Tätowierer ihr Werkzeug: Die pedalbetriebene Apparatur entsprang der Phantasie Bernie Luthers (Wien), die chromglänzende Tattoo-Maschine ist von Aaron Bell, Slave to the Needle (Seattle) und die grüne Embryo-Maschine wurde von Mike Davis (San Francisco) gestochen.




In Gegenden, wo die Beschaffung
verschiedener zum Bau einer herkömmlichen Maschine notwendiger Teile schwierig war (ehemalige Sowjetunion oder Haftanstalten), wurden die Tattoomaschinen mittels Rotations-Elektromotoren aus Rasierapparaten oder Cassettenrecordern angetrieben; legendär sind die sowjetischen »Sputnik«-Maschinen, mit denen geübte Tätowierer durchaus ansprechende Resultate erzielen können. Der Nachteil solcher Apparate liegt weniger in der Funktionsweise als im Aufbau der Maschine selbst, denn in der Regel lassen sich solche selbsgebastelten Teile nicht wie professionele Tätowiermaschinen zerlegen, saubermachen und sterilisieren, was natürlich ein hohes Infektionsrisiko für die Kunden birgt.

Im Zuge des Tattoo-Booms und der damit verbundenen Diversifizierung der Motive war es nur eine Frage der Zeit, bis das elektrisch betriebene Folterinstrument selbst schließlich als Tätowierung auf den ersten Häuten auftauchte. Eigentlich nur eine logische Entwicklung, denn das Tätowieren von Handwerks- und Zunftzeichen war bei verschiedensten Berufen bereits seit der Jahrhundertwende gang und gäbe - warum sollten also nicht auch Tätowierer schließlich ihre »Tools of the Trade« auf der Haut tragen. Eines der ersten Bilder einer Tattoomaschine, das von der realistischen Darstellung abwich und sich in Richtung Graffitti/New School orientierte, stach Felix Leu Ende der 80er Jahre auf den Arm des Tätowierers Jørgen Christiansen. Seitdem greifen Tätowierer das Motiv der Tätowiermaschine immer wieder gern auf, nicht ohne das geliebte Utensil in allen möglichen Arten und Unarten zu verfremden. Einer der fantasievollsten Beiträge zu diesem Thema dürfte von Bernie Luther stammen, der auf der Haut eines Kunden eine mechanisch betriebene Tattoomaschine im FredFeuer/Frankenstein-Steinzeit-Stil entstehen ließ. Aber auch andere Künstler lassen ihrer Fantasie gern freien Lauf, ersetzen die Spulen durch Totenschädel, verdrehen die Tubes und verbiegen in ihren Tattoos die Rahmen der Maschinen bis zur Unkenntlichkeit, verschieben die Dimensionen ins Groteske, so daß oft die normalerweise kaum sichtbaren Nadeln wie Speere aus der Tip herausragen.

Aber für viele Tätowierer ist eine Tattoo-Maschine kein Motiv wie jedes andere; einige Künstler würden sich weigern, einem Kunden solch ein Bild in die Haut zu stechen, wenn dieser nicht selbst Tätowierer ist, andere sehen das Ganze lockerer. Respekt empfindet aber wohl jeder Tätowierer für dieses Gerät, das nur Greenhorns als »Tattoo Gun« bezeichnen; »Ich würde eher meine Mutter als Hure beschimpfen, als daß ich dieses heilige Gerät als »Knarre« verunglimpfe«, so ein Spruch, den man bisweilen von Tätowierern zu diesem Thema hört. Aber es ist nicht nur der ultimative Ausdruck von Respekt, sich diese Konstruktion lebenslang in die Haut zeichnen zu lassen, so ein Bild drückt nicht nur die Liebe zu Tätowierungen aus sondern auch die Liebe zum Prozeß des Tätowierens selbst, mit all den damit verbundenen Schmerzen und Unannehmlichkeiten. Tattoomaschinen-Flashs sind definitiv keine Motive für Einsteiger, sondern Bilder für Hardcore Tattoo-Fans, die sich mit Leib und Seele der Tattookunst verschrieben haben.
 
Japanische Schriftzeichen
   
 
Japanische und chinesische Schriftzeichen rangieren in der Beliebtheitsskala der Tattoo-Motive in der selben Liga wie Delphine und Rosen - aber bedeuten die exotischen Zeichen auch wirklich immer das, was im Motivalbum dabei steht?

Text: Dirk-Boris Rödel

Ob man sie als "japanische" oder "chinesische" bezeichnet ist weitestgehend egal, denn obwohl beide Sprachen gar nichts miteinander zu tun haben, bedienen sie sich beide größtenteils der gleichen Schriftzeichen

Japanische Schriftzeichen gehören unverzichtbar zur Grundausstattung jeder Tätowiervorlagen-Sammlung. Für die einen sind die schnörkeligen Bilder Einstiegsdroge in die Welt des Tätowierens, andere bedienen sich der exotischen Zeichen als grafische Akzente, die in großflächige japanische Tätowierungen eingebettet werden. Die fremden Schnörkel wirken ähnlich ästhetisch-schlicht und zugleich geheimnisvoll wie die ornamentalen Tribal-Motive, zudem tragen sie noch eine Bedeutung, die in der Regel nur dem Träger und wenigen Sprachkundigen bekannt ist.





Drei verschiedene japanische Bezeichnungen für »Tätowierung« (v.o.n.u.): Horimono, Irezumi, Shisei







Ob man die Schriftzeichen übrigens als »japanisch« oder »chinesisch« bezeichnet, ist weitgehendst egal, denn obwohl die japanische und die chinesische Sprache selbst rein gar nichts miteinander zu tun haben, bedienen sich doch beide größtenteils der gleichen Schriftzeichen. So wird also in beiden Kulturen beispielsweise der Begriff »Liebe« mit demselben Zeichen dargestellt, wobei die Aussprache natürlich jeweils eine völlig andere ist - aber das braucht den Tattoo-Fan, der das Zeichen letzten Endes auf der Haut trägt, freilich nicht zu kümmern.





Schlechte Chancen hat »Sie« auf der Singleparty, wenn »Ehefrau« (Abb. links) anstatt des Schriftzeichens für »Frau« (Abb. rechts) zu lesen ist.







Ob die Zeichen aber wirklich das bedeuten, was in den Vorlagensets als Übersetzung angegeben ist, dürfte den Kunden schon eher interessieren. Denn daß die vermeintliche Übersetzung nicht unbedingt immer dem Bedeutungsinhalt entspricht, den ein Japaner oder ein Chinese mit dem jeweiligen Schriftzeichen verbindet, ist gar nicht so selten. Bestes Beispiel dafür ist ein Schriftzeichen, welches in vielen Vorlagealben als Schriftsymbol für »Frau« ausgewiesen ist. Das ist zwar nicht völlig falsch; allerdings bedeutet das Zeichen »verheiratete Frau«, ist also wohl kaum das Zeichen, das eine junge Frau unbedingt auf dem Schulterblatt tragen möchte. Solche Übersetzungsfehler kommen leicht zustande, wenn Sprachunkundige Eins-zu-Eins Übersetzungen aus dem Wörterbuch vornehmen, denn im Deutschen kann das Wort »Frau« ja sowohl die Frau im biologischen Sinne wie auch die Ehefrau meinen - im Japanischen klappt dieses Doppelbedeutung nicht, beide Begriffe sind klar voneinander getrennt. Eine tätowierte Zeichenkombination aus »Frau« und »Kraft«, wie sie Spicegirl Mel C. (mit dem korrekten Zeichen) am Oberarm trägt, bedeutet damit dann eben nicht mehr »Frauenpower« sondern »Ehefrauenpower«. Den selben Übersetzungsfehler kann man in einigen Vorlagensets auch bei den Zeichen für »Mann« und »Ehemann« respektive »Gatte« beobachten.

Nur dekorative Kalligrafie oder Statement?

Die nächste Fehlerquelle beim Tätowieren eines Schriftzeichens ist das Orientierungsproblem: Wo ist bei dem Teil oben und unten, wo rechts und links? Besonders problematisch wird es, wenn Klebe-Tattoos mit Schriftzeichen als Tattoo-Vorlagen benutzt werden, denn je nach Art der Applikation werden die Klebebildchen ja seitenverkehrt auf die Haut gepappt. Nun stellt sich die Frage, ob die Herstellerfirma das bei der Produktion bedacht hat und die Zeichen schon vorab gespiegelt hat, oder ob dieses Problem bei der Herstellung der Aufkleber ignoriert wurde. Beide Varianten befinden sich im Handel und je nachdem müssen die Zeichen natürlich, sollen sie als Muster für eine »echte« Tätowierung herhalten, entweder nochmals zurück gespiegelt oder aber original übernommen werden. Schlecht bedient wäre auch unser Grafiker Ingo, würde er sich das Schriftzeichen tätowieren lassen, das auf seinem Sweatshirt abgedruckt ist - das steht nämlich auf dem Kopf. Mal ganz abgesehen davon, daß es »Bein« bedeutet. Aber es gibt ja auch zahlreiche Tattoo-Kunden, denen die Bedeutung ihrer Schriftzeichen-Tätowierung völlig egal ist. Lesen kann das eh keiner, ist dazu die Einstellung, Hauptsache das Zeichen sieht hübsch aus. Auch einer jungen Dame, die ich bei der Convention in Berlin darauf aufmerksam machte, daß die Zeichen, die sie sich tätowieren lassen wollte mit »Lang lebe der Kaiser!« zu übersetzen seien, war die Bedeutung der fremden Symbole ziemlich gleichgültig.

Die Wahl des richtigen Schriftstils ist für Europäer schwer zu beurteilen

Aber Bedeutung hin oder her, der Sinn hinter den Zeichen ist nur ein Teil der Tätowierung. Mindestens ebenso wichtig: Wie sieht das Schriftzeichen aus? Denn natürlich gibt es auch im Japanischen bzw. Chinesischen die unterschiedlichsten Schriftstile. Zum Vergleich: Wer sich den Schriftzug »Bastard« über den Bauch tätowieren lassen will, wählt dazu in der Regel eine grafisch interessante Schrift wie z.B. eine fette Frakturschrift oder auch ein verschnörkeltes Graffiti-Lettering - aber kaum jemand würde dazu so sachlich-formelle Schriftstile wie »Times« oder »Helvetica« verwenden. Hingegen kann man bei den Schriftzeichen, die sich in den Motivbüchern einiger Tattoostudios finden, oft noch von einem Schriftstil sprechen; mit lieblos zusammengekritzelten Strichen, kaum noch lesbar, beleidigen die Schriftzeichen das Auge des Unglücklichen, der das Gekrakel gerade noch entziffern kann. Wer freilich nichts über Zusammensetzung und Aufbau der Schriftzeichen weiß, tut sich natürlich schwer damit zu beurteilen, bei welcher Schriftvariation das Symbol in seinen Proportionen nun stimmt und bei welcher nicht.
 




Links: Glück soll das Schriftzeichen seinem Träger bringen!
Rechts: Tiger mit passendem Schriftzeichen. Tattoo von Robert Atkinson (Los Angeles)






Die Suche nach dem richtigen Zeichen


Aber wie und wo findet man denn nun sein persönliches Schriftzeichen-Tattoo? Einige der beliebtesten Zeichen zeigen wir euch auf diesen Seiten. Dazu haben wir eine schwungvolle, aber nicht zu verspielte Pinselschrift gewählt. Aber natürlich gibt es noch eine Vielzahl von Zeichen, die wir schon aus Platzgründen hier nicht darstellen können.
Aufdrucke auf Textilien sind - wie bereits oben erwähnt - mit Vorsicht zu genießen. Während die Zeichen auf dem T-Shirt der Marke »Angels« tatsächlich »Engel« bedeuten, haben diejenigen, die sich ihr Motiv von den bedruckten Doppelschlafsäcken der Versandfirma »Louis« kopieren, die Arschkarte gezogen. Zwar bedeuten die Zeichen auf dem Pärchen-Schlafsack wirklich »Mann« und »Frau«, wie in der Erklärung angegeben - nur eben für das jeweils andere Schriftzeichen.
Freund,Drache, Fröhlichkeit
 
Geist/Energie, Traum, Harmonie
 
Leben, Tod, Tiger
 
Mut, Glück, Kraft


Postkarten mit Schriftzeichen-Motiven sind als Tattoo-Vorlagen recht gut geeignet, da die Zeichen oft in sehr schönen Kalligraphien geschrieben und in der Regel auch korrekt übersetzt sind. Eine weitere Möglichkeit, an das persönliche Wunschzeichen zu gelangen, besteht darin, es sich von einem Japaner oder Chinesen individuell pinseln zu lassen. Oft findet man in den Fußgängerzonen größerer Städte oder auch auf Jahrmärkten Asiaten, die solche Dienste anbieten - auch auf der Frankfurter Tattoo-Convention war dieses Jahr ein koreanischer Künstler anwesend, der auf Wunsch individuelle »Schriftbilder« malte. Natürlich könnt ihr auch im China-Restaurant um die Ecke mal nachfragen, ob dort jemand in der Lage ist, euch eine schöne Kalligraphie anzufertigen.

In den Bibliotheken der Universitäten, die die Studiengänge Japanologie und Sinologie (China-Wissenschaften) anbieten, findet ihr in der Regel auch verschiedenste Lexika, in denen sich alle gebräuchlichen Zeichen der chinesischen und japanischen Schrift nachschlagen lassen. In speziellen Kalligraphie-Lexika findet man sogar antike Schriftvarianten der heute gebräuchlichen Zeichen, beispielsweise aus alten Schriften oder Steingravuren. Für den Laien ist die Handhabung dieser Lexika zwar kaum möglich, vielleicht ist aber der eine oder andere Student bereit, euch bei der Suche zu helfen.

Wie bei allen Tattoo-Motiven gilt auch hier: Wer sich mit irgendeinem Schriftzeichen zufriedengibt, wird recht schnell in den Vorlagealben des nächsten Tattoo-Studios fündig - wenn ihr etwas Ausgefalleneres sucht, müßt ihr eben auch etwas mehr Recherche betreiben. Dafür habt ihr dann eben auch ein exklusives, individuelles Schriftzeichen auf der Haut.
 
Katzen
   
 
Katzendesigns - sowohl Hauskatzen als auch ihre wilden Artgenossen - sind äußerst beliebte Tattoomotive. Das TM sagt, warum das so ist …

Text: Michaela Frieß

Wer kennt das nicht: Auf dem Sofa lümmelnd schaut man sich ein wenig gelangweilt den obligatorischen Sonntagstatort an, und just in dem Moment, wo die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, bohren sich scharfe Krallen durch den Pullover und man zuckt zusammen. Es ist zum Glück nicht wie erst panisch vermutet, das Messer des Fernsehkillers, der wie in einem schlechten Film auf einmal hinter dir steht, sondern es ist nur deine dicke gemütliche Hauskatze, die wieder mal ihre Streicheleinheiten braucht - schnurrend rollt sie sich zwischen Bauch und Schoß zusammen. Fragen tut sie in der Regel nicht - aber inzwischen habe auch ich aufgehört mich schuldig zu fühlen, wenn ich sie unwirsch vertreibe.

Hüterin des Korns
Eine Legende über die Herkunft der Katzen berichtet, daß Noah zum Schutz vor den Mäusen, die die Vorräte in der Arche zu fressen begannen, dem Löwen über das Maul gestrichen habe. Daraufhin habe dieser genießt, und seiner Nase sei das erste Katzenpaar entsprungen.
Löwe gestochen von
Bianca’s Tattoo Solution
Hilversum (NL)
 
Puma von Mo’s Tattoo
Solingen
 
Löwe gestochen von
Slams Tattoo, Nordhausen


















Nach Noah waren es die alten Ägypter, die Katzen gezielt als Ratten- und Mäusefängerinnen einsetzten. Vor etwa viertausend Jahren begannen sie die sogenannte nubische Falbkatze zu domestizieren, um der Ratten- und Mäusescharen, die die Kornkammern bedrohten Herr, zu werden. Als Hüterin der Kornkammern wurde sie schließlich gottgleich verehrt. Ihr wurde Bastet zugeordnet - die Göttin der Weiblichkeit, Anmut und Liebe, die katzenköpfig dargestellt wurde. In jener Zeit (um 1780 v. Chr.) war es unter Todesstrafe verboten, Katzen zu töten und aus dem Land zu bringen. Auf diese Weise wollte sich Ägypten die Vormachtstellung als führender Kornproduzent sichern. Dennoch gelangten Katzen auch in andere Länder - um 330, als der Untergang Ägyptens besiegelt war, wimmelte es bereits im Land der Griechen nur so vor Katzen. Auch den Griechen war nicht entgangen, wie hilfreich diese bei der Reduzierung von lästigen Nagetieren sein konnten. Nachdem die Katzen das Mittelmeer überwunden hatten, ließ sich ihre Verbreitung in Mitteleuropa nicht mehr stoppen. Auf dem Festland begann sie sich mit der europäischen Wildkatze zu vermischen - so nahm ihr unaufhaltsamer Siegeszug seinen Lauf.

Im alten Ägypten waren die Katzen keine Schmusetiere, sondern die Beschützer der Kornernten - und wurde deswegen als heilig verehrt

Dunkle Zeiten
Die alten Germanen sahen die Katze in einem lunaren Zusammenhang, weshalb sie als Symboltier des Weiblichen und Fruchtbaren betrachtet wurde. So wurde die Göttin Freya - Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit und Beschützerin des Hauses - mit zwei große Katzen dargestellt, die ihren Wagen zogen. Jeder, der für ihre Katzen Milch in die Getreidefelder stellte, erhielt, so hieß es, bei schlechtem Wetter besonderen Schutz für seine Ernte. Als das Christentum den heidnischen Glauben zu verdrängen begann, geriet auch der gute Leumund der Katze in arge Bedrängnis. Das Mittelalter stellt in vielerlei Hinsicht einen Tiefpunkt in der Geschichte der Menschheit dar - es war aber auch ein Tiefpunkt in der Geschichte der Katzen: Im Zuge der Hexenverfolgungen wurden auch hunderttausende Katzen gefoltert, gehängt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil sie als Teufelsdienerinnen betrachtet wurden.
Aus dieser Zeit stammt auch die noch heute geläufige Vorstellung von der schwarzen Katze, die, wenn sie einem von rechts nach links über den Weg läuft, Unglück bringt. Die zu treffende Gegenmaßnahme besteht darin, drei Steine über die Katzenspur zu werfen oder auf einen Stein zu spucken.

Ihre Rehabilitation
Die erste große Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts forderte etwa 25 Mio. Opfer - verantwortlich hierfür waren die Ratten, deren Flöhe die tödlichen Bakterien auf den Menschen übertrugen. Bis zum 18. Jahrhundert folgten weitere heftige Epidemien. Allerdings erkannte man erst mit der Zeit der Aufklärung, daß Nagetiere für die ungehinderte Verbreitung der Pest verantwortlich waren. Das probateste Mittel gegen Ratten war die Haltung von Katzen in der Nähe des Hauses - auf diese Weise wurde das Ansehen der Katze rehabilitiert.

Die Faszination von Groß und Klein
Haustiger von Biancas
Tattoo Solution (NL)
 
Biancas
Tattoo Solution (NL)
 
Blackwork von Sabado
Eccentric Tattoo (Japan)

















Zoologisch gehören Kleinkatzen und Großkatzen zur gleichen Familie. Einer ihrer Unterschiede besteht z.B. darin, daß Kleinkatzen beim Ein- und Ausatmen schnurren, aber nicht brüllen können. Großkatzen dagegen können brüllen, aber nur beim Ausatmen schnurren. Ein anderer entscheidender Unterschied ist, daß es nahezu unmöglich ist, Großkatzen zu domestizieren und handzahm zu machen. Ihr Äußeres wie auch grundsätzliche Eigenschaften aber haben viele Gemeinsamkeiten: Katzen, egal welcher Größe, sind elegant, geschmeidig, vorsichtig, kraftvoll, wendig, verspielt und schnell.
Ganz gleich, ob groß und gefährlich oder klein und zahm, Katzen sind Tiere, die faszinieren können. Was aber macht ihre Faszination aus? Die Großen faszinieren aufgrund ihrer unzähmbaren Wildheit und aristokratischen Anmut; die Kleinen faszinieren, weil sie die gezähmten Miniaturausgaben der Großen sind und somit das Bedürfnis der Menschen befriedigen können, ihr weiches Fell zu berühren, worauf sie auch noch mit einem angenehm tief frequentem Schnurren belohnt werden.

Katzen-Bilder
Tiger, Löwe & Co sind heißbegehrte Hautbilder. Sie stehen in erster Linie für Kraft, Stärke und Unbezwingbarkeit. In der Geschichte der Symbolbedeutungen spielen sie auch eine weit größere Rolle als ihre kleinen Verwandten. Der Löwe beispielsweise galt im alten Ägypten aufgrund seiner kranzartigen Mähne und seiner Fell-und Augenfarbe als Erscheinungsform des Sonnengottes. Innerhalb der europäischen Religionen kamen ihm ambivalente Bedeutungen zu: Er kann sowohl den Teufel als auch Christus symbolisieren. Aufgrund seiner Eigenschaft angriffslustig zu sein, war er in vielen Königshäusern Sinnbild imperialer Macht und deshalb beliebtes Wappentier.

Katzentätowierungen sind Liebeserklärungen an dieses Tier, mit dem man zusammen lebt; eine Wertschätzung ihrer eigenwilligen Persönlichkeit

Der Tiger dagegen ist in alter Symbolik in Asien heimisch. Ihm wurde höchster Respekt entgegengebracht - das führte soweit, daß man aus Respekt sogar vermied, seinen Namen auszusprechen. So gefährlich der Tiger auch war, wenn ein Mensch ihm begegnete, überwog dennoch seine positive Bedeutung. Wie die Katze Ratten und Mäuse fraß, so fraß er die Wildschweine, die bebaute Felder verwüsteten.
Diese Bedeutungen haben sich bis heute nicht wirklich geändert. Selbst die Werbung macht sich dies zu Nutzen: Ob einen Tiger im Tank zu haben, oder einen geschmeidigen, blitzschnellen Puma unter den Sohlen zu wissen - ihr Auftreten in welcher Form auch immer assoziiert Größe.
Katzentätowierungen dagegen haben eine andere Bedeutung. Sie sind in erster Linie Liebeserklärungen an die Katze, mit der man zusammenlebt, eine Wertschätzung ihrer eigenwilligen Persönlichkeit, eine Hommage an ihren eigenen Willen, der nicht zu brechen ist - Eigenschaften, die sie wie auch ihr Äußeres in Miniaturformat von ihren großen Verwandten mitbekommen hat.
 
Comic-Strips
   
 
Der Comic: Jeder hat ihn. Er eignet sich hervorragend als Pinkelpausen-verlängerer, Bettlektüre, Sammlerobjekt, Wandtapete oder Geschenkpapier. Das Wort ist die Verkürzung des 1920 geprägten Wortes Comicstrip - »komischer, drolliger Streifen«

Text: Michaela Friess

Was sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Karikaturengenre heraus zu entwickeln begann, ist heute nicht mehr wegzudenken; weder aus den Kinderzimmern, noch den Klohäuschen oder den staubigen Wohnzimmerecken, wo er mitunter in gestapelter Weise eine beachtliche Höhe zu erreichen vermag. Es gibt ihn in böse, lustig, skurril, pervers, gruselig und futuristisch, in bunt, schwarzweiß, mit hartem oder knittrig-dünnen Deckel. Seine Hauptpersonen zieren Kaffeetassen, T-Shirts, Bildschirmschoner oder diverse Körperteile. Der Comic ist Kult.
 



Die wohl berühmteste und schlauste Maus der Welt: Mickey Mouse. Das Bild zeigt die kongeniale Umsetzung des japanischen Tätowierers Sabado, der den Charakter einfach in ein 50’s-Sujet gepackt hat.

Der Ungar Boris hat die typisch wild wirbelnden Sprinterfüße von Karl dem Koyoten festgehalten, der immer hinter den superschlauen Roadrunners her ist.




Betrachtet man sich die ersten Comicstrips fällt auf, daß sich die meisten - ganz offensichtlich von Wilhelm Busch inspiriert - mit frechen, schlecht erzogenen Kindern befassen, die Streiche aushecken und ein schlechtes, »wohl« verdientes Ende nehmen. Wie gesellschaftskritische Karikaturen auch, waren diese Comics Spiegel der damaligen bürgerlichen Moral.
Zu weiteren »Comic-Helden« der ersten Stunde zählen die Tiere; besonders beliebt Katze, Maus und Hund. Es war George Herriman der 1913 das surreale Meisterwerk Krazy Kat schuf, eine Geschichte, die nicht nur Vorbild für die wohlbekannte Serie Tom und Jerry war, sondern auch für die Erfindung anderer Tiercomics wie Kater Felix, Mickey Mouse, Donald Duck, Bugs Bunny, Schweinchen Dick u.v.m.



In den 30er Jahren war sie das beliebteste »Erdnußköpfchen« Amerikas - dann geriet sie in Vergessenheit, bis sie in den späten 80er ihr Comeback feierte. Besonders in der Rock’n’Roll-Szene sieht man dieses Motiv sehr häufig als Tattoo (hier von Fide, Für Immer, Berlin) - in allen Variationen, mal im Original gehalten, mal abgeändert




Die Zeit der Super-Helden beginnt im Jahre 1936 mit dem »Phantom« von Ray Moore. Es ist aber 1938 die Figur Superman von Jerry Sigel und Joe Shuster, die wie eine Bombe einschlägt. Damit war auch der Begriff »Actioncomic« erfunden. Ein Jahr später bereits folgte Batman. 1940 ist das Jahr der Superhelden: Die Serien »Captain Marvel«, »Green Lantern«, »Spectre«, »Flash«, »Spiderman« u.a. werden zu Kassenschlagern unter den Jugendlichen in Amerika. Die Kassenschlager innerhalb Europas sind Tintin des Belgiers Hergé (bei uns als Tim und Struppi bekannt) und Lucky Luke von Maurice de Bevére und natürlich Asterix von den Franzosen Goscinny und Uderzo. In Amerika war eben schon immer mehr Platz für kraftstrotzende Helden, die die Welt retten; in Europa dagegen liebte man den Witz und Charme der Funnies; der eher kleinen Helden.
Die Comic-Geschichte hat inzwischen 150 Jahre auf dem Buckel und scheint nahezu ausufernd. Stories und Stile sind so vielfältig wie Sand am Meer und alles scheint erlaubt. Comicwelten sind Welten in denen alles passieren kann, alles geht und die mit der Wirklichkeit nahezu nichts gemein haben. Vor allen Dingen waren es die Amerikaner, die den Markt bis in die 80er Jahre nahezu konkurrenzlos anführten, bis die sogenannten Manga-Comics den internationalen Markt eroberten. Der bekannteste Manga-Zeichner ist wohl Katsuhiro Otomo, der mit Akira einen Volltreffer landete. Ohne ihn wären andere Manga-Comics kaum denkbar. Das erfolgreiche weibliche Pendant zu Akira ist Rally Vincent aus der Serie Gunsmith-Cats von Kenichi Sonoda - es ist die Mischung aus Erotik, gerechtfertigter Gewalt und persönlichen Schicksalsschlägen, die einen Großteil ihrer Popularität ausmachen.
 



Die Simpons, eine amerikansiche Serie, die im deutschen Fernsehen leider unter ihrer grottenschlechten Übersetzung leidet - man kann eben nicht jede Redewendung beliebig in eine andere Sprache konvertieren. Das Tattoo von Spitfire Tattoo (Essen) jedenfalls ist schon sehr cool: Bart Simpson als Hooligan des Hamburger Sportvereins, mit Springerstiefeln und Baseballschläger hinter dem Rücken.



Die Liste der erfolgreichen Comics ist zu lang um alle zur Sprache zu bringen, die der weniger bekannten wäre bücherfüllend. Comicfiguren, egal ob Held oder Antiheld, Kind oder Monster, Superfrau oder Sexobjekt, sind die Erfüller unerfüllter oder auch böser Träume. Die Erfindung dieser Form von Bildergeschichten ist nichts anderes als der Versuch einen Film in gezeichnete Bilder zu übersetzen - mit allen Emotionen und Geräuschkulissen, die eben auch ein Film hergibt. Es sind vor allen Dingen die unzähligen AAHH’s, SMACK’s, oder SPLOOOSH’s, die vorgeben, eine lebendige Szene vor Augen zu haben, die Dynamik und Bewegung simuliert.
Auch in der Tattoowelt haben Comics ihren festen Platz. Die Motivation sich für ein solches Motiv zu entscheiden sind genauso vielfältig wie die Vorlagen selbst. Im Vordergrund steht die Dynamik der Zeichnung. Meister darin war z.B. Walt Disney: Ob Figuren, Autos, Flugzeuge oder Häuser; die gestaltete Szenerie wirkt federleicht, irgendwie zerknautschbar wie ein Airbag. Entscheidend für diese Wirkung ist die Linie, die die Form bestimmt: Die Umrißlinien sind fett und klar; etwas, das auch der Tätowierung zu eigen ist. Darüber hinaus geht nichts ohne Übertreibung oder Reduzierung. Nasen, Augen, Füße sind meist riesengroß, oder winzig klein, Männermuskeln kommen herkulesk daher, Frauenkurven achterbahnig. Der Betrachter braucht sich kein Bild mehr von den Protagonisten zu machen, sie agieren in leicht lesbarer Form direkt in seiner Hand und auf seiner Haut; sie lullen ein, bringen Kurzweile und Lust auf mehr. Der Reiz, die Technik des Comics zu benutzen liegt schlicht und ergreifend in ihrer Verkürztheit und ihrer universellen Lesbarkeit: Böse erkennt man, wie die Helden auch, auf den ersten Blick.



In Amerika Kult: Cherry, Protagonistin der gleichnamigen Porno-Comic-Serie, dient vor allem in ihrem Ursprungsland oft als Flash. So ’nen Saukram trägt Dirk-Boris auf seinem Arm. Gestochen von Rübe (Lindau)





Der eine entscheidet sich für Spiderman, ein Held der Lüfte, ausgestattet mit übermenschlichen Kräften, der immer selbstlos gegen das Böse kämpft. Ein anderer für Bugs Bunny, weil ihm die gerissene Überheblichkeit gefällt. Manch einer mag eher weibliche Helden, wie z.B. Gunsmith Cat Rally Vincent, eine Waffenfetischistin und Kopfgeldjägerin, die das Gute dennoch nicht aus den Augen verliert. Die Comicwelt ist Erfinderin ungewöhnlicher, abgedrehter, skurriler, einsamer und lustiger Stereotypen von Held bis Antiheld und lädt regelrecht dazu ein, sich ihrer zu bedienen. Die klare Definition eines Figurencharakters und ihr hoher Wiederekennungswert machen es dem Träger leicht, sich in sein Motiv zu verlieben, oder aber für ein Schmunzeln oder Naserümpfen beim Betrachter zu sorgen.
 
Girls, Girls, Girls
   
 
Weibliche Wesen als Tattoo-Motiv erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit - ob als Kriegerin, Pin-Up-Girl, Hure oder Heilige.

Text: Morris

Da habe ich mir ja wieder ein prima Thema ausgesucht. Wie geht man eine Geschichte über Frauenmotive, also über Frauen, am besten an? Man muß ja so vorsichtig sein. Schnell ist man dem Vorwurf der Anbiederei, der umgekehrten Diskriminierung oder der Frauenfeindlichkeit ausgesetzt. Und das sind nur drei beliebige Beispiele.

In unserer Zeit sind sind Frauenbilder vorwiegend in der Werbung oder aber als pornografisches Reizelement zu sehen - die Bandbreite der Darstellung ist in beiden Fällen vielfältig.
 

Betty Page - das wohl am häufigsten tätowierte Pin-Up der Welt - auf einer Frau mit entsprechender Frisur. Gestochen von Errol, The Inkstitution (Rotterdam)

Sehr beliebt sind nach wie vor Realistic-Portraits, ganz egal, ob von der eigenen Freundin oder einer bekannten Schauspielerin - hier Audrey Hepburn von Glenn Harding, Studio 27 (Florida)





Also hin und her überlegt und nach dem richtigen Ansatz gesucht. Nach all dem Nachdenken und Grübeln hatte sich eine Frage in meinem Hirn festgesetzt. Ist Alice Schwarzer eigentlich tätowiert? Wer weiß, wer weiß. Aber nehmen wir einmal an, ganz hypothetisch, sie hätte ein Tattoo. Welches Motiv hätte sie gewählt? Demonstrierende Feministinnen? Oder doch Annie Sprinkle? Oder ein kleines rotes Teufelchen mit Titten vielleicht, oder einfach nur das internationale Frauenzeichen? Wahrscheinlich werden wir es nie erfahren. Allgemein bekannt dagegen ist die Tatsache, daß Frau ein gern gestochenes Motiv unter den Tattoo-Sammlern war und ist. Wie zunächst in der darstellenden Kunst, später dann auf Fotos, im Film und Fernsehen und heute im internationalen Web, greifen die Kunstschaffenden immer wieder auf das Abbild der Frau zurück.
In unserer Zeit sind Frauenbilder vorwiegend in der Werbung oder aber als pornographische Reizelemente zu sehen. Die Bandbreite der Darstellung ist in beiden Kategorien vielfältig und beleuchtet alle Facetten der weiblichen Form. Wobei es in der Werbung doch künstlerischer und in vielen Fällen auch geschmackvoller zugeht. Letztendlich handelt es sich aber in beiden Fällen um Vermarktung und somit auch um Kundenorientierung. Ganz anders, nämlich frei von solchem ökonomischen Druck kann sich das Frauenbild in der Tätowierkunst präsentieren. Allein der Geschmack, die Vorliebe oder die Fantasie geben hier den Ausschlag wie, wo und in welchem Stil das Motiv tätowiert wird. Trug der alte Seefahrer seine Geliebte auf der Brust oder ein Hula-Mädchen auf dem Oberarm, eindimensional im Old School Stil in die Haut eingearbeitet, ist die Vielfalt heute nahezu grenzenlos.
 


Erotische Fantasie: Pin-up-Girl von Eddy Yeary, Ancient Tattoo (Virginia)

Die Frau, das unbekannte Wesen: »What is She?« Tätowiert von Richard Stell, Paradise Tattoo








Obwohl es immer noch oder auch schon wieder nostalgische Rückgriffe auf Motive der Alten Schule gibt, werden diese klassischen Motive wie Pin-up Girls oder Seejungfrauen in verschiedenen Stilen variiert. Favorit unter den Pin-up Girls ist hier in den USA immer noch Betty Page. Die Schwarzhaarige aus New York ist wahrscheinlich die am häufigsten auf Haut verewigte Frau der Welt. Die Frau als Hure oder Heilige. Als Kriegerin oder Amazone. Gefangen, ausgeliefert, gepeinigt. Männerfantasien in S/M. Was nicht heißen soll, daß Frauen keine Fantasien hätten. Ein Teil dieser Tattoos ist in samtweiche Frauenhaut gestochen.
 
 
 
Klassisches Pin-up-Girl im Vargas/Elvgren-Stil von Randy Herring, Skin Art (North Carolina)

»Got Milk« Tattoo in Anlehnung an die Werbekampagne der amerikanischen Milchwirtschaft

Zwei tätowierte Pornostars (übrigens auf den Unterarmen einer Frau) von Deano Cook

Die Themen der Frauenmotive sind natürlich unendlich. Genauso wie die unterschiedlichen Stilelemente. Cartoonfiguren sind eine beliebte Variante. Da kann es dann auch schon zum Crossover zur Werbung kommen. Die »Got Milk«-Werbekampagne der amerikanischen Milchwirtschaft warb mit Fotos diverser Berühmtheiten, die einen Milchbart zur Schau trugen. Die Aussage dieses Tattoos zielt dann aber eher in eine andere Richtung. Natürlich ist der Träger dieses Werkes ein Mann. Porträts im fotorealistischen Stil haben inzwischen auch ihren festen Platz bei der Tattoogemeinde.
Neben Stars und Sternchen kann man sich jetzt auch Mom ganz realistisch in die Haut einarbeiten lassen. Der amerikanische Mann und seine Mutter. Ein Thema für sich. Die hier gezeigten Tätowierungen sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen Möglichkeiten, die dieses Motiv hergibt. Erlaubt ist, was gefällt. Möglich ist, was man sich vorstellen kann. Das gilt für den Träger wie für den Tätowierer.
 
Fraktale Welten
   
 
Es gibt sie in der Natur, in der Mathematik – und seit einiger Zeit auch als Tattoo-Designs. Kein Wunder: Fraktale zählen zu den spektakulärsten Motiven überhaupt und sind somit echte Hingucker …

Text: Thorsten, Bilder: Archiv

Wir schreiben das Jahr 1975: Ein gewisser Benoit Mandelbrot, seines Zeichens Computerwissenschaftler, stieß bei Untersuchungen auf mathematische Sachverhalte, die bisher nicht lösbar waren oder die niemanden sonderlich gestört hatten. So stellte er fest, daß beispielsweise die verschiedenen Angaben zur Küstenlänge Großbritaniens stark variierten. Bei genauen Nachforschungen fiel ihm auf, daß, je kleiner der Maßstab der Karte war, die Küstenlänge gleichzeitig größer wurde. Der Grund lag für ihn auf der Hand: Näme man bei immer genaueren Berechnungen jede noch so kleine Bucht, jede noch so kleine Unebenheitmit auf, würde sich die Küstenlänge immer weiter vergrößern. Oder: Vergrößert man die Karte bis ins Unendliche, vergrößert sich der Küstenverlauf prinzipiell ebenfalls bis ins Unendliche. Das Fraktal war geboren.
 
 
 
Fraktale sind universelle und vielfältige Designs. Da sie sowohl in der Natur wie auch in der Mathematik vorkommen, sind die Design-Möglichkeiten schier unendlich




Unsere ganze Natur ist fraktal aufgebaut. Überall findet man Wiederholungen einer bestimmten Struktur in sich selbst (Selbstähnlichkeit): Die Zweige am Ast eines Baumes, die Verzweigungen unseres Nervensystems oder eben auch die Küstenlinie Großbrittaniens. Fraktale sind – ganz einfach ausgedrückt – sich bis in die Undendlichkeit immer wiederholende Muster.

Noch ein konkretes Beispiel: Betrachtet man einen Farnwedel etwas genauer, stellt man unweigerlich fest, daß der ganze Wedel die gleiche Form aufweist wie seine einzelnen Blätter – und deren einzelne Verzahnungen wiederum auch.
Die fraktale Mathematik weist viele, unterschiedliche Formen auf, doch auf alle einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen – und so manchen Leser schnell weiterblättern lassen.

Machen wir also eine kleine Rückblende und widmen uns der Art von Tattoo-Designs, wie sie spektakulärer kaum sein könnten. Es war in etwa im Jahre 1997, als auf den Conventions in Frankfurt, Hamburg und Karlsruhe eine Frau mit einem wirklich außergewöhnlichem Rückentattoo für Aufsehen sorgte. Zu sehen war eine aberwitzige, in den Farben Grün, Blau, Orange und Gelb gehaltene, fraktale und biomechanisch angehauchte Welt, die den Betrachter schwindelig werden ließ. Die Preise flogen der Trägerin förmlich zu, hatte man doch bis dahin so etwas noch nie gesehen. Zumindest nicht in Deutschland. Klar, die »normalen« Biomechanics kannte man schon, die waren zu jener Zeit auch sehr im Schwange. Doch komplexe Welten wie diese waren neu. Die amerikanischen Tattoo-Künstler waren uns – wie könnte es auch anders sein – wieder einmal einen Schritt voraus, allen voran Guy Aitchison und Dean Deakyne, der eben jene Tätowierung stach. Und, wie es auch so oft ist, sollte es nicht lange dauern, bis die Designs auch das europäische Festland erreichen sollten.
 
Einer der ersten in Deutschland, die sich den fraktalen Welten annahmen, war Michael von Crazy Needles aus Ludwigshafen. »Bei den Tribals sagen die Leute immer, sie seien zeitlos, weil sie nichts konkretes darstellen wie etwa einen Totenkopf. Bei den Fraktalen verhält es sich ähnlich, aber ich finde es klasse, seinen Körper auf diese Art zu verändern, zu transformieren. Eine der ersten großen Sachen von Guy, die ich gesehen habe, war ein Arm, der wie ein großes Korallenriff tätowiert war. Es war absolut umwerfend, mir wurde beim Betrachten richtig komisch in den Beinen.« Tatsächlich handelt es sich bei einem Korallenriff um nichts anderes als ein natürliches Fraktal, und so ergeben sich für einen Tätowierer vielfältige Möglichkeiten, Welten dieser Art zu erzeugen. Sehr oft auch werden fraktale Welten mit biomechanischen Themen vermengt, was den einen Vorteil hat, daß die Strukturen wesentlich klarer und einfacher erscheinen. Ein »richtiges«, feingliedriges Fraktal würde vermutlich mit der Zeit regelrecht vermatschen.

Und wichtig beim Tätowieren ist ohnehin nicht die 100prozentige mathematische Genauigkeit, sondern vielmehr der Gesamteindruck, der sich aus zwei wesentlichen Komponenten zusammensetzt: Zum einen kann Dynamik erzeugt werden, wenn das Tattoo auf die Muskulatur abgestimmt ist (was bei diesen Designs eigentlich immer geht). Zum anderen kann durch bestimmte Techniken Tiefe erzeugt werden, wie Michael zu erklären weiß: »Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie z. B. einen Hell/Dunkel-Kontrast, warme und kalte Farben, dicke Linien im Vordergrund und dünnere dahinter. Auch kann der Vordergrund klar und deutlich erscheinen, während der Hintergrund etwas verwaschener dargestellt wird.« Die Entstehung dieser Tattoos passiert bei Michael meist frei Hand, direkt auf den Körper. »Den Computer nutze ich nur, wenn ich geometrische Figuren mit einsetzen will. Dann benutze ich schon mal das Programm Photoshop und das Plug-In »Kai’s Powertools«.
 
Fraktale sind universelle und vielfältige Designs. Da sie sowohl in der Natur wie auch in der hohen Mathematik vorkommen, sind die Design-Möglichkeiten schier unendlich – wie die Fraktale selbst. Und wer die Tattoos von Crazy Needles oder dem Ungarn Boris betrachtet, wird nicht umhin kommen zuzugeben, daß diese aus der Masse der herkömmlichen Design-Palette herausstechen und echte Hingucker sind. Eben etwas, was nicht jeder hat. Nur: Wie lange die Küste von Großbritanien nun genau ist, wissen wir leider immer noch nicht.

 
Pin ups
   
 
Sie sind schöner als die eigene Freundin. Sie haben einen größeren Busen, eine schmalere Taille und ellenlange Beine. Sie zwinkern dir auffordernd zu und räkeln dabei ihre sexy Körper, die von einem Hauch aus Nichts umhüllt sind. In ihrem Schlafzimmerblick liest du Angebote aus deinen kühnsten Träumen. Oder sie gucken ganz unschuldig, während ein Windstoß »zufällig« den Rock in die Höhe wirbelt und für intime Einblicke sorgt. Die Rede ist von Pin-up Girls, den zuckersüßen Inspirationen für Männerphantasien.


Text: Maitreya
Fotos: Archiv TätowierMagazin, Flash von Voodooschaaf

»Angepinnte« Sexbomben
Schon vor Beginn des letzten Jahrhunderts erfreuten sich Bilder hübscher, aufreizend posierender Girls bei der Männerwelt großer Beliebtheit. Ab den 30er Jahren boomte dieser Trend besonders in Amerika: Hübsche junge Frauen auf Kalenderblättern, Centerfolds oder auf Cover diverser Zeitschriften zierten viele Werkstätten und Spinde, wurden dort »angepinnt«, daher auch die Bezeichnung »Pin-up«. Die Army, die die motivierende Wirkung dieser Girls auf ihre Soldaten registrierte, setzte sich über alle moralischen Bedenken hinweg, die derzeit im prüden Amerika herrschten. Sie instrumentalisierten fortan Pin-ups gezielt, um ihren Soldaten ihre bittere »Arbeit« zu versüßen. Pin-up-Künstler wie Alberto Vargas wurden sogar nach Europa geschickt, um Kriegs-Flugzeuge mit schönen Mädchen in Pin-up Posen zu bemalen. Der Ausdruck »Sexbombe« ist übrigens in dieser Zeit entstanden.


Das »All American Girl«, unschuldig und sexy zugleich
Das klassische»Pin-up«ist ein Ganzfigurenbild mit einem erzählerischen Moment. Auf einem Pin-up trägt die Frau ein figurbetontes Kleidungsstück, einen Badeanzug, ein knappes Kleidchen, Shorts und bauchfreies Oberteil oder provokant Intimes, Dessous, ein Negligé. Es gibt auch nackte Pin-ups, die aber die Ausnahme bilden. Typische Inhalte ganz klassischer Pin-ups sind »Momentaufnahmen«, zum Beispiel: Hübsches Girl mit eingeklemmtem Rock in der Autotür, dadurch wird der Blick frei auf Oberschenkel und Strumpfhalter, aufgerissene Augen, gespitztes Mündchen, aus dem ein verschämtes »Ouups« zu kommen scheint. Oder: Girl, ganz unschuldig mit Schleife im Haar, das inmitten der Natur auf einer karierten Decke beim Picknick sitzt, aber huch, da ist ja gerade Ketchup auf den Rock gekleckert, den man natürlich lüpfen muss …
Charakteristisch ist auch das uniforme Aussehen der Pin-up Girls. Neben einem perfekten Körper haben alle kleine Stupsnäschen, große Kulleraugen, leicht errötete hohe Wangen, knallrote und glänzende Schmollmünder. Die Barbie für Männer …
Das war die Frau, von der alle amerikanischen Männer träumten: wunderschön, makellos, sexy und die Unschuld vom Land in einer Person. Dennoch gab es auch eindeutigere Bilder, so eine sich in Satinkissen räkelnde Frau mit leicht nach hinten gelegten Kopf, halbgeschlossenen Augen und verführerischem Lächeln, mit Negligé bekleidet, das tiefe Einblicke gewährt.
 
 
v.l.n.r.:

Typische »Ouups«-Pose, Tattoo von Chris, Black Bite Tattoo (Fürstenfeldbruck)

Wogendes Décolleté, endlos lange Beine, Pin-up von Zoltán, Inkstitution (Rotterdam, NL)

Glamour-Girl von Bardadim (St. Petersburg, RUS)






Echte Girls und gemalte Traumfrauen
Sehr früh existierten bereits zwei Arten von Pin-ups, die realen – aus Fleisch und Blut – und die gemalten. Zu Pin-up-Klassikern wurden Bilder der Künstler Gil Elvgren, Alberto Vargas oder Zöe Mozert, um nur einige der vielen herausragenden Maler/innen zu nennen. Gemalte Pin-ups hatten durchaus Vorteile. Hier konnten die Maler ihre Modelle überperfekt gestalten: die Beine bis ins unendliche verlängern, Näschen und Schmollmündchen noch ein wenig niedlicher machen, das Decolleté wogender, die Kurven noch üppiger.
Natürlich waren auch reale Girls angesagt. Viele junge Frauen erhofften sich durch Pin-up Bilder den Einstieg in die Glamourwelt und nach Hollywood, so startete auch Marilyn Monroe ihre Karriere als Pin-up Girl. Einige der Frauen entwickelten sich dabei zu absoluten Publikumslieblingen. Neben der wasserstoffblonden Jayne Mansfield war vor allem die dunkelhaarige Bettie Page ein Renner, die eine pikante und leicht verruchte Note in die Pin-up Welt brachte. Die üppig gebaute Schönheit mit ihrer typischen schwarzglänzenden Ponyfrisur wollte ursprünglich Filmstar werden. Den Weg nach Hollywood schaffte sie zwar nicht, wurde aber zur Pin-up Ikone. In den 70er Jahren erlebte Bettie Page ein Comeback als Kult-Queen der Pin-ups, der bis heute anhält. Die Betty Page Frisur ist ein Dauerbrenner.
 
v.l.n.r.:

Witzige Pin-up-Variation: Girl auf Hai in Seenot.
Pogo (on the road)

Pin-up nach Vorlage von Gil Elvgren von Bardadim (St. Petersburg, RUS)









Niemals ordinär
Viele Fotografen und auch Künstler ließen sich von Pin-ups inspirieren. Der erotischen Fotografie des Playboys beispielsweise haben sie definitiv den Weg geebnet. Gerade in den letzten Jahren erlebt das klassische Pin-up ein großes Comeback. Männermagazine zeigen Frauen in Pin-up-Posen. Großformatige, reich illustrierte Bildbände (z.B. The Great American Pin-up, Gil Elvgren: All his glamourous American Pin Ups, beide Taschen-Verlag) informieren über Entstehung und Geschichte des Pin-up. Gerade die gemalten Pin-up Bilder sind teilweise von einer solchen Qualität, dass im Diskurs steht, sie als eine eigenständige amerikanische Kunstrichtung anzuerkennen. Eine moderne und überaus erfolgreiche Renaissance des Pin-Ups schufen die Betreiber der Website »Suicide Girls«. Auf der Site, über die wir im TM 10/2004 berichteten (suicidegirls.com), präsentieren sich tätowierte und gepierte Frauen in einer sehr frischen, sexy Weise, ohne dabei ins Ordinäre abzurutschen. Und genau das macht das klassische Pin-up aus: es ist immer sexy, aber niemals ordinär.
 
v.l.n.r.:

Klassische Bettie Page von Bob Tyrrell, Night Gallery (Warren, USA)

Robby Welke, Illustration in Skin (Berlin)









Pin-ups und Tattoos
Noch bevor leicht bekleidete hübsche zu sehen waren, tauchten sie bereits auf der Haut auf. Matrosen, die ferne Länder bereist hatten, ließen sich als Erinnerung daran nackte Inselschönheiten auf ihre Körper tätowieren. Wenngleich nicht gerade Pin-ups im amerikanischen Sinne, so waren Tattoos, die junge Mädchen meist nackt zeigen, schon früh ein Klassiker. Auch bei den typischen »Knasttätowierungen« standen nackte Damen schon immer hoch im Kurs, was ja nicht verwundert. Allerdings blühte erst in letzter Zeit der Trend auf, Pin-ups nach berühmten Vorlagen bestimmter Maler wie eben Elvgren schön bunt auf die Haut zu bringen. Und nicht nur Männer, auch Frauen lassen sich mit Vorliebe diese frisch-frechen amerikanischen Girls tätowieren. Pin-ups sind nach wie vor Hingucker, stehen für gute Laune, Sex-Appeal und für eine Frau, die in jeglicher Hinsicht unerreichbar bleibt – weil man von ihr nur träumen kann!


Buchtipp: The Great American Pin-up
Wer noch mehr über Pin-Ups erfahren will und sich vor allem an den vielen Illustrationen erfreuen möchte, findet in dem Buch »The Great American Pin-Up« von Charles G. Martignette und Luis K. Meisel alles, was das Herz begehrt. Über 900 Abbildungen, meist ganzseitig, zeigen Pin-Up Bilder der besten Maler dieser Kunstrichtung. Eine ausführliche Einleitung informiert über die Geschichte der Pin-Ups, die seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts Generationen von Männern begeistern.
Erschienen im Taschen Verlag,
ISBN: 3-8228-8402-2.
 
Fürst der Finsternis
   
 
»So ist denn alles/was ihr Sünde, Zerstörung, kurz: das Böse nennt/mein eigentliches Element« verrät der diabolische Mephisto in Goethes Meisterwerk »Faust«. Der Dichterfürst des 18. Jahrhunderts schuf den Vertreter des Bösen als ein verführerisches Wesen, dessen teuflische Fratze nur manchmal hervorblitzt. Das schillernde und faszinierende des Teufels ist es auch, was die Menschen schon immer in seinen Bann gezogen hat.

von Maitreya
Nasa, Neuseeland
 
Daatzmann (Zwickau)
 
Zoltan
Burghausen
 
Jan, Für
Immer (Berlin)


















Der Teufel ist allgegenwärtig, auch auf der Haut. Abstoßende Fratzen mit fletschenden Zähnen und furchteinflößendem Blick zeigen das Grauen aus der Hölle. Frivole New School-Teufel mit flammend roter Haut, Rockabilly-Frisur, Spitzbärtchen und mokantem Grinsen verkörpern die Lust am Sündigen und Verruchten. Dann gibt es noch die grinsenden kleinen Teufelchen mit Dreizack, dickliche, knallrote Wesen mit Kindchenschema. Die zuletzt erwähnten erfüllen sicherlich nicht den Zweck, Assoziationen mit Höllenfeuer und –qualen hervorzurufen, sondern sind als neckische, freche Tattoo-Kobolde gedacht. Und es gibt noch weitere Varianten des Teufel-Tattoos: die Teufelin, ein behörntes, beschwänztes Pin-Up, das offenherzig seine sexuellen Reize präsentiert. Die Teufelin steht für Verführung, Sex und den Spaß daran.

Der gefallene Engel
In der christlichen Mythologie spielt der Teufel eine bedeutende Rolle: Der Widersacher Gottes ist Versucher Jesu, Zerstörer, Verursacher von Krankheiten, Verfolger der Gläubigen, Beeinflusser des Judas und Herr über ein eigenes Reich. Dabei war Luzifer zunächst einer der Erzengel Gottes. Als er sich gegen seinen Herrn auflehnte, wurde er aus dem Himmel verstoßen. Auch in der Offenbarung des Johannes ist Satan eine zentrale Figur: »Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt und er wurde auf die Erde geworfen und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.«

G. Arndt
(Saarbrücken)
 
Tattoos to
the Max
 
Math England
 
Boris (Ungarn)


















Der Teufel im Mittelalter
Im Mittelalter wurde der Teufel gern zur Einschüchterung des Volkes instrumentalisiert. Wer nicht mit der Kirche paktierte, stand schnell mit Satan im Bunde, dessen oberstes Ziel die Jagd auf die Seelen der Menschen sei. Der Theologe Thomas von Aquin brachte zudem die Ansicht auf, daß der Teufel mit Frauen und Mädchen sexuell verkehren könne. Diese Lehre bereitete später bei den Hexenprozessen tausenden Frauen ein qualvolles Ende.
In der Malerei und Bildhauerkunst erlebten Teufel- und Höllenszenen im Mittelalter wahre Blütezeiten. Diese Bilder sollten auf das Volk, das nicht lesen und schreiben konnte, furchteinflößend wirken. Beim Betrachten der Höllen- und Teufelszenarien, die vor allem auf großformatiger europäischer Tafelmalerei (13. bis 16. Jahrhundert) zu finden ist, fällt einem immer wieder die künstlerische Experimentierfreudigkeit der Maler auf. Sie müssen an dem Kreieren phantasievoller Horrorgeschöpfe ihre wahre Freude gehabt haben (ein Themenbereich, der nicht so strengen Reglementierungen unterworfen war wie den meisten anderen, hier konnten die Maler künstlerische Freiheit ausleben). Besonders der niederländische Maler Hieronymus Bosch erkor die Hölle und ihre Kreaturen zu seinen Lieblingsthemen. Wesen mit haarigen Schwänzen, langen Zähnen oder halb mit Tieren verschmolzen bemächtigen sich des Körpers und der Seelen der Verdammten, um ihnen höllische Qualen zuzufügen.

Teuflische Merkmale
Die körperlichen Eigenheiten des Teufels haben verschiedene Ursprünge. Seine Attribute stammen zum Teil von dem etruskischen Unterweltsdämon Charu: eine Nase, die an einen Geierschnabel erinnert, spitze Tierohren, Flügel, hauerartige Zähne. Dazu kommen körperliche Eigenschaften des Bockes, wie Hörner, Bocksbeine und Bocksschwanz, die auch der griechische Naturgott Pan hat.

Rebellion, Sünde und Frivolität
Der Teufel als Symbol auf der Haut, ob klassisch umgesetzt oder in seinen verschiedenen Variationen, hat immer rebellischen Charakter. So wie der Engel Gottes, der sich gegen ihn auflehnte und verstoßen wurde. Weiterhin symbolisiert der Teufel das Verlangen nach Macht, dunkle Seiten und sündige Gedanken, die auch Teil des Menschen sind. In verniedlichter Form können kleine Teufelchen durchaus positiv verstanden werden: sie stehen für Frechheit, Frivolität und einen eigenen Kopf.

 
Motive: OM
   
 
Jeder kennt es, hat es schon einmal gesehen, und gar nicht mal so selten sieht man es auch als Tattoo auf und in der Haut. Aber was bedeuten diese orientalisch anmutenden Kringel eigentlich? Sind die Träger solcher Tätowierungen allesamt Esoteriker, Anhänger einer bestimmten Religion oder ist das Om vielleicht sogar mit den beliebten chinesischen Schriftzeichen vergleichbar?

Text: Sonja Hentschel • Fotos: Archiv TätowierMagazin
Flash von VOODOOSCHAF
In Indien ist Om für die Menschen ein heiliges Symbol. Es ist ein Objekt der Verehrung verschiedener Religionsgruppen wie den Sikhs, Jainas, Buddhisten und Hindus. Auch von Afghanistan bis Japan und von China bis Indonesien ist das Om beliebt und wird überall und in tausend Variationen dargestellt.
In vergangenen Zeiten haben die Menschen das Om-Zeichen so sehr verehrt, dass sie dieses Symbol als ein 2 x 3 km großes Monument zu Ehren des Göttlichen gebaut haben. Die Insel Omkareshwar in Zentralindien diente dafür als Fundament und es ist nur möglich, das Om aus großer Höhe zu erkennen. Noch heute kann man das gewaltige Bauwerk mit schönen Tempeln bewundern.
Auch in unserer westlichen Welt gewinnt das Om-Symbol an Beliebtheit und wird in den seltsamsten Zusammenhängen als exotische Dekoration verwendet. Sogar auf amerikanischen Klobrillen wurde es schon gesehen.

Om ist eine Silbe aus dem Sanskrit und wurde zum ersten Mal in den Upanischaden verwendet. Die Upanischaden sind eine Sammlung philosophischer Schriften des Brahmanismus (eine philosophische Schule), die vermutlich zwischen 400 und 200 vor unserer Zeitrechnung entstanden sind. Gesprochen wird Sanskrit heute nicht mehr, aber die Hindi bedienen sich immer noch dieser Sprache, so wie die Christen des Lateins.
Die wörtliche Übersetzung von Om wird nicht einheitlich genannt. Einige Quellen übersetzen Om mit »ich bin«, andere Quellen mit »so soll es sein«, was der Bedeutung des christlichen »Amen« gleich kommt.
 

Om-Tattoos von Patrick, Time Traveling Tattoo (Landshut) und farbig von Zoltan (Inkinfusion, Burghausen). Die asiatische Schreibweise unterscheidet sich leicht von der indischen.


Nicht nur die wörtliche Übersetzung variiert je nach Quelle, auch die symbolische Bedeutung von Om ist bereits so alt, dass sich im Laufe der Zeit viele Mythen um das Zeichen herum entwickelten. Gemeinsam ist allen Quellen, dass die Form des Symbols auf eine seiner vielen Bedeutungen hinweist: Die drei Kurven repräsentieren das Körperliche, das Geistige und das Unbewusste. Parallel dazu stehen die Kurven auch für die Bewusstseinszustände Wachen, Träumen und Tiefschlaf. Durch die Verbindung der drei Kurven miteinander wird zudem die Verbundenheit der drei möglichen Aspekte angedeutet. Der freistehende Punkt über den Kurven repräsentiert das höchste und absolute Bewusstsein. Dieses höchste Bewusstsein erleuchtet, durchdringt und beherrscht die anderen Bewusstseinszustände. Der Halbkreis unter dem Punkt ist nicht geschlossen und deutet damit an, dass man von unserem Dasein aus die Tiefe und Höhe des Punktes, also des höchsten Bewusstseins, nicht erfassen kann.

Die drei Kurven und der Punkt über dem Halbkreis sind die wiederkehrenden Elemente in einer Reihe von unterschiedlichen Darstellungen des Om. So viele Darstellungsformen des Om existieren, so viele Interpretationen und philosophische Spekulationen über dessen Bedeutung gibt es auch. Wissen, Weisheit, Gewaltlosigkeit, Mitleid, Standfestigkeit, Konzentration, Freigiebigkeit, Selbstkontrolle, Milde, spirituelle Kraft, Freisein von Zorn, Arroganz und falschem Stolz sind nur einige Qualitäten, die durch Om symbolisiert werden. Und immer wieder berufen sich die Interpretationen auf die Dreiteilung. Als Beispiele sollen hier genannt sein: Göttliches, Körper und Universen; Handeln, Erkennen und Wollen; Morgen, Mittag und Abend; sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Diese Dreiteilungen ergeben ein Ganzes und Om repräsentiert die Gesamtheit, das Absolute und die Einheit von Allem. Dies schließt ebenso die Einheit von Menschlichem und Göttlichem ein.

Ob religiös interpretiert oder Sinnbild für Orient und Exotik: Das Om ist einfach schön anzusehen. Tattoo von Marcuse (Smiling Demons, Mannheim) und Patrick (Time Traveling Tattoo, Landshut)


Auch der Klang von Om beschreibt diese Bedeutung. So sagt man, dass alle Sprachen und Klänge im Laut Om beginnen und enden, gemäß Yoga Om sogar der Ursprung der Schöpfung ist: Erklärt wird dies durch die Aussprache von Om mit den drei Buchstaben A, U und M. Bei der Aussprache von A wird kein Teil der Zunge oder des Gaumens berührt, bei U rollt der Klang durch den gesamten Mund, und bei M schließt sich der Klangraum. »Wie die Blätter eines Baumes durch den Stamm zusammengehalten werden, so hält Om alles Gesprochene zusammen«, ist die poetische Umschreibung für diesen Aspekt.

Om wird auch als Mantra verwendet und spielt zum Beispiel in der ayurvedischen Medizin zur Vorbeugung und Heilung eine Rolle. Es kann als Mantra für sich alleine stehen oder taucht in den Mantras des tibetischen Buddhismus auf. Das bedeutendste und älteste tibetische Mantra »Om mani padme hum« (auch »Om mani peme hung«, Sanskrit) dürfte dem ein oder anderen schon mal zu Ohren gekommen sein. Das Rezitieren (oder chanten, meditieren, denken) dieses Mantras ist Ausdruck des Wunsches nach Erleuchtung. Dabei steht Om für den gereinigten Körper, die gereinigte Rede und den gereinigten Geist, Mani für das Juwel, Peme für die Lotusblüte und Hung für den Wunsch ein starkes Herz zu entwickeln. Übersetzt wird das Mantra mit »Juwel im Lotus«, wobei das Juwel gleichgesetzt ist mit der Erleuchtung.

So vielfältig und spirituell das Om-Symbol ist, wird es sicherlich nicht nur von streng religiösen Menschen als Tattoo getragen. Gerade für Menschen, die sich keiner Religion und keinem persönlichen Gott zuwenden wollen, ist das Om interessant. Vielleicht repräsentiert es den Wunsch oder Glauben an etwas Höheres, ohne sich auf eine spirituelle Richtung festzulegen. Vielleicht ist es Sinnbild von Orient und Exotik. Warum sich jemand für eine Tätowierung des Om entscheidet, ist also eine sehr persönliche Sache und muss nicht, wie vermutlich auch nicht im Fall von Mötley Crüe Drummer Tommy Lee, Zeichen für Spiritualität oder Religionszugehörigkeit sein.
 
Schmetterlinge
   
 
Denkt man an den Schmetterling als Tattoo-Motiv, kommen einem schnell Bilder von kleinen, naiven Darstellungen auf den Schulterblättern der weiblichen Nation in den Sinn. Doch längst hat das bunte Insekt aufgeholt und ziert in den verschiedensten Variationen sowohl Männer als auch Frauen, sei es als Solokünstler oder als Element größerer Arbeiten. Und auch die Stilrichtungen in denen der Falter als Tätowierung umgesetzt wird sind erstaunlich variantenreich.

Text: Sonja • Fotos: Archiv TätowierMagazin
Dass der Schmetterling nicht mehr nur ein typisch weibliches Motiv ist, zeigt auch HipHop-Star The Game, der sich den Falter vor kurzem auf seine rechte Wange tätowieren ließ. Seine Wahl begründet der Musiker mit dem Gangster-Image laut MTV folgendermaßen: »Der Schmetterling ist ein Symbol für ›Neues Leben‹ und nach all dem Shit durch den ich gegangen bin, die Schießereien und auch nach dem Geburtstag meines Sohnes vor einigen Wochen, bin ich für ein neues Leben bereit.«

Nicht nur The Game bringt den Schmetterling mit Veränderung und Wachstum in Verbindung. Wie kein anderes Symbol steht der Schmetterling für Wandlung und vollkommene Transformation. Seine bemerkenswerte Entwicklung von der Raupe zum farbenprächtigen Insekt fasziniert Menschen seit jeher und gerade sein »Erwachen« aus dem anscheinend leblosen Kokon ließ den Schmetterling schon in der Antike zum Sinnbild für Wiedergeburt und Unsterblichkeit der Seele werden. Hieraus erklärt sich auch sein griechischer Name »psyché«. Und sogar in der christlichen Kunst ist er noch heute das Symbol für die Auferstehung. In diesem Zusammenhang machte die Sterbeforscherin Dr. Elisabeth Kübler-Ross eine bemerkenswerte Entdeckung. Sie fand Schmetterlings-Zeichnungen auf einer KZ-Wand in Polen und deutete dies als Hinweis auf die Hoffnung der Insassen auf ein Leben nach dem Tod.
 

Die Mayas glaubten, Schmetterlinge wären die Seelen der Toten, die zur Erde zurückkehren. Und auch in vielen asiatischen Regionen wird der Schmetterling mit dem Tod in Verbindung gebracht. Dies allerdings eher in einem weniger positiven Sinn, denn nach asiatischem Aberglauben ist der Schmetterling Todesbote und Unglücksbringer.
Neben dieser negativen Bedeutung ist der schmucke Falter in Japan wegen seiner Leichtigkeit und seiner bunten Schönheit das Symbol der Frau.

Und natürlich verbinden auch wir das zarte Tier mit Leichtigkeit. Seine Fähigkeit zu fliegen, lässt uns an Freiheit denken, sein Erscheinen im Frühling und Sommer bringen wir mit Lebensfreude, Lust und Glück in Verbindung. In Zusammenhang mit Lust und Sinnlichkeit steht auch die Namensgebung des »Schuppenflüglers«, da sich »Schmetterling« von dem mittelalterlichen Wort Schmetten ableitet. Schmetten war offenstehender Milchrahm, von dem die Falter sich immer wieder verführen ließen.

Im Sinnbild des Schmetterlings wandelt sich die Leichtigkeit und Lustorientierung schnell in Unbeständigkeit und Unzuverlässigkeit. So hat schon Hans Christian Andersen in seinem Märchen »Der Schmetterling« die Geschichte eines Falters erzählt, dessen Suche nach der zu ihm passenden Blüte aufgrund seiner Unschlüssigkeit erfolglos blieb.

Eher ungewöhnlich ist die ehemalige Bedeutung dieses Tattoo-Motivs in russischen Gefängnissen. In dem umfassenden System von Tätowierungen und deren Aussagen über den Träger, gab es sogar Motive, welche die sexuellen Vorlieben der Gefangenen anzeigten. Trug jemand einen Schmetterling, bedeutete dies, dass er kein Prostituierter war und es rein privat mochte sich mit jemandem einzulassen.

Die Umsetzung des Schmetterlings als Tattoo ist annähernd so vielseitig wie die Artenvielfalt des farbenfrohen Insektes. Wir finden ihn als Tribal oder als dynamische Ergänzung eines Blumenmotivs. Oft wird das Schmetterlings-Tattoo mit Elfen in Verbindung gebracht. Eine große Rolle spielt der Schmetterling auch bei Old und New School-Motiven, wo manchmal nur seine Flügel in Verbindung mit beispielsweise Totenköpfen oder Puppengesichtern dargestellt wird. Und selbstverständlich finden wir den Schmetterling bei den japanischen Tätowierungen.

Aber auch als Vorlage für ungewöhnliche und eigenständige Tattoos ist der Schmetterling mit seiner Symmetrie, Form und Dynamik perfekt geeignet. So inspiriert er zu immer neuen Umsetzungen, die den persönlichen Bezug des Trägers ermöglichen. Und ganz abgesehen von seinem vielfältigen Symbolgehalt, gibt es einen überzeugenden Grund ihn sich tätowieren zu lassen: er ist einfach nur schön!


Weitere Infos
Schmetterlinge (Lepidoptera) bilden eine der artenreichsten Insekten-Ordnungen die, außer in der Antarktis, weltweit verbreitet ist. Über 170 000 Arten sind bisher bekannt, davon 3000 Arten in Mitteleuropa. Jedes Jahr werden 700 neue Arten beschrieben.
Der Körper von Schmetterlingen kann zwischen drei und 70 mm groß werden. Die größten Schmetterlinge sind der Kometfalter und der Königin-Alexandra-Vogelflügler mit einer Flügelspannweite von ca. 30 cm.
Die Metamorphose vom Raupenstadium zum »Imago«, dem erwachsenen Tier, findet im Puppenstadium statt, in der das Tier unbeweglich ist und keine Nahrung nimmt. Die erwachsenen Tiere nehmen mit ihrem Rüssel nur flüssige Nahrung auf, meist Blütennektar, es gibt sogar Pflanzen, die ausschließlich von Schmetterlingen bestäubt werden können. Abgesehen von der Bestäubung sind insbesondere die Raupen ein Schädling fast aller Nutzpflanzen.
Der Schmetterlingsflug ist einer der bemerkenswertesten Flugverhalten. Die Flügel bewegen sich nicht auf und ab, sondern beschreiben eine Acht.
Wegen ihrer oft großen und farbenprächtigen Flügel stellen die Tagfalter begehrte Sammelobjekte dar, was dazu führt, dass die Verbreitung mancher Arten stark zurückgegangen ist. Gerade in asiatischen Staaten werden Schmetterlinge im industriellen Maßstab gesammelt. Aber auch die Industrialisierung führt dazu, dass viele Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht sind.
 
Die Lotus-Blume
   
 
Denken wir an blühende Hautkunst, kommen uns Bilder von Rosen, Lilien oder exotischer, von Kirschblüten und Chrysanthemen in den Sinn. Jede dieser Blumen steht mit ihrer Wesensart, sowie den kulturellen Assoziationen für bestimmte Eigenschaften. Diese symbolische Bedeutung wurzelt in einer langen Tradition, wie z.B. die Zuordnung von Blumen zu den verschiedenen Göttern der griechischen Mythologie. Und auch die Bedeutung der Lotusblume hat eine lange Vergangenheit.

Text: SONJA HENTSCHEL • Fotos: ARCHIV TÄTOWIERMAGAZIN

Schon in den Upanischaden, einer etwa 2 700 Jahre alten philosophischen Schriftensammlung, spielt die Lotusblüte als Symbol eine Rolle. Hat sie normalerweise acht Blätter (die auch symbolisch für die Himmelsrichtungen gesehen werden), wird sie in den Upanischaden mit unterschiedlich vielen Blütenblättern dargestellt und verändert mit wechselnder Anzahl der Blätter ihre Aussage. So steht die Lotusblume mit zwei Blütenblättern (Do-Dal-Kanwal) als Wohnsitz von Verstand und Geist. Hat sie tausend Blütenblätter (Sahans-Dal-Kanwal), symbolisiert sie die Astralwelt oder ist Zeichen für eine hoch entwickelte Seele, die ein »höheres Ziel« erreicht hat.
 
Kaum eine andere Blüte hat so viele Bedeutungen wie der Lotus. Black & Grey-Arbeit von Olli, Force & Fire (Essen), recht: Tätowierer unbekannt



Ebenso speziell wie die verschiedenen Bedeutungen je Blütenblätter ist die Bedeutung der farblichen Darstellung. Man unterscheidet die vier Farben rot, weiß, blau und rosa. Der blaue Lotus heißt Utpala. Er öffnet seine Blüte bei Sonnenuntergang, fängt erst beim Mondschein an zu duften und wird deshalb dem Mond zugesprochen. Weil der blaue Lotus sehr langlebig ist, ist er ein Sinnbild für Ausdauer und Beständigkeit. Der rosa Lotus (Padma) wird im Gegensatz zum blauen Utpala dem Tag und der Sonne zugeordnet. Der rote Lotus heißt Kamala und symbolisiert die Unschuld und Reinheit des Herzens. Er ist der Lotus der Liebe, des Mitgefühls, der Leidenschaft und aller anderen Gefühle, zu der ein unschuldiger, reiner Mensch fähig ist. Der weiße Lotus heißt Pundarika und wird mit spiritueller Perfektion und geistiger Klarheit assoziiert.
 
Dem Lotus wird in vielen Kulturen eine besondere Bedeutung beigemessen. Für Fruchtbarkeit und Überfluss steht er im Hindusimus, hier in Kombination mit einemauf der Blüte sitzenende Ganesh, gestochen von Marcuse, Smilin’ Demons Tattoo (Mannheim). Zusammen mit asiatischen Schriftzeichen wurde er von Len, Harai Tattoo (Gent, B) dargestellt.



In der Welt der Tätowierungen
kennen wir die Umsetzung des Lotus-Motivs oft in Verbindung mit Buddha. Der Lotus gilt als Buddhas Thron. Er ist aber kein rein buddhistisches Symbol und wurde sogar im alten Ägypten als Thron, hier für den Sonnengott Ra, dargestellt. Er war Sinnbild für die Sonne, die aus dem Dunkel der Nacht hervorbricht, Synonym dazu, dass er aus dem Dunkel des Sumpfes wächst. Auch der ägyptische Gott Horus wird in seiner kindlichen Gestalt in einer Lotusblüte sitzend dargestellt.

Dass der Lotus im Schlamm wurzelt, seine Blätter und Blüten jedoch niemals verschmutzt sind, macht ihn über alle Regionen und Religionen hinaus zum Symbol für Reinheit. Gemeint ist damit meist die Reinheit des Geistes. Diese Eigenschaft des Lotus, genannt Lotuseffekt, wird übrigens nicht nur sinnbildlich genutzt, sondern macht ihn ganz profan zum Forschungsobjekt im Bereich Oberflächenversiegelung. Dieses Phänomen der Selbstreinigung und Wasserabweisung basiert auf winzigen Wachsnoppen an der Oberfläche der Blüten, die Wasser einfach abtropfen lassen. Das ablaufende Wasser nimmt dabei Schmutzpartikel und auch Krankheitskeime einfach mit. Damit steht der Lotus auch für das buddhistische Prinzip des Nicht-Anhaftens, bei dem es vereinfacht darum geht, dem Weltlichen und Materiellen nicht zu viel Wert beizumessen und sich über das weltliche Chaos und die Illusion zu erheben. Buddhistisch ist auch die Vorstellung der Lotusblüte als Zeichen für Erleuchtung. Die sich öffnende Blüte repräsentiert die Entfaltung der Seele.

Botanisch betrachtet teilt sich der Lotus (Nelumbo) in den Indischen und den Amerikanischen Lotus. Diesen Gewächsarten ähnlich ist die Gattung des Weißen Ägyptischen Lotus, der allerdings kein Lotusgewächs ist, sondern zur Familie der Seerosen gehört. Erstaunlich: Der Lotus wächst nicht nur, wie man vermuten würde, in tropischen Gebieten, sondern findet sich sogar im Botanischen Garten in Bonn, wo er seit 14 Jahren problemlos überwintert.

Übrigens trifft man oft auf die unterschiedlichen Namen Lotos oder Lotus – gemeint ist das Gleiche, wobei Lotus aus dem Griechischen stammt und »schöne Blume« oder auch »geschätzte Pflanze« bedeutet. Wegen des gleichen Wortklangs verbindet man den Lotus in China mit Liebe und Verbundenheit. Deshalb ist er dort Symbol für eine gute Ehe. Es überrascht nicht, dass er, damit einhergehend, in chinesischen Gärten als Symbol für Anständigkeit und familiäre Eintracht gepflanzt wird.
 
Der rosa Lotus steht für Sonne und Tag, im indischen Kontext wurde die Blüte von Boris (Ungarn) gestochen, die daneben stehende japanisch inspirierte Tätowierungen stammt von Wolfgang, In Memoriam (Koblenz)



Die Bedeutungen der Lotusblume in Indien sind ähnlich.
Vor der Hochzeit verzieren indische Frauen ihre Hände und Füße mit Mehndis und malen dabei auch diese Blume. Repräsentieren Blüten im Allgemeinen dort die weibliche Schönheit und natürlich verschiedene Gottheiten, steht der Lotus für die Göttin Lakshmi, die zu Schönheit, Gesundheit und Reichtum verhilft. Zudem steht er im Hinduismus für Fruchtbarkeit und Überfluss. Werden die Blüten nicht nur einzeln in die typischen Paisley-Muster eingearbeitet, sondern als Blumenranken umgesetzt, sind sie Zeichen für wachsende Liebe. Etwa neun Monate später gewinnt der Lotus wieder an Bedeutung für die Inderinnen, die sich als mentale Unterstützung bei der Geburt eine langsam entfaltende Lotusblüte vorstellen, und in buddhistischen Legenden erzählt man sich, dass auch Buddha auf einer Lotusblüte geboren wurde. Somit steht die Lotusblüte auch für das weibliche Geschlecht, das sich ähnlich den Blütenblättern langsam öffnet, um dann in voller, leuchtender Schönheit zu erstrahlen. In Anlehnung daran spielt auch ihr Umfeld wieder eine Rolle, denn ihr Wachstum aus dem Sumpf ist auch Symbol der Schöpfung und des Entstehens aus dem »dunklen Feuchten«, dem weiblichen Schoß. Diese Weiblichkeit und das Mütterliche, Beschützende stehen außerdem für die beschützenden Eigenschaften, die mit der Lotusblüte assoziiert werden, und so kommt es, dass der Lotus manchmal als Schutz bietende Hülle für einen persönlichen Schatz dargestellt wird.
Die abstrakte, westliche Adaption des Motivs stammt von Lionel, Out of Step (Nantes, F)



Die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten
der Lotusblume überschneiden oder unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Sei es die Reinheit trotz der widrigen Umgebung, der Überfluss, der durch die Anzahl der Blütenblätter repräsentiert wird, oder das Schöne, das Weibliche – der Lotus scheint so vielfältig in seiner Bedeutung zu sein wie kaum eine andere Blüte. Verwirrend oder inspirierend: Gedankenlos wird sich wohl selten jemand für die Lotusblüte als Tätowierung entscheiden.
 
Motive > Sonne & Mond
   
 
Die Beliebtheit von Himmelskörpern als Tattoo-Motiv ist ungebrochen. Fast könnte man glauben, jeder Tätowierte müsste inzwischen an seinem Körper mindestens einen Stern verewigt haben, so oft sieht man dieses Motiv in Magazinen und auf Conventions. Aber die Sterne, die wir gerne zum Greifen nah an und in uns tragen, sind nicht die einzigen Gestirne, die sich gut in der Haut machen.

Text: Sonja Hentschel • Fotos: Archiv TätowierMagazin • Flash: Mia, Needful Ink

Gestirne ist übrigens die Bezeichnung für Himmelskörper, die mit dem bloßen Auge erkennbar sind. Und welche Planeten sind dies mehr als Sonne und Mond? So wurde ihnen von jeher eine wichtige Bedeutung beigemessen. Bevor wir das Wandern von Sonne und Mond wissenschaftlich erklären konnten, war ihre mächtige Bedeutung nicht nur in einzelnen Regionen, sondern kulturübergreifend zu finden. In den meisten Kulturen wurden Sonne und Mond als zentrale Gottheiten angesehen. Ihr Erscheinen wurde nicht als selbstverständlich vorausgesetzt, und in manchen Kulturen versuchte man mit magischen Ritualen die Sonnen- und Mondgötter großzügig zu stimmen.
 
 


v.r.n.l.:
Tattoo von Naoki, Tattoo Tribe, Nagoya (J), Alex’ Tattoostudio (Mattighofen), Sting (Bremerhaven)




Bei den Ägyptern war der Mond die weibliche Göttin Isis und die Sonne der männliche Gott Ra. Im antiken Griechenland wurde der Mond als die weiblichen Göttinnen Selene, Artemis und Hekate verehrt, die Sonne als Gott Helios, der mit seinem Wagen über den Himmel fuhr. Im alten Rom war die Sonne der unbesiegbare Gott Sol Invictus und der Mond stand für die Göttinnen Luna und Diana. Bei den Sumerern hieß der Sonnengott Utu, und hier war der Mond ausnahmsweise männlich als Gott Nanna. Die Vorstellung von den gegengeschlechtlichen Göttern Sonne und Mond war jedoch fast immer zu finden, lediglich die Zuordnung des Geschlechts zu dem einzelnen Gestirn variierte nach Kultur.


Heutzutage trifft man überwiegend auf die »männliche« Sonne. Der Mond repräsentiert hingegen das Weibliche, sicherlich auch, weil er mit seinem 28 Tage langen Zyklus dem der Frau entspricht. Dies macht ihn auch zum Symbol für Fruchtbarkeit. Im Gegensatz dazu wird bei der optischen Darstellung von Sonne und Mond die Geschlechterzuordnung oft umgedreht, und auch die Artikel unserer Sprache benennen die Sonne als weiblich und den Mond als männlich.
 


Tattoos v.l.n.r.:
Ciro, Wilde 13 (Esslingen), Ingo’s Individual Tattoos (Düsseldorf)


Aber nicht nur diese Zuordnung zu der Dualität der Geschlechter lässt Sonne und Mond als Gegensätze erscheinen. Beide Lichtquellen wandern zu unterschiedlichen Tageszeiten über den Himmel, gehen dann »unter« bzw. verschwinden aus unserem Sichtfeld, um nach einem Tag oder einer Nacht wieder zu erscheinen. Dabei erscheint jedes Gestirn mit dem Untergang des anderen, zumindest grob betrachtet. Dieser Rhythmus, der gleichzeitig Gegensatz und Gemeinsamkeit von Sonne und Mond ist, wurde von jeher mit dem Sterben und Werden assoziiert, war Sinnbild für das Veränderliche, aber auch für die Wiedergeburt.
Die Sonne, die (abgesehen von der Wetterlage) jeden Tag gleich scheint, ist wie kaum etwas anderes das Symbol für bedingungslose Großzügigkeit. Sie verschenkt ihre Wärme und ihr Licht ohne Unterlass und an jeden, ohne den sonst üblichen Austausch, ohne etwas dafür zu bekommen. Dass sie dazu die Kraft hat, macht sie wiederum zum Sinnbild der Vitalität und Lebenskraft.
 


v.r.n.l.:
Sabine Nagel (Dießen am Ammersee)
Waldi, Shocking City (Wien, A)


Anders als die Sonne, verändert sich unsere Sicht auf den Mond nicht nur abhängig von der Uhrzeit, sondern auch abhängig von den Mondphasen. Er verwandelt ständig seine für uns sichtbare Form und ist sogar für wenige Tage im Monat gar nicht zu sehen, zu anderen Zeiten wiederum sogar tagsüber. Mit dieser Besonderheit wurde der Mond zum Sinnbild des Launischen. Das Wort Laune stammt sogar von der Mondbezeichnung Luna ab.

So wie von der Sonne alles Leben auf unserem Planeten abhängt, beeinflusst auch der Mond das Geschehen auf der Erde, wie zum Beispiel durch das Steuern der Gezeiten Ebbe und Flut. Seinen unterschiedlichen Phasen werden seit jeher auch unterschiedliche Einflüsse auf unser Leben zugeordnet, und nicht nur Heilpraktiker und Homöopathen, sondern sogar Friseure und Diätberater orientieren sich am Einfluss der Mondphasen. Der Neumond, die Phase, bei der der Mond fast völlig unsichtbar ist, begünstigt angeblich Neuorientierung und die Aufgabe alter Gewohnheiten. Der zunehmende Mond ist als nach links geöffnete Mondsichel sichtbar und unterstützt Wachstum und Fruchtbarkeit. Bei Vollmond steht der Mond der Sonne genau gegenüber. Ihm sagt man nach, jede Art von Emotionen, positiver oder negativer Natur, zu verstärken. Zudem häufen sich bei Vollmond Unfälle, Gewaltverbrechen, Schlafstörungen und Geburtenzahlen. Die nach rechts geöffnete Sichel zeigt sich schließlich bei abnehmendem Mond und man spricht dieser Phase unterstützende Kräfte zu für alle Dinge, die mit Abgabe verbunden sind, z.B. beim Freisetzen von Kraft oder bei der Gewichtsabnahme.
 


Flash: Mia, Needful Ink


Sowohl die Sonne als auch der Mond geben unserem Leben einen Rhythmus und helfen uns bei der zeitlichen Orientierung. Auch der Mond war Anhaltspunkt für das Erstellen von Kalendern, bevor schließlich unser – an der Sonne orientiertes – Kalendersystem festgelegt wurde.
Sonne und Mond stehen in einer faszinierenden Beziehung zueinander. Ihre Gegensätze und gleichzeitige Gemeinsamkeiten dienen als ideales Symbol für die Vereinigung und Verbindung von Dualität und scheinbar entgegengesetzten Dingen, was sicherlich so manchen dazu motiviert, dieses Motiv als Tätowierung zu tragen.
 
Das Kreuz
   
 
Ein Bericht über das KREUZ als Tattoo-Motiv? Was soll denn dazu noch gesagt werden, wo doch jeder weiß, dass Jesus am Kreuz gestorben und es deshalb ein christliches Symbol ist? Doch es steckt wesentlich mehr hinter dieser überaus simplen Grafik, als man zuerst vermuten würde.


Text: Sonja Hentschel • Fotos: Archiv TätowierMagazin • Flash: Oliver Ruts, Pain & Ink Department (Berlin)

Das Kreuz ist, wahrscheinlich in Zusammenhang mit seiner Einfachheit, eines der ältesten Symbole der Menschheit. Es war, wie man aus archäologischen Funden weiß, schon in der Frühzeit der Menschheit ein Schmuck- und Kultgegenstand. Erste bekannte Darstellungen finden sich bis zu 10.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung. Es ist also eindeutig nichtchristlichen Ursprungs.

Die ursprüngliche Darstellung des Kreuzes besteht aus zwei gleich langen Linien, die sich im rechten Winkel kreuzen – was sonst. Tatsächlich steht genau diese Kreuzung für die Verbindung von Extremen und Widersprüchen. Im klassischen, auch nichtchristlichen Sinne repräsentiert es die Verbindung von Himmel und Göttlichem (senkrechte Linie) mit der Erde und dem Menschen (waagerechte Linie). Manche sehen in der vertikalen Linie ein Symbol der männlichen und in der horizontalen Linie der weiblichen Aspekte. Die Verbindung des Männlichen und Weiblichen im Kreuz findet sich auch bei den alten Kelten, die das Kreuz als männliches Symbol mit dem Kreis als Sinnbild für das Weibliche verbunden darstellen, was man auch als Darstellung der »Heiligen Hochzeit« bezeichnet, als Zeichen sexueller Vereinigung.
Überspitzt gesagt, »heilt« das Kreuz Widersprüche. Diese Symbolik lässt sich weiterentwickeln und zumindest bei der Darstellung mit gleich langen Linien steht das Kreuz für Maßhalten und Ausgeglichenheit.
 
 

2 keltische Kreuzdarstellungen von Sting (Bremerhaven) und eine von Andy’s Tattoo-Studio (Kitzingen)



Lenkt man die Aufmerksamkeit mehr auf die Enden der Linien, erscheinen sie als Strahlen. Anhänger der Zahlensymbolik erkennen die Vier, im Gegensatz zu den eben genannten dualistisch orientierten Bedeutungen. In Zusammenhang mit der Zahl Vier, steht das Kreuz für auch für die vier Elemente oder die vier Jahreszeiten und in Zusammenhang mit den Linien als Strahlen, wurde das Kreuz auch als Symbol für die Sonne oder die Himmelsrichtungen benutzt. Die Babylonier stellten das Kreuz manchmal auch zusammen mit der Sonnenscheibe dar und verwendeten es als Glückssymbol. Die strahlende, ausbreitende Perspektive deutet, parallel zu der oben erwähnten Bedeutung für sexuelle Vereinigung, auch auf die Verwendung des Kreuzes als Symbol für Fruchtbarkeit hin. Man spekuliert, dass dies auch der Grund dafür war und ist, Kreuze an Feldrändern aufzustellen.

Hier knüpft die Variation des Kreuzes in der Form des ägyptischen »Ankh« an, das für die Urkraft und das Leben steht. Das Wort Ankh verweist ebenso auf diese Bedeutung, denn es stammt von der Hieroglyphe Anch und diese bedeutet Leben bzw. »Ich lebe«. Und auch beim Ankh findet sich die Vereinigung des Weiblichen (in der runden, oberen Hälfte) und des Männlichen (im eckigen, unteren Part). Übrigens kannten auch die frühen Christen das Ankh und nutzten es als Schutzsymbol unter dem Namen Kreuz Ansata.
 

Variationen des christlichen Kreuz-Motivs von Wolfgang, In Memoriam (Koblenz) und Hennes, Fineline Tattoo (Düsseldorf)




Im alten Indien fand man die Verwendung des Kreuz-Motivs als religiöses Symbol, das zum Beispiel auf frühen Gemälden des Gottes Krischna an dreien von seinen sechs Armen zu sehen ist. Und in Mittel- und Südamerika fand das Kreuz schon vor der Christianisierung im religiösen Kontext Verwendung. Auch in vielen anderen Regionen wurde das Kreuz seit uralten Zeiten als Symbol mit magischer Kraft verehrt und hatte die Funktion des Lebens-, Schutz- und Heilszeichens.

Grundlegend für die Vereinnahmung des Kreuzes als christliches Symbol, war natürlich die Kreuzigung von Jesus Christus. Ursprünglich stammte diese Hinrichtungsart aus dem Orient und galt, im alten Rom genauso wie auch in Japan, als besonders entehrend für den Verurteilten. Daneben weist die Vokabel Kreuz, die vom lateinischen Crux (für »Marterholz«) und dem dazugehörigen Verb cruciare (»quälen«) abstammt, auf die Bedeutung als Folter- und Exekutionswerkzeug. Und auch die Kirche sieht das Kreuz als Sinnbild für die Qualen Christi an.

Tatsächlich war aber das Kreuz zu Beginn der christlichen Geschichte ein heidnisches Symbol, das von den Frühchristen sogar abgelehnt wurde. Das Wort Kreuz taucht auch in der Bibel nie auf. Stattdessen findet sich dort das griechische Wort stauros (»Pfahl«) oder xyklon (»Holz, Baum, Balken«). Zu einem christlichen Symbol wurde das Kreuz erst im 4. Jahrhundert, nachdem der römische Feldherr Konstantin bei der Vorbereitung einer Schlacht um himmlische Unterstützung bat und ihm ein strahlendes Kreuz am Himmel erschien. Es wurde zum Zeichen seiner Kriegsfahne und er blieb siegreich. Durch dieses Erlebnis wurde die christliche Religion vom Römischen Reich anerkannt und das Kreuz zu ihrem Symbol. Auch später noch benutzte man das Kreuz, um kriegerischen Aktionen den Anschein des Gerechten zu geben. Bestes Beispiel hierfür die Kreuzritter und deren Kreuzzüge.
 

Seefahrerorientierte Newschool von Oliver Ruts, Pain & Inkf Department (Berlin)



Im christlichen Sinne ist das Kreuz aber nicht nur verknüpft mit dem Grauen von Hinrichtung und Krieg, sondern gerade durch die Kreuzigung Symbol für die Opferung Christi zugunsten der »Heilung« des paradiesischen Sündenfalls. Hier verbindet sich das hölzerne Kreuz mit dem Lebensbaum im Paradiesgarten; die Kirche vertrat sogar die märchenhafte Meinung, dass das Kreuz, an dem Jesus starb aus dem Holz eben dieses Baumes geschnitzt war.

Heute steht das Kreuz natürlich nicht nur für Jesu Tod und ist in westlichen Kulturen als Grabzeichen und Symbol für den Tod im Allgemeinen etabliert. Es markiert den Scheideweg, die Kreuzung zwischen menschlichem Leben und dem, was immer danach kommen mag.
So simpel das Kreuzmotiv an sich ist, so unterschiedliche Varianten in Darstellung und Bedeutung trägt es in sich. So wie es seine Berechtigung als Symbol für den Leidensweg und Tod Jesu hat, hat es sie auch als Symbol für das Leben.
 
Motive > Das Abbild Jesu
   
 
Seit Jahrhunderten wird das Bild des Jesus von Nazareth geradezu stereotyp als das eines langhaarigen, bärtigen Mannes mit schmalem Gesicht wiedergegeben. Aber worauf beruht dieses Bild? Schließlich existieren keinerlei Berichte darüber, wie der Wanderprediger aus Nazareth tatsächlich ausgesehen hat. Entsprang unser heutiges Jesus-Bild lediglich der Fantasie eines Kirchenmalers aus dem vierten Jahrhundert – oder basiert diese Darstellung tatsächlich auf einer realen, historischen Abbildung des Gottessohnes?

Text: Dirk-Boris • Fotos: Archiv TätowierMagazin

Es gibt wohl kaum einen berühmteren Menschen als Jesus von Nazareth. Die Bibel, in deren zweitem Teil – dem Neuen Testament – das Leben Jesu erzählt wird, ist das am weitesten verbreitete Buch der Welt. In unzähligen Verfilmungen wurden Lebens- und Leidensweg des Mannes aus der römischen Provinz Galiläa in Israel dargestellt. So ist in unserem Kulturkreis praktisch jedem die Geschichte Jesu bekannt, unabhängig davon, ob man sich zur christlichen Religion bekennt oder nicht.

Seit Jahrhunderten existiert ein stereotypes Bild von Jesus, in dem bestimmte Merkmale geradezu unveränderllich erscheinen und immer wiederkehren.
Die Frage drängt sich auf: Gab es zu diesen Darstellungen ein reales,
historisches Vorbild? Tattoo von Marcuse, Smilin’ Demons (Mannheim)


Die tatsächlichen Geburts- und Todesdaten Jesu lassen sich nicht genau festlegen, denn auch wenn unsere Zeitrechnung eigentlich vom Geburtsjahr Jesu ausgehen sollte, beruht sie doch wohl auf einem Rechenfehler. Historiker gehen heute davon aus, dass Jesus entweder im Jahr 4 vor unserer Zeitrechnung (im Jahr des Todes Herodes des Großen) oder im Jahr 6 (Jahr der Volkszählung durch den römischen Statthalter Quirinius) geboren wurde. Als mögliche Todesjahre kommen aufgrund der in den Evangelien erwähnten Überschneidung von Sabbat und Passahfest beim Einzug Jesu in Jerusalem die Jahre 30 und 33 in Betracht. Die Zeit, über welche die Evangelisten aus dem Leben Jesu berichten, konzentriert sich auf die letzten Jahre im Leben Jesu. Jesus, der wohl im Alter von Anfang Dreißig damit begann, über das Reich Gottes zu predigen, war zu seiner Zeit keine ungewöhnliche Erscheinung, denn Wander- und Bußprediger gab es damals viele. Wenn man zudem davon ausgeht, dass seine nur wenige Jahre dauernde Tätigkeit als Prediger auf ein damals politisch völlig unbedeutendes Gebiet von maximal 200 Quadratkilometer beschränkt war, ist es umso erstaunlicher, wie sehr die Lehre Jesu die Welt in den nachfolgenden zweitausend Jahren verändern sollte.

Mit der Verbreitung des Christentums zunächst im römischen Kulturkreis kamen schon bald Bilder des Mannes auf, der als Sohn Gottes angesehen wurde. Im dritten und vierten Jahrhundert waren das zunächst Abbildungen, die lediglich den Zweck hatten, etwas über Jesus Christus zu erzählen, sein Leben, Wirken oder auch seine Hinrichtung darzustellen. Es ging bei diesen Bildern also eher darum, dem Betrachter eine Geschichte zu erzählen und nicht so sehr darum, ein Abbild einer realen Person zu präsentieren. Daher zeigen die frühen Bilder Jesus so, wie es der Mode der Menschen im Mittelmeerraum dieser Zeit entsprach und wie sich diese auch Jesus vorstellten: Bartlos, mit kurzen Haaren. Doch im vierten Jahrhundert tauchte erstmals eine neue Form des Jesus-Bildes auf: Das Bild eines Mannes mit langem, leicht gewelltem Haar, in der Mitte gescheitelt, und mit einem Vollbart. Das ist bemerkenswert, denn es gibt keinerlei Porträts aus dieser Zeit, die Menschen mit vergleichbarer Haar- und Barttracht darstellen, denn damals war diese einfach unüblich. Überlegungen darüber, wie Menschen zur Zeit Jesu »wirklich« ausgesehen haben, also ein Bemühen um historische Authentizität in der Darstellung von Personen, war den Künstlern des 4. Jahrhunderts völlig fremd. Warum also sollten die Künstler dieser Zeit Jesus – aus ihrer Sicht – so fremdartig darstellen und nicht einfach so, wie es den Gewohnheiten ihrer Zeit entsprach?
 

Abb. links: Jesus-Porträt von Pink (Hasselt, Belgien),
Abb. rechts: Bis ins 12. Jahrhundert wurde Jesus am Kreuz nicht als Leidensfigur dargestellt, sondern mit rechtwinklig zur Seite ausgestreckten Armen, die ihn beinahe heroisch erscheinen lassen. Erst ab der Gotik wurden die Darstellungen mit einem am Kreuz hängenden und leidenden Jesus realistischer.
Tattoo von Lasse, Individual Ink (Turku, FIN)



Ein so drastischer und vollkommener Wechsel in der Darstellung dieser bedeutenden Persönlichkeit kann eigentlich nur eine Ursache gehabt haben: Es müssen zu dieser Zeit Hinweise darüber aufgekommen sein, wie Jesus ausgesehen hat. Doch was für Hinweise sollten das sein? In der Bibel findet sich keinerlei brauchbare Beschreibung des Galiläers. Zeichnungen und Bilder Jesu wurden von den frühen Christen des ersten und zweiten Jahrhunderts – die unter Umständen noch aus Erzählungen seiner Jünger hätten wissen können, wie Jesus aussah – strikt abgelehnt. Dennoch gibt es eine Möglichkeit, wie die Menschen im vierten Jahrhundert hätten erfahren können, wie Jesus tatsächlich aussah – und diese Möglichkeit erscheint gleichermaßen vollkommen logisch und zugleich völlig unmöglich.

In der Kathedrale von Turin wird ein Leinentuch von gut einem Meter Breite und knapp viereinhalb Metern Länge aufbewahrt. Auf dem vergilbten, mit Brand- und Wasserflecken überzogenen Tuch ist auch mit bloßem Auge das Abbild eines Menschen zu erkennen. Viele sind sich sicher: Bei diesem Stück Stoff handelt es sich um ein zwei Jahrtausende altes Leichentuch – und die Gestalt, die darauf zu erkennen ist, ist niemand anderes als Jesus Christus!
Wäre das tatsächlich so, dann wäre vollkommen klar, wie es zu der Veränderung der Darstellung Jesu in der Kunst kam: Kaiser Konstantin der Große (römischer Kaiser von 306 bis 337) soll im Besitz eines Tuches gewesen sein, das er als christliche Reliquie ansah. Hätte es sich bei dem wertvollen Tuch um das Turiner Grabtuch gehandelt, auf dem man das Abbild Jesu zu erkennen glaubte, so wäre nur logisch, dass man fortan den Gesichtsabdruck auf dem Tuch als das Antlitz Jesu ansah und ihn fortan diesem Bild entsprechend darstellte – völlig unabhängig davon, ob Frisur und Bart nun der Mode der Zeit Konstantins entsprachen oder nicht. Vergleiche der Gesichtsmerkmale in frühen Jesus-Darstellungen zum einen und auf jenem Abdruck auf dem Turiner Grabtuch zum anderen weisen tatsächlich verblüffende Übereinstimmungen auf. Die in der Mitte gescheitelten, leicht gewellten Haare, der geteilte Bart, zwei bartlose Stellen unterhalb der Unterlippe, Besonderheiten in der Darstellung von Nase, Augen, Wangen – es scheint fast, als hätten die Künstler, die ab dem 4. Jahrhundert Jesus in Ikonen, Mosaiken und Kirchenbildern darstellten, direkt vom Turiner Grabtuch abgezeichnet!

 

Im Negativ werden die Details und die Plastizität des Gesichtsabdrucks auf dem Turiner Grabtuch erst richtig deutlich. Nicht nur in frühen Jesus-Bildern aus dem vierten Jahrhundert findet man eine hohe Übereinstimmung vieler Gesichtsmerkmale zwischen Grabtuch und Bildern in Kirchen und auf Ikonen wieder, einige Besonderheiten in der Darstellung Jesu haben sich selbst bis in unsere Zeit so hartnäckig erhalten, dass sie sich sogar in tätowierten Porträts noch nachweisen lassen.

Tattoo des Turiner Grabtuches von Zsolt Sárközi, Dark Art Tattoo (Budapest, HU)

Einige Merkmale, die in nahezu allen Jesus-Porträts auftauchen und die mit dem Abdruck auf dem Grabtuch übereinstimmen:
1 Das Haupthaar ist in der Mitte gescheitelt
2 Zwischen den Augen ist eine markante Falte erkennbar
3 Schwellung unterhalb der Augen, eingefallene Wangen
4 Vollbart von mittlerer Länge
5 Eine bartfreie Stelle unterhalb der Unterlippe
6 Geteilte Bartspitze
7 Leicht gewelltes, schulterlanges Haupthaar



Doch so schön und schlüssig sich diese Erklärung auch anhört, es gibt zwei Probleme: Denn es ist keineswegs bewiesen, dass es sich beim Turiner Grabtuch um die Reliquie handelt, die sich im Besitz Konstantins befand; die Geschichte des Turiner Tuchs lässt sich nur bis zum Jahr 1357 lückenlos belegen. Und als 1988 eine Datierung des Tuches nach der Radiokarbonmethode erstellt wurde, stellte sich heraus, dass das Tuch allenfalls 700, vielleicht auch nur 600 Jahre alt sein konnte. Dass es sich bei der Stoffbahn um das Leichentuch Jesu handeln könnte, war damit definitiv ausgeschlossen. Ist das Tuch also lediglich eine Fälschung? Dass im Mittelalter Reliquien geradezu hundertfach gefälscht wurden, ist bekannt: Mit den angeblichen Holzsplittern vom Kreuz Jesu, die damals in Umlauf waren, hätte man ganze Blockhäuser bauen können, und wären alle vermeintlichen Blutstropfen Jesu echt, die zu dieser Zeit in Reliquienschreinen verehrt wurden, dann hätte der Heiland hektoliterweise Blut in den Adern gehabt. Doch wenn das Tuch ein Fälschung aus dem Mittelalter sein sollte, wie sollte sie zustande gekommen sein? Verschiedene Theorien der Befürworter der Fälschungstheorie können allesamt nicht überzeugen; von einer Abbildung mittels einer »Camera Obscura«, einem Vorläufer der Kamera ist da zum Beispiel die Rede. Das klingt zunächst logisch, denn der Abdruck auf dem Tuch ist ja sozusagen ein »Negativ« – erst 1899, als Secondo Pia das Tuch fotografierte und erneut ein Fotonegativ von dem Negativabdruck auf dem Tuch erstellte, wurden viele Details und die Plastizität der Abbildung erkennbar. Das Prinzip der Camera Obscura war zwar schon um 1000 n. Chr. bekannt, doch die Möglichkeit, die Bilder dauerhaft zu fixieren, entdeckte man erst Anfang des 19. Jahrhunderts – also 500 Jahre nach dem Entstehungsdatum, das sich aus der Radiokarbondatierung ergibt. Auch Experimente, die belegen sollten, dass der Abdruck beispielsweise durch eine erhitzte Bronzestatue ins Tuch gebrannt worden sein sollte, konnten nicht überzeugen. Dass es sich bei dem sichtbaren Abdruck tatsächlich um das Abbild eines realen Menschen und nicht etwa um eine geschickte Zeichnung handelt, wird inzwischen kaum noch bestritten – auch wenn die genaue Art und Weise, wie der Abdruck entstand, dadurch noch nicht erklärt ist. Zudem belegen Gutachten von Medizinern, dass körperliche Anomalien wie stark gedehnter Brustkorb und eingezogener Oberbauch dem entsprechen, was man am Leichnam eines gekreuzigten Mannes erwarten würde. Auch die auf dem Tuch nicht sichtbaren Daumen – denn diese klappen beim Durchschlagen der Handwurzelknochen mit Nägeln in die Handfläche – sind Indiz dafür, dass der Abgebildete am Kreuz gestorben ist. Kreuzigung wurde aber im Mittelalter nicht mehr praktiziert – woher sollte der Leichnam des Mannes auf dem Turiner Grabtuch also stammen? Auch Spuren einer Geißelung und Kopfverletzungen, die durch eine Dornenkrone hätten verursacht werden können, sehen Mediziner als authentisch an. Immer mehr wissenschaftliche Analysen ließen die Theorie von einer mittelalterlichen Fälschung bröckeln. Es fanden sich auf dem Tuch Pollenspuren von Pflanzen, wie sie vor allem in der Gegend um Jerusalem vorkommen. Die Webart des Tuches entspricht Textilien, wie man sie von Ausgrabungen aus der Gegend um Jerusalem kennt und die sich zweifelsfrei auf die Zeit Jesu datieren lassen. Doch welchen Sinn ergibt das, wenn das Turiner Tuch doch durch die Radiokarbonanalyse auf das 14. vielleicht sogar erst das 15. Jahrhundert datiert wird? Zweifel kamen auf: Wurde bei der Radiokarbonmessung tatsächlich das Alter des Tuches gemessen – oder vielleicht doch eher das Alter anhaftender Verschmutzungen? Dass dieses Messverfahren anfällig dafür ist, bei Verunreinigungen der Probe falsche Ergebnisse zu liefern, ist bekannt – und die groben Verunreinigungen des Tuches, die über die Jahrhunderte durch Brände, Wasserschäden und Anfassen entstanden, sind schon mit bloßem Auge erkennbar …

2003 sollte eine weitere Analyse Klarheit über das wahre Alter des Tuches bringen. Eine Altersberechnung nach dem Lignin-Vanillin-Zerfall kam zu dem Ergebnis, dass das Tuch mindestens 1300 Jahre, wahrscheinlich aber noch um einiges älter sein muss: Der endgültige Beleg dafür, dass das Grabtuch echt ist? Doch so einfach gibt das Leinentuch in der Kathedrale zu Turin seine letzten Geheimnisse nicht preis. Denn nach wie vor ist völlig ungeklärt, wie der Abdruck auf dem Tuch entstanden ist. Auch die Tatsache, dass menschliches Blut am Tuch haftet, ist nur auf den ersten Blick ein Beleg für die »Echtheit«. Denn würde es sich wirklich um ein Leichentuch handeln, dann dürfte darauf gar kein Blut sein – Tote bluten nicht. Und selbst wenn auf dem Tuch der Leichnam eines Gekreuzigten aus der Zeit Jesu abgebildet ist, hieße das noch lange nicht, dass es sich dabei um Jesus handeln muss. Gekreuzigt wurden zu dieser Zeit Tausende. Allerdings wurden die meisten ans Kreuz gebunden – nur in Ausnahmefällen wurden Verurteilte ans Kreuz genagelt. Und wie viele Verurteilte wurden mit einer Dornenkrone gequält – die die römischen Legionäre nach den Berichten der Bibel Jesus aufsetzten, um ihn als »König der Juden« zu verspotten?
 

Abb. links: Jesus mit übergroßer Dornenkrone von Diamond Jim, Old Style (Köln)
Abb. rechts: von Zsolt Sárközi, Dark Art Tattoo (Budapest, HU)



Es wird sich sicher nie zweifelsfrei klären lassen, wer der Mann ist, dessen Körper sich auf welche Weise auch immer auf dem Leinentuch abgebildet hat. Für jeden »Beweis« lässt sich ein Gegenargument finden und wissenschaftliche Untersuchungen müssen sich mit einem Objekt messen, das vom religiösen Standpunkt aus gesehen über jede Beurteilung durch Menschen erhaben zu sein scheint. Die Beschäftigung mit dem Grabtuch von Turin zieht einen unwillkürlich in den Bann, Pro- und Contra-Argumente verdichten sich zu einem wahren Krimi, in dessen Hintergrund die unglaubliche Möglichkeit steht, dass uns von diesem Tuch nach zweitausend Jahren das wahre Antlitz Jesu anschaut.

Aber es stellt sich die Frage, wie wichtig das überhaupt ist? Wer sich heute ein Jesus-Porträt stechen lässt, tut dies nicht in der Absicht, sich ein realistisches Bild des Gottessohnes tätowieren zu lassen. Wer so ein Bild trägt, verdeutlicht damit seine Bereitschaft, den Lehren zu folgen, die Jesus von Nazareth gepredigt hat: die Gebote der Nächstenliebe, der Gewaltlosigkeit und der Achtung jedes Menschen ohne Ansehen von sozialer Stellung, Krankheit oder Lebenswandel. Und wer diese Werte lebt, dem ist es – wie schon den frühen Christen – wohl relativ egal, ob der Mann, der sie zuerst gepredigt hat, nun tatsächlich so aussah wie auf ihrer Tätowierung …
 
Engel – Wesen zwischen Himmel und Erde
   
 
Wir kennen sie als dicke Putten, blondgelockte Schöne, blutrünstige Rachegestalten und schutzspendende Licht-
Geschöpfe. In nahezu allen Religionen sind sie vertreten, um die Vermittlung zwischen den Göttern und den Menschen zu gewährleisten. Vielleicht sind Engel deshalb als Tattoo-Motiv so beliebt – womöglich verbessern sie ja den »Draht nach oben«…


Text: STEFANIE · Fotos: ARCHIV TÄTOWIERMAGAZIN

Man sieht sie auf Bildern, als marmorne Zeitzeugen in Städten oder als Glanzbildchen im Poesiealbum. Sie wachen als Schutzpatron in Form eines Holzfigürchens auf dem Nachttisch, sie werden in Kapellen mit Blumengaben verehrt, sie sind in Filmen, Büchern und Schauspielen Gegenstand der Inszenierung. Sie sollen uns Hilfe und Beistand gewähren. Engel üben seit jeher eine große Faszination auf uns Menschen aus. Aber was ist ein Engel eigentlich genau?
 

Wahrlich beeindruckendes Rückenpiece von Ingo, Pinprick Tattoo (Battenberg)

Morbide Engelsflügel von Fide, Für Immer (Berlin)



Der Begriff stammt aus dem Griechischen – ángelos – und bedeutet soviel wie Bote. Und genau das sind Engel: Sie fungieren als Botschafter zwischen den Welten der Götter und des Menschenvolkes. Dabei sind sie den Menschen durch ihre Souveränität, soziale und intellektuelle Kompetenz weit überlegen. Die zahlreichen unterschiedlichen Vorstellungen über ihr äußeres Erscheinungsbild liegen wohl an dem Umstand, dass ihre Funktion immer erheblich wichtiger war und ist, als ihre Optik. Denn neben der Überlieferung des Wissens und des Willens der Götter hat die Existenz von Engeln auch den Zweck, den Zusammenhalt alles Irdischen und Überirdischen zu bewahren und die Weltenordnung zu strukturieren. In welcher Form sie ihren Aufgaben nachkommen, variiert von Weltanschauung zu Weltanschauung, von Religion zu Religion. Nach unserer menschlichen Vorstellung gibt es verschiedene »Arten« von Engeln; sie unterscheiden sich in ihrer Stellung und in ihren »Pflichten«.
 

Manga-Engel von Fide, Für Immer (Berlin)

Fantastische Engelsdarstellung von Zsolt Sárkozi, Dark Art Tattoo (HU)



ENGEL DES SCHUTZES
Sie sind uns Menschen am ähnlichsten und nächsten und interessieren sich für unsere Belange. Entsprechend sind sie die Adressaten für Fürbitten oder Hilferufe.

ERZENGEL
Diese Wesen sind mit der Gesamtheit der Menschheit betraut. Sie sorgen für Zusammenhalt, Wärme und Ausgeglichenheit.

FÜRSTENTÜMER
Bei diesen Engeln herrscht Ordnung – sie sorgen für die Beibehaltung vertrauter Strukturen im Rahmen der Planetenkonstellation.

MÄCHTE
Auch diese Flügelträger wachen über uns Menschen, doch im Gegensatz zu den Schutzengeln haben sie den gesamten Plan der Menschheit entworfen und achten darauf, dass diese sich nicht gegenseitig zerstören.

DIE TUGENDEN
Die Tugenden sorgen mit ihrer göttlichen und unerschöpflichen Positivität für enorme Ressourcen an Energie. Die gesamte Schöpfung erhält durch sie Lebenskraft.

DIE GEWALTEN
Sie halten das energetische Gleichgewicht und bewirken, dass alles im Fluss bleibt. Die Gewalten bewahren die Harmonie unter allen Wesenheiten.

DIE THRONE
Diese Engel kümmern sich um die verschiedenen Planeten. Auch für die Erde wurde ein Thron abgestellt: Er vereinfacht unser Leben und bewacht Flora, Fauna und die Naturgewalten.

CHERUBIM
Cherubim sind die Beschützer des Garten Edens. Sie besitzen und vermehren die Weisheit und sind die Verbreiter der Erkenntnis.

SERAPHIM
Sie stehen Gott am nächsten und sind für uns Menschen nicht mehr wirklich erklärbar. Seraphim gelten als Symbole des Lichts oder Glut des göttlichen Feuers.

Menschen, die von Begegnungen mit den Gottesbotschaftern berichten, sorgen für diverse verschiedene Überlieferungen von ihrer äußeren Ansicht. Sie variieren von diffusem, flirrendem Lichternebel über typische Menschengestalten bis hin zu den klassischen Flügelwesen. Ob man nun an die Existenz von Engeln glaubt oder nicht, ist wie bei allem Unerklärlichen und Unbewiesenen eine Einstellungssache.
 

Klassische Darstellung von Zele, Tattoo Zagreb (Zagreb, CRO)

Friedhofs-Engel-Statue von Thomas, Dynamite & Kynst Ateliers (Deventer, NL)



Ein Engelstattoo bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Träger überzeugt von ihrem Dasein ist. Auch eine nahe Verbindung zum Christentum muss nicht unbedingt gegeben sein, da Engel in irgendeiner Form in allen großen Religionen eine Rolle spielen. Fest steht jedoch, dass der »Besitzer« der Tätowierung zur großen Gruppe der Menschen gehört, die dem Zauber und der Faszination der göttlichen Mittler erliegen. Und wer weiß: Vielleicht hat der aparte Hautschmuck ja doch eine positive, beschützende Wirkung? Wenn der Wächter des eigenen Schicksals erst einmal sichtbar auf den Körper gebannt ist, kann er dort schließlich auch den Sinn seines Tinten-Daseins erfüllen und den Träger mit Energie und Glück erfüllen!
 
Motive: Rauchende Colts – Von Schiesseisen und Kugelspritzen
   
 
Mordwerkzeug und Jagdwaffe, Symbol für Männlichkeit und Sportgerät: Revolver und Pistolen weisen einen überraschend vielseitigen Symbolgehalt auf!

Text: DIRK-BORIS • Fotos: ARCHIV TM

Die Weiterentwicklung der Waffentechnik spielte in der Geschichte der Menschheit eine enorm große Rolle. Bereits primitive Waffen wie Faustkeil, Keule oder Steinaxt ermöglichten es den Menschen der Urzeit, sich gegen wilde Tiere zur Wehr zu setzen – oder sich bei Streitigkeiten gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Ein Quantensprung in der Entwicklung der Waffentechnik waren solche Waffen, mit denen man auf große Entfernung töten konnte, ohne selbst in die Reichweite des Opfers – sei es Tier oder Mensch – zu geraten. Steine und Speere, die von Hand geschleudert wurden, waren die ersten solcher Langdistanz-Waffen, doch schon bald entwickelten die Menschen Geräte und Vorrichtungen, mit denen Projektile wie Steine und Pfeile präziser und mit größerer Wucht ins Ziel befördert werden konnten. Steinschleudern, Blasrohre, hölzerne Wurfarme für Speere und schließlich Pfeil und Bogen waren die Errungenschaften dieser Stufe der Waffenproduktion. Besonders der Bogen war über Jahrhunderte die Langstreckenwaffe schlechthin. Verschiedene Kulturen entwickelten unterschiedliche Modelle, vom kurzen Bogen der Mongolen, der für den Einsatz vom Pferd aus praktisch war, über den englischen Langbogen mit enormer Durchschlagskraft bis zum überlangen und präzisen japanischen Bogen.

Revolver-Paar in Hüfthöhe; Symbolik und die Ausrichtung der Läufe sprechen für sich (von Osti, Bamberg)
Vorderlader-Pistole von Jason Kundell (Australien)


Doch all diese Waffen hatten einen großen Nachteil; sie waren relativ groß und unhandlich. Auch die ersten Waffen, die mit dem im Mittelalter entwickelten Schwarzpulver betrieben wurden, nämlich Kanonen, konnten zunächst nicht durch besondere Handlichkeit punkten. Rasch begann man aber damit, neben großen mauerbrechenden Kanonen auch kleinere Modelle zu entwickeln, die getragen werden konnten, bis sich der Massstab schließlich auf die Größe von ersten Gewehren und Pistolen reduzierte.
Als Erfinder des ersten automatischen Zündmechanismus, des so genannten Radschlosses, gilt Leonardo da Vinci. Rad schloss-Pistolen waren im 16. und 17. Jahrhundert eine Waffe der Kavallerie, während die Waffe des Fußvolks, die Muskete der nach ihr benannten Musketiere, mit einem Luntenschloss gezündet wurde. Um 1700 verdrängte das Steinschloss die vorigen Zündmechanismen. Auch wenn die ersten Pistolen und Musketen den Nachteil hatten, dass sie oft nur einschüssig waren und das Nachladen relativ viel Zeit in Anspruch nahm, hatten die Waffen auch neben der großen Reichweite und relativen Präzision einen weiteren, zweifelhaften »Vorteil«: Im Gegensatz zu heutigen Handfeuerwaffen, die relativ kleine und saubere Einschusskanäle verursachen, rissen die Bleikugeln der damaligen Pistolen große, ausgefranste Löcher in den Körper des Opfers, die zudem sofort mit Resten des abgebrannten Schwarzpulvers verunreinigt wurden. Auch wenn keine lebenswichtigen Organe getroffen waren, war es also höchst wahrscheinlich, dass der Getroffene schwere Wundinfektionen erlitt, die auch im Feldlazarett kaum behandelt werden konnten. So starb eine große Zahl von Soldaten früher nicht am Einschuss, sondern am darauf folgenden Wundbrand.
 

Klassiker: Yosemite-Sam aus den Lonney Toons mit Revolver (von Marcus Broeter, Bochum)
Gangsta-Style: Automatik-Pistole im Gürtel (Bob Tyrrell, Detroit, USA)
Oldschooliger Revolver für die Ladies (von Tschiggy, Jungbluth, Hamburg)


Auch im Duell war die Pistole neben dem Degen eine beliebte Waffe. Fühlte sich ein Angehöriger der Adelsschicht von einem anderen beleidigt, konnte er vom Gegenüber »Satisfaktion« fordern, ihn also zum Duell fordern. Der Herausgeforderte durfte über Zeit Ort und die Art der Waffen entscheiden. Viele Adlige hatten einen kleinen Koffer mit einem Paar Pistolen in ihrem Besitz, die einzig und allein für das Duell bestimmt waren. So wurde die Waffe, die ursprünglich zur Jagd oder auch zu Verteidigung und Angriff konzipiert war, also für relativ konkrete Ziele, nun auch zum Zweck der Verteidigung eines abstrakten Ehrbegriffs verwendet. Ähnlich wie das Schwert der Ritter oder auch der Degen gilt die Pistole dementsprechend auch manchmal als »Ehrenwaffe«. Absurdität der Duelle: Beide Duellanten durften sich nicht von der Stelle rühren, bis jeder seinen Schuss abgefeuert hatte; hatte also der erste Schütze sein Ziel verfehlt, musste er regungslos verharren und bangen, ob sein Gegner ihn töten oder verschonen würde.
Was auf dem Duellplatz zum Ritual gehörte, war auf dem Schlachtfeld sehr nachteilig; zwar gab es auch zweischüssige Pistolen und Gewehre, dennoch war die Schussfrequenz noch zu langsam, das Nachladen zu zeitaufwändig. Eine weitere Revolution der Schießeisen stellte deshalb der aus Western bekannte »Six Shooter« dar, der Revolver mit drehbarer Trommel (to revolve; engl.: sich drehen), in der sechs Patronen Platz hatten, die überdies sehr rasch gewechselt werden konnten. Erfinder des Revolvers war Samuel Colt, der ihn 1836 zum Patent anmeldete. Auch Revolver der Marke Smith & Wesson erlangten rasch Kultstatus. Der Revolver wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika ein Attribut für Macht und Männlichkeit – ein Psychologe würde sicher auf das lange Mündungsrohr und die abgeschossenen Kugeln als phallische Symbole verweisen. Auch das »aus der Hüfte schiessen« unterstreicht die männliche Symbolik dieser Waffe – auch wenn diese aus Western bekannte Technik in der Realität kaum zu befriedigenden Resultaten und Treffern geführt hätte. Im Gegensatz zu den als männlich geltenden Revolvern galten die kleinen zweischüssigen Derringer-Pistolen als Waffen von Frauen oder Feiglingen; die sehr kompakten zweischüssigen Handfeuerwaffen waren nämlich besonders bei Falschspielern beliebt, da man sie leicht im Ärmel verstecken konnte, während der Revolver ja stets deutlich sichtbar am Gürtel getragen wurde.

Klischee oder Realität? Frauen stehen auf große Kanonen! (Flash von Stachyra)


Ab 1893 kamen die ersten automatischen Pistolen auf, bei denen die Patronen in einem Magazin in den Griff eingeschoben werden. Herausragende Hersteller solcher Waffen sind Walther, Browning, Beretta oder Luger. Es sind die Waffen, die man aus Polizei- und Gangsterfilmen kennt oder auch von James Bond, der stets eine Walther, Modell PPK, bei sich trägt. Allerdings gibt es hinsichtlich der Symbolik dieser Waffen leichte Unterschiede, was westliche Mafia-Filme und japanische Yakuza-Filme betrifft. Während man im Westen Entschlossenheit und Stärke mit der Pistole assoziiert, wird sie im japanischen Gangsterfilm oft mit Feigheit gleichgesetzt; der »echte«, traditionelle Yakuza vertraut – zumindest im Film – lieber im Kampf Mann gegen Mann auf sein Schwert als auf das Schießeisen.
Heute sind Pistolen und Gewehre nicht nur Mordwerkzeuge, sondern auch vollwertige Sportgeräte; vom Biathlon über Tontaubenschießen, vom Luftpistolen-Schießen im Garten bis zum Paintball-Abenteuer im Wald finden sich unterschiedlichste Möglichkeiten, mit den faszinierenden Schießeisen auch friedlichen Spaß zu haben.
 

Überdeutliche Phallus-Symbolik: Patronen als fliegende Mini-Penisse von Cpt. Obermeier (Mönchengladbach)
Eher selten: zwei gekreuzte Automatik-Pistolen mit Qualm in Flügelform (Tätowierstudio Bielefeld)


Die Bedeutungsbreite der Symbolik dieser Waffen
findet sich auch in Tätowierungen wieder, die Pistolen, Revolver und dergleichen darstellen. Nur die wenigsten dieser Tätowierungen drücken unverhohlen Gewaltbereitschaft aus. Die meisten im Traditional-Stil gehaltenen Pistolen-Tattoos knüpfen augenzwinkernd an die idealisierte Wildwest-Romantik an. Die dargestellten, oft aufwändig verzierten Schießeisen mit verspielten Details stellen offensichtlich eher Dekoration als Gebrauchsgegenstand dar. Obwohl der Revolver eigentlich eine Männerwaffe ist, trifft man auf das klassische Revolverpaar als Tattoo, gern in Hüfthöhe angebracht, eher bei Frauen; das unzweifelhaft phallische Symbol dient hier als erotischer Reiz, der die Hüftregion der Frau betont und zum Blickfang macht. Weisen die Revolverläufe zudem in Richtung Schambereich, ist die sexuelle Komponente nicht mehr zu übersehen.

Mit Tattoos von Automatik-Waffen wird gern auf die Welt der vermeintlich »ehrenwerten Gesellschaft«, der Mafia, angespielt; die Träger solcher Tattoos dürften aber eher Fans von Kino-Klassikern wie »Der Pate« oder »Es war einmal in Amerika« als wirklich Angehörige der Cosa Nostra sein. Und zudem bietet ein Pistolen-Tattoo vor allem in Deutschland die Möglichkeit, ohne Waffenschein und polizeiliches Führungszeugnis zu einer eindrucksvollen Waffe zu gelangen – die garantiert nicht aus Versehen losgeht.
 
Tattoomotive > Augen – Spiegel der Seele
   
 
Kein Körperteil hat so viel Ausdruckskraft wie die Augen. Sie machen Gefühle sichtbar, egal ob Liebe, Hass, Wut, Freude oder Trauer. Wer bestimmte Emotionen dauerhaft ausstrahlen möchte, verewigt ein zusätzliches Sehorgan auf der Haut.

Text: Stephanie • Fotos: Archiv TätowierMagazin

Ein Auge auf jemanden werfen, einen anderen im Auge behalten, den Nachbarn misstrauisch beäugen, Augenblick, augenscheinlich … das Auge ist in unserer Sprache zahlreich mit ganz unterschiedlichen Bedeutungen vertreten. Ein erster Hinweis darauf, wie wichtig uns das Gesamtgebilde um Augapfel, Iris und Pupille ist.
Und wer sich schon einmal mit einer Augenbinde vorwärts bewegt hat, weiß, wie elementar der Sehsinn für unser alltägliches Leben ist. Doch was ist das eigentlich – Sehen?
Während wir im Altertum noch glaubten, das Bild unserer Umwelt entstünde durch einen »Sehstrahl«, den wir Menschen aussenden, wurde bereits im Mittelalter der wahre Aufbau unserer Augen entdeckt. Licht fällt durch die Hornhaut ins Auge, wird von der Linse gebündelt und reizt die lichtempfindlichen Empfänger auf der Netzhaut, Photorezeptoren genannt. Stäbchen sorgen für den Hell-Dunkel-Kontrast, Zapfen ermöglichen das farbige Sehen. Per fotochemischer Reaktion leitet der Sehnerv den Lichteindruck ins Gehirn weiter. Dort werden die Signale zu einer Empfindung verarbeitet, die wir als Sehen bezeichnen.
Unsere Augen sind also komplexe, faszinierende Objekte – ein Grund, warum sich manch einer nicht mit dem angeborenen Duo zufrieden geben mag.

Fliegendes Auge, angelehnt an das Von Dutch-Logo, von Robert, Inkkitchen (Hengelo, NL).
Reptilienauge von Victor Portugal, Dark Times Tattoo (Teneriffa, E)

 

Horror-Szenario mit Augenschaschlik von Norman, Normans Tattoo (Duisburg)
»The Crow«-Logo mit Augenpaar von Nico, Slams Tattoo (Nordhausen)




Was kann das dritte Auge?
Die Vorstellung eines Augen-Trios ist so alt wie die Menschheit selbst. Kein Wunder, da sich um das unsichtbare dritte Organ zahlreiche Mythen und Sagen ranken.
So hat, wer hellsehen kann, sprichwörtlich das »dritte Auge« – und damit können Dinge wahrgenommen werden, die Normal-sterblichen verborgen bleiben. Die Esoteriker bezeichnen es als sechstes »Chakra«, eine »Öffnung«, die ebenso wie die rechte und linke Gehirnhälfte Informationen aufnimmt. Das dritte Auge bewertet diese Wahrnehmungen jedoch nicht, es wertet sie hingegen aus. Es bildet mit den beiden natürlichen Augen eine Dreiheit, die an die göttliche Dreieinigkeit angelehnt ist und die Sicht des Augen-Paares um die »räumliche« Wahrnehmung erweitert. Auch das »innere Sehen«, intuitives Fühlen, Denken und Handeln, wird durch das dritte Auge möglich.
Wer jetzt neidisch durch die Straßen läuft und seine Mitmenschen forschend auf die Stirn starrt, etwa in die Mitte der Augen (denn genau dort soll das dritte Auge liegen), kann beruhigt sein: Jeder hat eines. Zumindest jeder, der dran glaubt. Um mit dem dritten Auge zu arbeiten, muss es allerdings »gereinigt« und »geöffnet« werden. Die Methoden für diesen Zweck sind vielfältig: Diverse Atem- und Lichtmeditationen werden in Büchern und im Netz der begrenzten Unmöglichkeiten angepriesen.
 
 

Auge in der Pyramide als Zeichen des Göttlichen von Tomas, Tattoo Tomas (Erlangen)

Lemme, Body Temple (Potsdam)

Jean, Harai Tattoo (Gent, B)



Augen als Tattoo
Für alle, denen im Schneidersitz die Kniescheibe ’rausspringt oder die beim Wort Chakra einen spontanen Würgereiz verspüren, gibt es eine weitere Möglichkeit, ein drittes – oder auch viertes – Auge sichtbar zu machen: mit Nadel und Tinte. Egal, ob als Gewissensfunktion für sich selbst und andere, durch ein Augenpaar mit mahnendem Ausdruck; als Andenken an einen lieb gewonnenen Menschen, dessen Blick man für immer erhalten und bei sich tragen möchte; als Kunstwerk und Hommage an die faszinierenden Kräfte der Sehwerkzeuge: Kaum ein Motiv hat eine so starke und so unterschiedliche Ausdrucksmacht wie einzelne tätowierte Augen oder auch ein Paar. Wer von grünen Katzenaugen träumt oder Terence-Hill-blauen Guckies, kann per Hautzeichnung sein Ideal realisieren, auch ohne Tragen unbequemer Haftschalen, etc.
Ob ein Augentattoo den Blickwinkel und Horizont des Trägers erweitert, ist dabei allerdings eher fraglich, bzw. abhängig von der individuellen Persönlichkeit. Und es gilt, bei aller Begeisterung für den Sehsinn und die -organe, den alten Poesiealbumsspruch nicht zu vergessen: Man sieht nur mit dem Herzen gut!
 
Motive > Alle lieben HELLY KITTY!
   
 
Ein rundes, weißes Gesicht, rosa Schleife im Ohr und ein fehlendes Schnäuzchen. Das ist kein überaltertes Steifftier, sondern zurzeit angesagteste Lieblingsmarke vieler Stars und Stinos: Hello Kitty, die japanische Zeichentrickkatze aus den 70er Jahren.

Text: Stephanie • Fotos: Archiv TätowierMagazin, Sanrio Company, Ltd.

Es war rosa und hatte eine Metallspange als Schließe. Mein schönstes Geschenk zu meinem 11. Geburtstag, von meiner besten Freundin. Ein Portemonnaie von »Hello Kitty«! Zugegebenermaßen, dieser Festtag ist schon eine ganze Weile her, und die Geldbörse hat irgendwann das Zeitliche gesegnet. Der Boom von Produkten mit der kleinen Katze ohne Mund allerdings ist aktuell wie nie: Mit den etwa 12.000 Hello-Kitty-Produkten, die weltweit im Umlauf sind, wird ein Jahresumsatz von zirka einer Milliarde Dollar erreicht.
Der Siegeszug der niedlichen Figur begann 1974. Es war ebenfalls ein Portemonnaie, das erste Goodie mit der weißen Katze: eine Vinyl-Geldbörse aus dem Hause der japanischen Firma Sanrio. Grundsatz des Unternehmens damals bis heute: Auch ein kleines Geschenk kann ein großes Lächeln hervorrufen.
 
 

Hello Kitty inspiriert die Tätowierer und Kunden zu immer neuen Interpretationen.



Auf wie vielen Kindergesichtern HK seitdem ein Strahlen verursacht hat, lässt sich nicht statistisch belegen, aber Fakt ist, dass das Kätzchen in den meisten Ländern der Erde ein durchschlagender Erfolg wurde. Und dabei hatte Hello Kitty trotz fehlendem Schnäuzchen keine Verständigungsschwierigkeiten, denn: »Kitty speaks from the heart«, weiß Bill Hensley, Marketingchef bei Sanrio.
Und das, was Kitty da so von sich gibt, kommt an. Bei der Kernzielgruppe der Drei- bis 15-Jährigen Mädels ist das knuffig-gemalte Kitten der Renner. Doch auch über die Kinder und Teenager hinaus finden HK-Waren immer mehr Anhänger(innen). Die meist weiblichen Fans befinden sich oft schon in einem Alter, indem sie selber eine kleine HelloKitty-liebende Tochter haben könnten. Mit dem niedlich-unschuldigen Design der kleinen Kuschelkatze verbinden manche Kindheitserinnerungen; andere holen einfach nach, was sie in ihrer Grundschulzeit versäumt haben: Sogenannte Kidults (Mischung aus Kid und Adults, also Erwachsene) sorgen für eine erweiterte Produktpalette der Merchandising-Artikel von Sanrio. Frei nach dem Motto »was bei Celebrities wie Christina Aguilera, Gwen Stefani, Mariah Carey oder Drew Barrymore gut ankommt, passt auch prima zu mir« sieht man immer mehr 20- bis 40-Jährige mit einer HelloKitty-Handtasche, dem HK-Handy oder auch das frisch gekaufte Sushi auf japanisch anmutendem Kätzchen-Geschirr servieren. Hello Kitty ist Trend – mit ihr auch gleich alle anderen Figuren aus dem Sanrio-Universum. So befindet sich in Kittys virtuellem Lebensraum auch noch ihre Zwillingsschwester Mimmy, ihre Hauskatze Charmmy Kitty, ein weißes Perserchen und der Hamster Sugar. Wahre (und natürlich besonders ältere und gut verdienende) HK-Fans versuchen, möglichst viele Produkte des täglichen Lebens durch andere mit dem Markenzeichen des süßen Katzengesichtchens zu ersetzen. Daher ist es ein schlauer Schachzug von Sanrio, immer nur gering aufgelegte Serien von Waren zu verkaufen und dafür ständig neue Kreationen auf den Markt zu schmeißen. In den zahllosen Shops und bei Franchise-Partnern gibt es pro Monat (!) rund 400 neue Artikel und Produktlinien zu kaufen, die wiederum regelmäßig durch andere ersetzt werden. Kein Wunder, dass ältere, vergriffene Artikel zu echten Liebhaberstücken werden. Wer zum Beispiel die Gelegenheit hatte, eine der Stoffkatzen zu ergattern, die 1999 zum 25. Geburtstag von Hello Kitty in Deutschland verkauft wurden, sollte den Kuschel-Plüsch in Ehren halten: Sammler bezahlen für ein Exemplar der limitierten Edition rund 2.000 Euro.

Einen Bettgenossen ganz anderer Art hat Sanrio übrigens auch lizensiert: einen HK-Vibrator. Obwohl der putzige Massagestab eigentlich nur in Japan verkauft werden sollte und die Lizenz auch längst ausgelaufen ist, ist gerade in den USA der batteriebetriebene Lover der Superseller.
Dabei ist das Geheimrezept von Hello Kitty in Deutschland eigentlich genau das Gegenteil: süße Unschuld, pure Niedlichkeit. Das kleine Kätzchen ist das Gegengewicht zur schon in der Kindheit beginnenden Emanzipation: rosa Kleidchen sind pfui, Prinzessinnenkostüme out und Barbie sexistisch. Mädchen sollen möglichst rasch vernünftig und erwachsen werden, geschlechtstypische Eigenschaften weitestgehend unterdrücken. Somit ist Hello Kitty so etwas wie das Aushängeschild des neuen Feminismus’ geworden: Die Weiblichkeit steht dazu, es niedlich, kitschig und süß zu mögen. Und ein bisschen Luxus darf ruhig auch dabei sein. Wer dann aber doch die 35.000 Euro für eine diamantenverzierte Hello Kitty-Armbanduhr von Swarovski nicht im (HK)-Portemonnaie hat, greift zur günstigen und zeitlosen Verschönerungsvariante: ein Hello-Kitty Tattoo – seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass die kleine Katze immer mehr weibliche Tattoo-Fans ziert. Der klare Vorteil hierbei: Die zum Teil immensen Lizenzgebühren an Sanrio fallen nicht an. Außerdem geht das Hautbild im Gegensatz zu meiner Geldbörse nicht den Weg alles Irdischen – es bleibt Jahrzehnte erhalten. Einen Nachteil gibt’s allerdings auch: Tauschen oder gar Verkaufen dieses besonderen Sammlerstücks würde sich schwierig gestalten.
 
Herr der Ringe-Tattoos
   
 
Nicht erst seit Peter Jacksons Filmtrilogie erfreuen sich die Sagen rund um Sauron, Frodo und Gandalf einer großen und treuen Fangemeinde.

Text: Stephanie · Fotos: Archiv Tätowiermagazin

Der »Herr der Ringe« ist mehr als nur ein Buch. Sechs Bücher sind es eigentlich. Und trotzdem ergeben sie eine Gesamtheit, die gegen den ausdrücklichen Wunsch des Autors John Ronald Reuel Tolkien in den Jahren 1954 und 1955 als Trilogie erschien. Dass erst im Jahr 1969 die deutsche Übersetzung herauskam, hat dem enormen Beliebtheitsgrad des »High Fantasy«-Begründerwerks nicht geschadet – bisher sind weltweit etwa 120 Millionen (!) Exemplare des Herrn der Ringe über den Ladentisch gegangen. Doch was macht die große Faszination der Geschehnisse in Mittelerde aus?
Unter den zahlreichen Tolkien-Bewunderern gibt es immer mehr, die seine beeindruckenden Figuren nicht nur mehr auf dem Bildschirm, sondern auf der körpereigenen Leinwand, der Haut, betrachten möchten.
 
 














v.l.n.r.: Bemitleidenswert oder abscheulich? Gollum bzw. Sméagol hat zwei Seiten. Tattoo von Sauron Tattoo (P). Die »elbische« Sprache wurde von Tolkien selbst entwickelt. Ringschrift von Farbfieber Tattoo (Heusenstamm). Ein Ringgeist (Nazgûl); sie trugen einst als Könige der Menschen die Neun Ringe der Macht, verfielen jedoch der Macht des Einen und wurden zu Sklaven von Saurons Willen. Immortal Ink (Essex, GB)



Ein ganzes Universum
Es ist nicht nur die komplexe Story rund um den jungen Hobbit Frodo, der einen geheimnisvollen Ring – den »Einen« Ring – als Geschenk erhält und später erfährt, dass dieser das mächtigste Exemplar von insgesamt 20 Ringen der Macht ist. Frodo erhält die schier unlösbare Aufgabe, als Ringträger dieses Unheil anziehende Schmuckstück zu vernichten, entgegen dem Willen Saurons, der die Verkörperung alles Bösen darstellt und erst im Besitz des Rings zur Übermacht zurück findet. J.R.R. Tolkiens Werk erzählt längst nicht nur eben diese höchst emotionale Geschichte um Freundschaft, Ehre, Angst, Mut und Falschheit, die in epischer Breite beschrieben wird. Er hat mit Mittelerde ein Paralleluniversum geschaffen, in dem mehrere eigene Sprachen gesprochen werden (Tolkien war Sprachwissenschaftler), die er nach klang-ästhetischen Grundsätzen entwickelt hat. Ein umfassender Atlas bietet den Überblick über sämtliche Handlungsorte der genannten Städte, Dörfer, Gebirge, Flüsse und verschiedene Zeitalter werden in mehreren Büchern besprochen. Auf dieser Welt, die einer mit Mythen versetzten, verklärten Vision unseres Mittelalters relativ nahe kommt, leben

Menschen sterbliche und kurzlebige Geschöpfe mit wenig geistiger Anmut
Völker wie Elben unsterbliche, schöne und gütige Wesen mit großer Weisheit
Zwerge zähe kleine Kreaturen, die gewitzt und gierig sind und etwa 250 Jahre leben
Hobbits kleine, den Menschen nicht unähnliche Figuren, die fröhlich und lebenslustig sind
Orks Monster, die einst aus versklavten Elben gezüchtet wurden und andere sagenhafte Gestalten
 
 

v.r.n.l.: Saruman der Weiße, ehemals Anführer des Weißen Rates, nun aber den Versuchungen von Saurons Macht erlegen. Gestochen von Luigi Stopar (Varese, I). Ebenfalls kein Sympathieträger: Ein Ork aus der Nadel von Traitors Island (München). Aber es gibt sie auch, die Guten wie der Zwerg Gimli: Klein, etwas dicklich und immer einen dummen Spruch auf Lager. Gestochen von Utgard Tattoo (Berlin).



Wahrscheinlich sind es gerade die detailliert beschriebenen Handelnden, die den Herrn der Ringe zu einem absolut einzigartigen Erlebnis werden lassen. Doch obwohl das Menschliche und Unmenschliche sehr zeitnah zum Ende des Zweiten Weltkrieges niedergeschrieben wurde und der letzte Teil der Mittelerde-Saga laut Tolkien »Der Ringkrieg« heißen sollte (und nicht »Die Rückkehr des Königs«, dieser Titel verrät laut Ansicht des Autors zu viel über den Schluss des Buches) ist die Geschichte rund um Hobbits, Menschen, Elben und Orks keine Allegorie. In einer überarbeiteten Version von 1966 versichert Tolkien dies explizit: »Was die tiefe Bedeutung oder Botschaft des Buches angeht, so hat es nach Absicht des Autoren keine. Es ist weder allegorisch, noch hat es irgendeinen aktuellen Bezug. […] Der wirkliche Krieg hat weder in seinem Verlauf noch in seinem Ausgang eine Ähnlichkeit mit dem Krieg der Sage. Hätte er als Vorbild […] gedient, so hätte man sich des Rings sicherlich bemächtigt und ihn gegen Sauron verwendet; und Sauron wäre nicht vernichtet worden, sondern unterworfen und Barad-dur nicht zerstört, sondern besetzt.«

Ein filmisches Denkmal
Fantasy-Fans ist es nicht wichtig, ob der HdR nun ein mahnendes und beispiellos moralisches Werk darstellt oder ganz einfach, wie von Tolkien beschrieben, eine lange, den Leser fesselnde Geschichte. Sie lieben und verehren ganz einfach die Helden des Epos’, wie natürlich Frodo Beutlin oder Samweis Gamdschie, Aragorn, Gandalf und Legolas und verabscheuen das Böse in Gestalt von Sauron, Saruman oder den Orks. Kein Wunder, dass die erste, mit Menschen verfilmte Version des Buches von Peter Jackson sehnsüchtig, aber auch kritisch erwartet wurde. Denn lange Zeit galt der Herr der Ringe als unverfilmbar, Zeichentrickversuche erwiesen sich schnell als unzureichend. Doch das Unmögliche gelang: In insgesamt über sieben Jahren Arbeit schuf sich der Neuseeländer ein filmisches Denkmal. Die in über zwei Jahren Dreharbeit entstandene Trilogie bringt ingesamt beachtliche neun Stunden Spielzeit auf die Leinwand. Und die mittlerweile als DVD erhältlichen Filme sind ein Muss in jedem Player eines HdR-Anhängers. Doch auch unter den zahlreichen Tolkien-Bewunderern gibt es immer mehr, die seine beeindruckenden Figuren nicht nur mehr auf dem Bildschirm, sondern auf der körpereigenen Leinwand, der Haut, betrachten möchten. Was Jahrzehnte nur als individuelles Bild der eigenen Fantasie entschlüpfen konnte, hat seit der Filmtrilogie bekannte Gesichter – ob Elijah Wood als Frodo, LivTyler in der Rolle der Arwen, Andy Serkis brillierend im Gollum-Kostüm oder auch John Rhys-Davies in Gimlis harter Schale. Die zum Teil vor der Premiere noch relativ unbekannten Schauspieler wie beispielsweise Orlando Bloom (Legolas) wurden vom überdimensionalen Erfolg des Films überrannt. Doch die Angst, ein Leben lang nur noch als Frodo angesehen zu werden, verging nach einer Zeit des Abstandes, wie Elijah Wood in einem Interview gestand. Aber egal, in wie vielen Hollywoodstreifen er und seine Kollegen noch mitspielen oder ob sie irgendwann in der Versenkung verschwinden: Ihre Konterfeis werden als Hobbit, Elben & Co. auf den Häuten der Fans weiterleben!
 
Motive: Abgespaced – Weltraumtattoos
   
 
»Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Sprung für die Menschheit«, verkündete Neil Armstrong beim ersten Besuch auf dem Mond. »Ich seh den Sternenhimmel«, sang erfolgreich Hubert Kah. Die Worte »vor langer Zeit in einer fernen Galaxie« lassen die Herzen aller Sci-Fi-Anhänger höher schlagen. Keine Frage: Sie sind unter uns – die Weltraum-Fans.

Text: Stephanie · Fotos: Archiv Tätowier Magazin

»Houston, wir haben ein Problem!« Astronaut von Wolfgang Thomas, In Memoriam (Koblenz)



Kaum ein Thema beschäftigt uns seit Menschengedenken so intensiv wie unser Kosmos. Wie groß ist er, woraus entstand er, gibt es intelligentes Leben? Ist Bush ein Außerirdischer? Wer richtig Kohle hat, fliegt nicht mehr all inclusive nach Jamaika, sondern bucht ein Ticket fürs nächste Space Shuttle. Und wer etwas ganz Originelles verschenken will, landet mit einem Grundstück auf Mond, Mars oder Venus bestimmt einen Treffer. »Echtes Mondland – ein wundervolles Geschenk. Ab 28,95 Euro erhalten Sie ein dekoratives Zertifikat mit den exakten Koordinaten Ihres persönlichen Areals«, wirbt ein »Mondmakler« im Internet und empfiehlt die Geldanlage als »schönen Alterssitz«.
 

Wie sind den die drauf? Manche friedliebenden Aliens sind vom Buddhismus erleuchtet (tätowiert von Flavio Xavier, Mottled Skin, Bern, CH), andere wiederum aus Angst bis an die Zähne bewaffnet (Tattoo von Spaced Out Productions, Essen). So ein Alien ist halt auch nur ein Mensch …



Immerhin bleibt für alle, die kein All-Eigentum ihr Eigen nennen können noch der Blick in den Sternenhimmel. Ob romantisch zu zweit durchs geöffnete Cabrio-Dach, wissenschaftlich interessiert durchs Teleskop, oder sehnsüchtig in einer schlaflosen Camping-Nacht: Der Faszination von Sonne, Mond und Sternen sind wir ausnahmslos erlegen. Vielleicht hängt die ungebrochene Begeisterung damit zusammen, dass es uns Menschen trotz jahrtausendelanger Forschung und Kosten von annähernd ebenso unendlicher Größe wie die des Kosmos nur zu einem kleinen Teil gelungen ist, das Universum zu ergründen.
 

Die Star Wars Serie hat das Bild der Außerirdischen geprägt. Unverkennbar: Boba Fett von Mia del Maar, SFC Empire (Höhn) und Yoda von Pekarei Richard Schuh(Fischamend, A)



Häufig müssen sogar die mühsam erworbenen Kenntnisse nach neuen Informationen wieder umgestoßen werden. Seit letztem Jahr ist auch die bereits in der Grundschule vermittelte Eselsbrücke zur Planetenkonstellation in unserem Sonnensystem überholt (M-ein V-ater e-rklärt m-ir j-eden S-onntag u-nsere n-eun P-laneten; Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto), wobei der erste Buchstabe der Wörter jeweils für einen Planeten steht. Denn Pluto, so sind sich Wissenschaftler aufgrund verschiedener Erkenntnisse einig, erfüllt nicht die Kriterien eines Planeten und wurde somit aus der Reihe entfernt. Diese Degradierung wiederum brachte den USA ihr Wort des Jahres 2006 ein: »to pluto«, eine neue Wortschöpfung, die für abwerten, zurückstufen oder ausstoßen steht.

Verschwörungstheorien & Weltraumkrieg
Pluto wird somit kein Reiseziel und ein Flug zum Planeten Mars ist noch Zukunftsmusik. Doch die ersten Schritte auf Weltraumgestein haben wir dennoch längst hinter uns. 1969 war Neil Armstrong »der Mann im Mond« – und die ganze Welt schaute auf ihren Fernsehapparaten zu. Doch schon bald wurden Stimmen laut, die das ganze als großes Schauspiel bzw. »teuerste Filmproduktion aller Zeiten« der amerikanischen Regierung bezeichneten und die Authentizität des Filmmaterials anzweifelten. Statt auf der Mondoberfläche seien die Astronauten lediglich durch die Wüste Nevadas (siehe Kasten zu Area 51) geschlendert, ist die Meinung der Verschwörungstheoretiker.
 

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2007. Dies sind die Tätowierungen der Menschen, die der Faszination des Weltraums erlegen sind. Die Reise in ferne Galaxien (links) ist von Miss Nico, All Style Tattoo (Berlin) gestochen, das bunte Universum (rechts) von Frank, Nadelwerk (Konstanz).



Ob die Menschen 1969 nun wirklich den Weltraum geentert haben ist die eine Frage. Die andere, sicher nicht minder interessante ist: Gibt es im All Lebewesen außer Menschen und, wenn ja, haben sie möglicherweise schon die Erde besucht? Um die Vorstellung, unser Sonnensystem oder gar das Universum mit Außerirdischen zu teilen, ranken sich viele Geschichten – und unzählige Filme. Während Jodie Foster in »Contact« auf weise und freundliche Aliens trifft, geht es in Serien wie »Star Wars«, »Star Gate« oder »Raumschiff Enterprise« erheblich härter zur Sache. Auch Will Smith bekommt in »Independence Day« und den »Men in Black«-Streifen ordentlich was auf die Mütze. Da ist es sogar angenehmer, sich im Tattoostudio quälen zu lassen und die Begeisterung für alles zwischen Himmel und Erde auf diese ganz bodenständige und dennoch unendliche Weise zum Ausdruck zu bringen. Und wer sich im Schwimmbad oder in der Sauna mal wieder darüber ärgert, als tätowierter Erdling wie ein Alien begafft zu werden, den tröstet vielleicht ein Zitat des Mathematikers und Astronomen Johannes Kepler: »Allein, es schafft keine geringe Erleichterung, wenn ich bedenke, dass wir uns nicht so über die ungeheure, geradezu unendliche Weite des äußersten Himmels wundern müssen, als vielmehr über die Kleinheit von uns Menschen, die Kleinheit dieses unseres so winzigen Erdkügelchens.«


Berühmt-berüchtigt: die Area 51
In diesem Sperrgebiet im südlichen Nevada (USA), innerhalb eines großen Luftwaffenübungsgeländes, liegt die streng gesicherte militärische Anlage, die ihren Namen durch frühere Karteneinteilung erhielt und deren bloße Existenz noch vor einigen Jahren geleugnet wurde. Dass auf diesem Grund »besondere« Aktivitäten stattfinden, wird von Seiten der amerikanischen Regierung zwar zugegeben – aber eben nicht welche. Diese Geheimhaltung lässt zahlreiche, teils mehr, teils weniger glaubhafte Theorien zu:
>> dass innerhalb der Anlage außerirdische Flugobjekte (UFOs) inklusive toter oder lebendiger Besatzung untersucht werden
>> dass dort geheime Gespräche mit extraterrestrischen Lebensformen stattfinden
>> dass Geheimbünde wie die Illuminaten auf der Area 51 Zusammenkünfte abhalten
>> dass im Sperrgebiet außergewöhnliche Waffen, beispielsweise zur Wettermanipulation hergestellt werden
>> dass hier Requisiten, bzw. ein gesamtes Filmstudio gelagert werden, die zur angeblich nur inszenierten Mondlandung benötigt wurden.
 
Tattoo Avantgardismus – Skurrile Hautbilder
   
 
Tätowierungen sind von den Seemanns- und Knasterinnerungen schon seit einiger Zeit zu Kult-Accessoires und Trendobjekten aufgestiegen. Doch die Beliebtheit hat eine Nebenwirkung: Ein »Standard-Tattoo« ist längst kein Hingucker mehr. Da gilt nur eins: Wer auffallen will, braucht Fantasie!

Text: Stephanie · Fotos: Archiv Tätowier Magazin

Für die einen ist es Kunst, für andere die größte Gurke der Welt. Aber über Geschmack lässt sich eben streiten … Tattoo von Yann (Paris, F)



Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna? Einzig wollen wir sein, nicht artig; Individualität liegt im Trend, nicht nur in der Werbung. In ist, wer auffällt, in der Masse untergehen ist nur etwas für graue Mäuse. Schon allein das Faible für Buntes auf der Haut lässt die meisten Tätowierten sich eher in andere Kategorien einordnen, doch ist ein klassisches Oberarm-Tribal heute nicht unbedingt mehr ein visueller Magnet. Wer in Zeiten von multiplen Dermal Anchors, rückenfüllenden Cuttings oder implantierten Stirnhörnchen mit einer Tätowierung noch die Blicke auf sich ziehen möchte, muss in Sachen Motiv schon ein wenig mehr Gas geben.
 

Wie zum Teufel ist bitte der Tätowierer Richard von der Pekarai in Fischamend (A) drauf? Eine Mäusefamilie versammelt sich um eine Mausefalle, in der ein Joint steckt. Tststs …? Daneben ein Ausschnitt aus dem Bild »Snow White« von Mark Ryden. Gestochen von Marco Schmidgunst, El Dolorado (Wiesbaden).



Es gibt nichts, was es noch nicht gibt!
Bei aller Kreativität: Dem Ideal hinterher zu hecheln, ein Tattoo auf der Haut zu tragen, das kein anderer hat, ist beinah vergebliche Liebesmühe. Es gibt unzählige Tattoo-Ideen, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Geistesblitz vorher noch nicht in einem anderen Schädel eingeschlagen ist, ist ziemlich gering – und selbst wenn, wird ein wirklich aufregend-neues Tattoo-Design garantiert von weniger fantasiebegabten Menschen kopiert. Das ist natürlich eine ärgerliche Angelegenheit, aber kaum zu verhindern – drüber aufregen ist also nur bedingt sinnvoll.
 

Dieser Teddy hatte kein Glück. Er- äh, gestochen von Woody, wem sonst …
Kindlich naive Bauernhofszene von Lionel, Out of Step (F). Wir finden die Sau am besten.



Trotzdem ist es natürlich verständlich, dass die Träger außergewöhnlicher Tattoo-Designs die – auch vermeintliche – Einmaligkeit ihrer Tätowierungen erhalten möchten. Ebenso haben auch die kreativen Schöpfer der Kunstwerke, die Tätowierer, ein nachvollziehbares Interesse daran, am Stil der Artwork bereits als Urheber ausgemacht zu werden. So erkennt man beispielsweise schon auf den ersten Blick die kreative Heimat flippig-verspielter Tattoo-Spleens der französischen Künstler Lionel, Yann oder Navette.
 

Der Gag ist zwar nicht mehr so neu, funktioniert aber trotzdem noch. Gestochen von Ute, Palatine Tattoo (Pirmasens)
Schräges Flash von Navette.



Barcode oder Mausefalle
Um eine ausgefallene Tätowierung zu erhalten, ist natürlich nicht unbedingt die Fahrt gen Westen nötig. Mit einer klaren Motivvorlage kann auch der bodenständigste deutsche Tattoo-Artist – so er die nötigen handwerklichen Fähigkeiten besitzt – ein skurriles Hautbild kreieren. Doch ist es in diesem Fall sinnvoll, schon eine Vorstellung zu besitzen, was für ein Hingucker demnächst Arm, Bein, Bauch oder eben eine andere Körperstelle zieren soll. Schließlich muss die Tätowierung, egal wie flippig sie auch sein mag, zum Träger passen. Bei einem gegenständlichen Motiv wie zum Beispiel einer Mausefalle verbindet den Tattoo-Eigner vielleicht ein besonderes Erlebnis mit dem Nagetier. Zu einem Fashion-Victim, der seine Zeit am liebsten in den Outlets dieser Welt verbringt, passt eventuell ein Barcode. Auch körperliche Eigenarten, wie einen ausgeprägten Bauchnabel, Narben oder andere Auffälligkeiten können in ein Tattoo so eingearbeitet werden, dass ein einzigartiges Gesamtbild entsteht.

Fazit: Ein außergewöhnliches Tattoo ist ein zeitgemäßer, kreativer Hingucker. Einzigartig wird eine Tätowierung aber nur durch ihren Besitzer – nicht etwa umgekehrt ...
 
Motive: Tiki
   
 
Der Tiki ist zweifelsohne der Gewinner der jüngeren Tattoo-Geschichte. Kaum ein anderes Motiv feierte eine beeindruckendere Renaissance auf Menschenhaut. Bestimmte die knuffige Götzenskulptur in den Sechzigern noch die amerikanische Wohn- und Modekultur, verschwand er nach und nach von der Bildfläche. Nun ist er wieder da und mit ihm eine Vielzahl von fantasie- wie auch geheimnisvollen Tattoo-Ideen!

Text: Thorsten • Fotos: TM-Archiv

Ohne zu übertreiben kann man die Behauptung aufstellen, dass der Rockabilly-Style im Augenblick schwer im Schwange ist. Das betrifft Kleidung, Frisuren – und eben auch die Tattoo-Designs. Und an dieser Stelle kommt ein Motiv ins Spiel, das früher eher eine Seltenheit war, mittlerweile aber immer öfter tätowiert wird: Der Tiki.
Ohne Zweifel sind Tikis cool. Es fällt schwer, die zähnefletschende Ahnenfigur der Südsee nicht zu mögen, ein sympathischer Draufgänger, der Hotrod fährt, surft oder Cocktails liebt – zumindest in der Kunst. Doch woher stammt der hölzerne Frechdachs eigentlich und was hat ihn so populär gemacht?
 

Zwei sehr klassisch gestochene Tikis: Links von Robert, GCS Tattoo (Lampertheim) und rechtsvon Dan Sinnes, Diablo Tattoo (L).



Hierzu gibt es einige Varianten, einige ähneln der abendländischen Adam und Eva-Version, andere wiederum sind einigermaßen hanebüchen und erinnern eher an alkoholgeschwängerte Lagerfeuer-Erzählungen. Sicher ist, dass der Tiki seinen Ursprung im Südseeraum hat. In der Sprache der verschiedenen Völker bedeutet der Name soviel wie »Mann«, »Mensch« oder auch »erster Mensch«. Der Marquesa-Legende nach erschuf der Gott Tane zuerst einen Mann, den Tiki eben, und schuf dann eine Frau für ihn. In anderen Versionen der Westküste Neuseelands war Tiki der göttliche Sohn seiner Eltern Rangi und Papa, andere wiederum sagen, dass der erste Mensch gar eine Frau war. Auch gibt es eine Version, nach der Tiki der Penis des Gottes Tane war. Wie gesagt, unzählige Mythen kreisen um die Götterfigur, sie alle zu erzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Nur eine Geschichte soll hier noch erzählt werden, sie ist einfach zu gut bzw. abenteuerlich, und sie geht so – bitte anschnallen:
 

Freie und moderne Interpretationen: Motorisierter Tiki von Cpt. Obermeier, Serious Tattoo & Piercing (Mönchengladbach) und die kriegerische Variante von Frank vom Nadelwerk in Konstanz.



Tiki war einsam und sehnte sich nach einem Partner. Als er schließlich eines Tages sein Spiegelbild in einem Teich erblickte, verfiel er dem Glauben, jemanden gefunden zu haben und sprang hinein. Natürlich verschwand das Bild, was den Tiki verdrießlich stimmte und ihn dazu veranlasste, den Teich zur Strafe mit Erde zuzuschütten. Daraufhin gebar der Teich – welch biologisches Wunder – eine Frau. Mit dieser lebte der Tiki glücklich und in Unschuld, bis die Frau eines Tages durch den Anblick eines Aals in Erregung geriet. Diese Erregung sprang auf den Tiki über und es kam schließlich zum ersten Zeugungsakt der Menschheitsgeschichte.
 

Trommel-Tiki von Jean, Harai Tattoo (Gent, B).



Tikis sind in nahezu allen polynesischen Kulturen verankert, am meisten wird er heutzutage jedoch mit Hawaii in Verbindung gebracht, wo viele Statuen, aus Holz oder in Stein gemeißelt, noch heute von ihm zeugen. In die westliche Kultur hielt er erst nach dem Zweiten Weltkrieg Einzug, als amerikanische wie auch japanische Soldaten während der Kampfhandlungen im Pazifikkrieg in der Südsee mit den Eingeborenen-Kulturen in Verbindung kamen. In den USA kam es daraufhin zu einem regelrechten Südsee-Boom. Die Amerikaner waren es auch, die den Tiki, wie wir ihn heute kennen, entwickelt haben. Ähnelten die Ur-Tikis noch eher den Steinskulpturen der Osterinseln, machten die Amis das Design etwas poppiger und knuffiger. Es entstand die Karikatur des knuddeligen Macho-Typs, der es sich gut gehen lässt und am Strand leichtbekleideten Damen nachstellt. Die Tiki-Mode und Südsee-Begeisterung übertrug sich auch auf die Musik (Exotica-Musik von Les Baxter, Martin Denny uva.), beeinflusste die Mode und vor allen Dingen die Architektur. Bars im polynischen Stil waren äußerst beliebt, auch die Wohnhaus- und Hotel-Architektur war betroffen. Man trank aus Tiki-Mugs und trug als Schmuck Südsee-Replika. Der Höhepunkt des Tiki-Booms war sicherlich 1959, als Hawaii der 50. Bundesstaat der USA wurde.

In den Siebzigern ebbte, vermutlich wegen der Hippie-Bewegung, der Boom ab, um schließlich Ende der Neunziger ein weltweites Revival zu feiern. Besonders in den letzten Jahren wurden Tiki-Designs immer beliebter, besonders in anfangs erwähnter Rockabilly-Szene. Man sieht in auf T-Shirts, Jacken und auch die Tiki-Mugs sind im Zuge der Retro-Welle als Cocktailbecher auf Parties wieder sehr beliebt. Zu Recht. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Als Tattoo-Motiv kann er dank seiner symmetrischen Form beispielsweise tribalesk dargestellt werden. Noch schöner wirkt der Tiki allerdings, wenn er in Farbe gehalten mit Blumen und Früchten ausgeschmückt wird, auf einem Surfbrett die Welle reitet oder in einem coolen Auto sitzt. Manche Tätowierer tauchen in gerne in ein geheimnisvolles Licht oder versehen in gar mit einer feinen Holz- oder Steinstruktur. Auch gibt es Versionen, in denen er Hawaii-Hemden oder auch Lederjacken trägt. Kurzum: Der Tiki ist eine Art Allrounder, ein cooler Typ, der gut ankommt. Eine lange, geschichtsträchtige Kultur lebt so auf der Haut der Menschen weiter – ganz so, als hätte der Tiki-Gott sich selbst nicht erlaubt, einfach so von der Bildfläche zu verschwinden.
 
Sacred Heart
   
 
Das Herz - Zentrum der Gefühle
Das Herz ist unser emotionales Zentrum.

Mit ihm assoziieren wir negative sowie positive Gefühle und eben ganz besonders die Liebe. Ohne unser Herz können wir nicht leben und ohne die Liebe eben so wenig. Wenn wir unser Herz an jemanden verschenken, ist das ein Beweis dafür, wie wichtig uns dieser Mensch ist und wie sehr wir an ihm hängen. Sind wir unglücklich verliebt, sprechen wir von einem gebrochenem Herzen, sind wir unheimlich aufgeregt, hüpft unser Herz vor Glück und manchmal kann es uns eben auch mal gehörig in die Hose rutschen. Rein physisch ist das alles natürlich kaum möglich, aber schon lange sehen wir in unserem Herzen mehr als nur ein lebenswichtiges Organ. Schaut man sich mal um, lassen sich Herzen als Symbol eigentlich überall entdecken. Mädchen tragen auf ihren T-Shirts Herzchen spazieren, jeder verschenkt gern mal Schokoladen-Herzen und für das Büro gibt es rosa Post-Its in Herzform. Ja, sogar beim Bäcker lässt sich die ein oder andere herzliche Leckerei finden. Auch Organisationen die einen guten Zweck verfolgen, wie etwa "Ein Herz für Kinder", bedienen sich gerne des klassischen Herz Motivs. Das Herz im Logo appelliert an das Gute im Menschen und wird von uns automatisch mit einer guten Sache assoziiert.


Text: Tanya Knobloch • Fotos: Archiv TätowierMagazin

Die Geschichte des Sacred Heart
Bei all diesen Sachen handelt es sich um ein Abbild des Herzens in seiner reinen Form, das heisst ganz ohne Geschnörkel, lediglich der simple Umriss. Es gibt aber auch andere Variationen des Herz-Motivs, wie zum Beispiel das Sacred Heart. Ein flammendes Herz, durchbohrt von einem Dolch, umschlungen von einer Dornenkette und gekrönt von einem Kreuz‚ eine typische Darstellung des Sacred Heart. Obwohl der Grundgedanke der Bewegung schon viel älter ist, lässt sich die endgültige Bedeutung und Anerkennung des Sacred Heart auf das späte 17. Jahrhundert und Marguerite Marie Alacoque, einer französischen Nonne aus dem kleinen Örtchen Lauthecour zurückführen. Es wird erzählt, dass ihr auf Grund ihres fromm und fehlerfrei geführten Lebens, Christus in mehreren Visionen erschienen ist. Genau in einer solchen Vision zeigte er Marguerite Marie auch sein durchbohrtes und brennendes Herz, welches heute als Sacred Heart bezeichnet wird. Er befahl ihr den Menschen von seiner bedingungslosen Liebe zu unterrichten, sie aufzuklären und zu lehren. Sein Wunsch war es nicht nur geliebt zu werden, sondern auch seine eigene Liebe unter den Menschen zu verteilen. Marguerite Marie nahm sich dies zu Herzen und begann ihren nicht ganz einfachen Aufklärungszug. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Beweggründe des Sacred Hearts vollkommen von der Kirche akzeptiert und anerkannt. Das Herz wurde von nun an als Zentrum der Kommunikation zwischen Irdischem und Göttlichem wahrgenommen.

Altbewährtes - Sacred Hearts als Tattoos
Das Sacred Heart als Tätowierung ist bei weitem keine Modeerscheinung der letzten paar Jahre, sondern ein klassisches und traditionelles Tattoo. Die einzelnen Elemente, die das Sacred Heart ausmachen, sind so alt wie die Menschheit selbst. Von Dolchen durchbohrte Herzen ließen sich schon zu früheren Zeiten die Matrosen auf den Arm inken und auch Kreuze und Flammen gehörten zu den beliebten Motiven die Sailor Jerry einst seinen Kunden auf die Haut stach. Oft wurden diese Sacred Hearts von einem Spruchband mit persönlicher Widmung oder anderen typischen Seemanns-Favoriten wie Schwalben und Anker begleitet. Auch heute ist diese Old School-Variante sehr populär, auch wenn die neuen Techniken und Farben zu schrägeren Interpretationen einladen. Bei moderneren Sacred Heart Tattoos kann es durchaus vorkommen, dass statt der dunkelroten Herzen des Old Schools, ein grell pinkes Herz gewünscht wird, um das ein neongrüner Dornenkranz windet. Auch die Form des Motivs kann sehr verschieden sein. Während früher noch auf eine möglichst realistische Darstellung Wert gelegt wurde, sind heute der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Da gibt es kunstvolle Interpretationen, die das Sacred Heart als kubistisches Werk darstellen oder Graffiti und Comic Versionen mit dicken Outlines und knalligen Farben. Fest steht, dass das Sacred Heart in welcher Form auch immer, auch in Zukunft den Weg auf manch einen Oberarm, Bauch oder Rücken finden wird.

Melancholisch, religiös und tiefblickend in einem. Andy's Tattoo-Studio (Kitzingen)



Symbol der Stärke
Dass Sacred Heart-Tätowierungen für Christen eine hohe und kraftvolle Bedeutung haben, dürfte klar sein. Aber auch bei Menschen, die einer anderen oder gar keiner Religion angehören, gilt dieses Motiv als sehr beliebt. Teilt man es in seine Einzelteile auf, lassen sich schnell Bedeutungen für die einzelnen Elemente des Sacred Heart finden. Das Herz repräsentiert die Liebe und das Leben, das spirituelle Zentrum eines Menschen. Das lodernde Feuer steht für die Leidenschaft einer Person oder einer Liebe, während die Dornen dem Schmerz gelten der oft mit Liebe und Leidenschaft verbunden ist. Natürlich gibt es auch viele persönliche Interpretationen dieses Motivs. Manch einer lässt sich ein Sacred Heart nach einer schwierigen Lebensphase als Erinnerung an die eigene Kraft stechen, ein anderer als Symbol der immer währenden Liebe, in guten wie in schlechten Zeiten. Wiederum Andere mögen einfach nur die visuelle Kombination der verschieden Elemente. Ob als Zeichen der religiösen Hingabe oder Bild des Muts, ob klassisch oder individuell gestaltet und gestochen, das Sacred Heart ist und bleibt ein Symbol der Stärke.
 
Eine Geschichte von Missverständnissen
   
 
Ihre Herkunft, Bedeutung und eine Geschichte von Missverständnissen …

Text: Dirk-Boris, Bilder: Archiv TätowierMagazin??Japanische Tattoo-Motivebereichern seit über hundert Jahren auch die Vorlagenbücher westlicher Tätowierer. Bereits als Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Seeleute und Weltreisende Tätowierungen von Drachen, seltsamen Masken und grimmig dreinschauenden Kämpfern nach Hause brachten, beeilten sich auch Tätowierer in den Hafenstädten Europas und Amerikas, um ihrer Kundschaft die angesagten exotischen Motive anbieten zu können. Was die Motive zu bedeuten hatten, wusste damals hierzulande kaum einer so genau. Denn den westlichen Kunden japanischer Tätowiermeister fehlte es oft an Sprachkenntnis, um sich über Inhalt und Bedeutung der angebotenen Bilder und Symbole kundig zu machen, und so behalf man sich damit, die Motive selbst so gut zu interpretieren, wie man es eben vermochte.
 

Kaum wiederzu erkennen: Im Vorlagenalbum des Hamburger Tätowierers Wahtlich ist aus der Göttin Kannon eine Geisha geworden, die etwas unmotiviert vor einem Drachen ‘rumsteht. Beim zweiten Motiv von Warlich muss der Betrachter seine Fantasie bemühen: Wahrscheinlich handelt es sich um eine Hannya-Maske.



Heraus kam dabei in der Regel ziemlicher Unfug, der für viele Mythen und Halbwahrheiten verantwortlich ist, die bis heute das Bild der japanischen Tätowierkunst im Westen prägen. So wusste zum Beispiel im Westen natürlich niemand, dass die Frauengestalt, die in Japan am häufigsten tätowiert wird, die Boddhisattva Kannon darstellt, die Göttin des Mitgefühls und der Barmherzigkeit. So kam es, dass die Fremden Darstellungen von Kannon als Abbildungen von Geishas oder gar Freudenmädchen fehlinterpretierten – denn man sieht ja immer nur das, was man bereits kennt. Selbst der amerikanische Tätowierer Sailor Jerry Collins, der sich in den 60er Jahren in regem Briefaustausch mit dem japanischen Tätowiermeister Horihide befand, machte bei seinen eigenen Tattoovorlagen von der Göttin Kannon von einer Menge künstlerischer Freiheit Gebrauch – und stellte sie mit einer Opiumpfeife dar. Motive wurden also im Lauf der Jahrzehnte immer wieder nach westlichem Geschmack und westlichem Verständnis »umgebaut«, ähnlich wie es ja bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit den Tattoo-Motiven der Südsee praktiziert wurde: während auf den Inseln Polynesiens vorwiegend abstrakte Tribal-Muster tätowiert wurden, bevorzugten westliche Seeleute Bilder von Hula-Mädchen mit Bast-Röckchen neben einer Palme. Diese galten in den Häfen der Welt dann als »Südsee-Motive« und als Beleg für die lange Seereise, obwohl derartige Bilder von Südsee-Insulanern selbst natürlich nie tätowiert worden waren.

Der Blumenmönch gehört zu den vier Helden des Suikoden, die im Originaltext mit Tätowierungen beschrieben werden. Gestochen von Andy (Mystery Touch,A).



Auch mit Darstellungen der tätowierten Rebellen aus dem chinesischen Roman Suikoden konnten Westler nicht viel anfangen. Die aus China stammende Suikoden-Erzählung berichtet von 108 teilweise tätowierten Rebellen, die sich gegen eine korrupte Aristokratie auflehnen. Japanische Handwerker, Feuerwehrmänner und Bauarbeiter trugen Bilder dieser Rebellen als Tätowierung, um damit ihre Ablehnung gegen die ungeliebte Militärdiktatur der Tokugawa-Shogune auszudrücken. Amerikanische und europäische Besucher wussten von diesem politischen Hintergrund und der in den Tattoos enthaltenen aufrührerischen Haltung natürlich nichts und sahen in den Abbildern der Rebellen die Darstellung heroischer Samurai – und verkehrten damit die Aussage der Motive ins genaue Gegenteil, denn schließlich verkörperten die bornierten Samurai mit ihren Sonderrechten in den Augen der einfachen Leute das verhasste Militärregime.
 

Zwei Kriegerdarstellungen: Links ein chinesischer Dämonenjäger für Chris (Black Bite Tattoo), rechts ein Samurai von Rene Mannich (Slams Tattoo). Das linke Motiv entspricht einem klassischen japanischen Tattoomotiv, das rechte hat mit japanischer Tätowierkunst im traditionellen Sinne nichts zu tun was in diesem Falle möglicherweise auch gar nicht beabsichtigt war.



Dementsprechend ist übrigens auch die verbreitete Annahme, dass nur Samurai sich mit Ganzkörper-Tattoos dekorieren liessen, völlig falsch – ganz im Gegenteil waren Tätowierungen unter der Kriegerklasse völlig verpönt.

Motive wie die beiden Drachen (oben im Bild) wurden von japanischen Tätowierern gegen Ende des 19. Jahrhunderts speziell für ausländische Kunden entworfen, Unten eine Szene, die einen Ausländer während des Tätowierens zeigt (Tattoo Museum Yokohama).



Aber an Authentizität Jund tieferem Verständnis der Bilder war der westlichen Tattoo-Kundschaft in Japan auch nicht gelegen. Besuchern aus dem Ausland ging es lediglich um ein eindrucksvolles Souvenir, welches sie zuhause – je nach sozialem Stand – in der Hafenkneipe oder im noblen Herrenclub vorzeigen konnten. Schon allein dieser Umstand bedingte, dass westliche Besucher sich nie ein traditionelles Ganzkörper-Tattoo stechen lassen konnten, denn das hätte viel zu viel Zeit in Anspruch genommen. Entsprechend boten japanische Tätowierer ihrer ausländischen Kundschaft auch andere Designs an als ihren einheimischen Kunden, nämlich kleinere Einzelmotive, die man in wenigen Sitzungen tätowieren konnte. Die relativ komplexen Geschichten, die sich hinter den »echten« japanischen Tattoos verbargen sowie das komplexe System im Aufbau einer Ganzkörpertätowierung blieb den ausländischen Besuchern somit lange Zeit verborgen und es setzte sich die Ansicht durch, bei japanischen Motiven handele es sich eben um relativ willkürliche Zusammenstellungen von Drachen, Kirschblüten und Kriegerfiguren. ?

In dieser Form wäre die Hannya-Maske in Japan nicht tätowiert worden. Diese schön gestochene Hannya-Maske entspricht zwar dem Bildgut der japanischen Tätowiertradition, jedoch nie in ihrer Funktion als Noh-Maske, denn dieses Theater war dem Adel vorbehalten, was dem einfachen Volk zu versnobt war. Was einen Europäer aber auch nicht stören muss, wenn er den ästhetischen Aspekt der Motive im Auge hat und nicht Authentizität anstrebt.



Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn jeder japanischen Tätowierung liegt eine Geschichte, eine Legende sowie eine dem Hauptmotiv streng zugeordnete Bildkomposition zugrunde. Tätowiermeister Horiyoshi III beschreibt das Konzept einer Ganzkörpertätowierung so: »Man muss sich das gesamte Tattoo so vorstellen, als ob man die Haut abzieht und sie als ein großes Bild ansieht; alles in diesem Bild muss logisch zusammenpassen und in Bezug zum Hauptmotiv auf dem Rücken stehen.« Dementsprechend hat es nur verhältnismässig wenig Sinn, Motive wie Blüten, Tiere und Symbole einzeln zu analysieren, denn nicht nur die Bedeutung einzelner Komponenten ist für eine japanische Tätowierung entscheidend, sondern deren Kombination, die den überlieferten Vorgaben aus Heldensagen, buddhistischen Erzählungen oder Geistergeschichten entsprechen muss. Das bedeutet, dass ein japanischer Tätowierer also zunächst sämtliche gängigen japanischen Legenden, Märchen, historische Erzählungen und religiöse Überlieferungen und Mythen kennen muss, bevor er sich der Bedeutung einzelner Motive widmet – denn ein und dasselbe Motiv kann je nach dem Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen haben. In Zusammenhang mit der eingangs erwähnten Göttin Kannon beispielsweise ist der Drache quasi ein Diener der Göttin, der sie durch die Lüfte trägt zu denen, die ihrer Hilfe bedürfen. In der Geschichte von Tamatori Hime, der Perlentaucherin, wird diese dagegen vom Drachenkönig und seinem Heer von Meeresungeheuern verfolgt, dem sie zuvor seinen Schatz geraubt hat. Dieses Beispiel zeigt, dass das gleiche Motiv je nach Geschichte unterschiedliche Rollen spielen kann. Eine fallende Kirschblüte kann innerhalb einer Tätowierung lediglich die Jahreszeit anzeigen (Frühling), kann aber auch die Vergänglichkeit alles Irdischen symbolisieren und beispielsweise den nahen Tod eines abgebildeten Helden ankündigen. Neben diesen sehr spezifischen Inhalten, die sich Westlern ohne intensive Beschäftigung mit japanischer Kultur und Geschichte kaum erschliessen, muss ein Ganzkörpertattoo auch grundlegenden Regeln der Logik folgen; so kann beispielsweise niemals Wasser oberhalb von Erde oder Luft angeordnet sein (ausgenommen Wasserfälle). Es wäre also völlig unmöglich, beispielsweise einen Falken auf dem Bein und Fische auf den Armen zu tätowieren. Auch die jahreszeitlichen Abläufe in der Natur spielen in der japanischen Kultur allgemein und bei Tätowierungen im besonderen eine wichtige Rolle: symbolisiert werden sie durch bestimmte Pflanzen oder Tiere, also beispielsweise wie bereits erwähnt durch fallende Kirschblüten im Frühling, fallendes Laub im Herbst, Karpfen, die im Frühjahr zu ihren Laichgewässern stromaufwärts schwimmen und so weiter – daher können stromauf schwimmende Karpfen beispielsweise nicht mit fallendem Herbstlaub kombiniert werden.?

Drache und Karpfen gehören wohl zu den bekannstesten japanischen Tattoo-Motiven. Diese isolierte Darstellung auf dem Oberarm wäre für ein traditionelles japanisches Irezumi unangebracht, aber zum einen Leben wir in Deutschland und zum anderen, will nicht jeder gleich einen Bodysuit, nur weil er die Motive schön findet. Gestochen von Chris Pack (Seven Star Tattoo).



Es wird deutlich: Japanische Tattoo-Motive zu deuten funktioniert nicht einfach nach Gleichungen wie Drache = Glück, Karpfen = Kraft, Schildkröte = langes Leben. Ein umfassendes Verständnis für die vielen Motive auf ihren verschiedenen Bedeutungsebenen, eingebettet in unterschiedliche Sinnzusammenhänge ist ohne intensive Beschäftigung mit japanischer Geschichte, Kultur, Religion und Folklore kaum möglich. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, wie tief und umfassend das Verständnis eines Westlers für japanische Bildinhalte sein muss, wenn er ohnehin nur einen Arm oder lediglich eine Brustseite mit solchen Motiven schmückt – was sowieso von vornherein schon nicht dem japanischen Ideal einer klassischen Ganzkörpertätowierung entspricht. Sicher ist ein gewisser Respekt und ein Bemühen um ein Verständnis anderer Kulturen, derer Motive wir uns bedienen, zu begrüßen. Aber angesichts der Tatsache, dass sich auch hierzulande Tattoo-Fans traditionelle Designs wie Dolche & Schlange (ein klassisches Racheschwur-Motiv) oder selbst Spruchbänder wie »Death before Dishonour« lediglich als Zitat eines Stil-Genres stechen lassen ohne einen Bezug zum Inhalt des Motivs herzustellen, scheint es auch verzeihlich, wenn man sich eben Drache, Karpfen und Schildkröte tätowieren lässt, um damit einfach seinem Wunsch nach Glück, Kraft und einem langen Leben Ausdruck zu verleihen. Und wann fliegt ihr denn das nächste Mal nach Japan um z.B. in einem traditionellen Badehaus eure Tattoos von einem Meister der traditionellen japanischen Tätowierkunst inspizieren zu lassen? Zumal selbst japanische Tätowiermeister solch strenge Massstäbe hinsichtlich inhaltlicher Stimmigkeit lediglich an eigene Werke oder die ihrer japanischen Kollegen anlegen, aber keineswegs von Ausländern erwarten würden, dass deren »Japan-Style Tattoos« auch wirklich authentisch sind.
 
Motive: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose …
   
 
Die Rose ist eine besondere Blume. Mehr als alle anderen Blütengewächse steht die »Königin der Blumen« für die Liebe – oder wer würde bei einem Liebesschwur anstelle eines Rosenbuketts einen Stiefmütterchenstrauß aus dem Ärmel ziehen? »Auf Rosen gebettet« ist jemand, dem viel Liebe zuteil wird, »rote Rosen« soll’s nur für jemand »regnen«, der glühend verehrt wird. Kein Wunder, dass die Rose daher auch gern auf der Haut gesehen wird.

Text: Maitreya | Fotos: Archiv TätowierMagazin

Die stachelige Schönheit
 

Immer noch ein aktuelles Tattoo-Motiv: Mit Schädelchen von Dave Tedder und mit Herz und Flammen von Joe Harrison.



Schönheit und Anmut sind die vorrangigen Attribute, die man mit der Rose verbindet. Doch die duftende Hübsche hat ihre Tücken. »Keine Rose ohne Dornen«, heißt es und soll bedeuten, dass alles Schöne auch seine Schattenseiten hat. Im übrigen verbirgt sich in dieser Aussage aus botanischer Sicht ein Fehler: Rosen haben keine Dornen (die aus dem Stamm einer Pflanze entstehen und eine Art Ast darstellen) sondern Stacheln!
»Das Heideröslein« gehört zu der populärsten Goethe-Lyrik. »Sah ein Knab ein Röslein stehn … war so jung und morgenschön … Knabe sprach: Ich breche dich, dass du ewig denkst an mich …«. In dem Gedicht steht die Rose metaphorisch für ein junges Mädchen. Dem begierigen »Pflücker«, der sie bricht und damit ihre Unschuld raubt, weist sie in die Schranken und »sticht« ihn. Damit steht sie für die unberührbare Schönheit, die man sich nicht ohne weiteres aneignen kann, sondern die zur eigenen Abwehr mit speziellen Mitteln ausgestattet ist. Der »Rose« in Goethes Gedicht nützt es letztendlich nichts, »der wilde Knabe« bricht sie und nimmt den Stich in Kauf …

Ein erotisches Symbol

Die Rosenranke: erotische Symbolik, Tattoo von Tattoo Exotica (Hamburg). Sexy: Rose im Tattoo-Strumpfband, gestochen von Dan, Pendel Tattoo (Ilmenau)



Die Rose steht für Liebe und Unschuld, aber auch im erotischen Kontext wird sie gern thematisiert. So werden in der Lyrik die Brüste junger Frauen mit Rosenknospen verglichen, ihre Zurückhaltung wird als »rosenblattkühl« bezeichnet, reife Frauen sind wie »vollerblühte Rosen«.
Auch in Hinblick auf käufliche Liebe spielte die Rose eine Rolle. Stadtviertel, in denen die Freudenmädchen wohnten, hießen früher auch »Rosenwinkel«. Bordelle wurden »Rosenbad« genannt und Männer, die diesen Etablissements Besuche abstatteten, bekamen die Bezeichnung »Rosengäßler«. Aufgegriffen wurde die Thematik des Rosenbades erst unlängst in dem Film: »American Beauty«, in dem ein Schulmädchen einen Familienvater betört. In einer Szene des Filmes hat dieser eine erotische Phantasie von ihr: sie liegt nackt in einem Meer roter Rosenblätter ...
 

Klassisch in Farbe (von Normans Tattoo, Bottrop) oder in Schwarz/Grau (von Tattoo Studio Erfurt)



Erotische Massage-Öle werden bevorzugt mit Rosenduft angepriesen und Nahaufnahmen von sich öffnenden Rosenblüten sind nicht nur ästhetisch sondern im übertragenen Sinne auch sehr sinnlich gedacht – die übereinander gelagerten Schichten der Rosenblätter haben ja durchaus Ähnlichkeiten mit einer Vagina. In Gedichten werden die Schamlippen ebenfalls gern als »Rosenlippen« umschrieben, die wie »Rosenblätter« ihr »Geheimnis umschließen« …

Geheimnisse und Bünde
Wenn man im Mittelalter etwas Geheimes sagen wollte, sprach man »sub rosa«. In den Wirtshäusern hingen oft Rosen unter der Decke, als Erinnerung daran, dass man nichts ausplaudern soll, worüber in diesem Raum gesprochen wurde. In Beichtstühle wurden aus diesem Grunde auch gern Rosen geschnitzt. Auch in der freimaurerischen Symbolik spielt die Rose eine bedeutsame Rolle. Bei der Beerdigung eines Bundesbruders werden ihm drei Rosen mit ins Grab gelegt, diese werden als »Licht, Liebe und Leben« gedeutet. Selbst manche Logennamen weisen auf die Rolle der Rose bei den Freimaurern hin: So die Hamburger Loge »Zu den drei Rosen« oder ein Symbol der Freimaurer, eine Rose, die auf einem kreuzförmigen Stamm wächst und den Bienen Honig spendet.


Rosen, auf der Haut erblüht
 

Bricht gerne mal ein Herz: die stachelige Schönheit mal ganz einfach Oldschool von Tattoo von King of Kings (NL) und verspielt (Tätowierer unbekannt).



Die Rose gehört mit zu den beliebtesten Tattoo-Motiven und wird sowohl gern realistisch, als auch abstrahiert oder im Traditional-Style umgesetzt. Gerade bei letzterem werden oft Übergänge von schwarzen in farbige Schattierungen eingesetzt, die den Blumen eine schöne, satte und plakative Optik bringen. In Kombination mit typischen Traditional- oder New-School-Elementen wie Herzen, Schlüssel, Blutstropfen u.ä. sind sie gern gewählte Motive, aber auch als die Rose allein, sofern sie nicht zu klein geraten ist, ist ein wunderschönes Einzelmotiv. Manchen reicht eine nicht und sie lassen sich mit ganzen Rosenranken schmücken – eindeutig sind es hier Frauen, die diese Motivwahl bevorzugen. Die erotische Komponente der Rose, aber auch einfach ihre Schönheit, der Bezug zur Liebe und vielleicht auch ihre etwas geheimnisvolle Aura sind die Gründe, die die Rose seit Beginn der Tattoo-Zeiten als ewigen Evergreen erblühen lassen.
 
Motive: Katzen
   
 
Sie ist launisch, verschlossen und manchmal kratzbürstig – aber wir lieben sie: die Katze. Denn sie hat auch andere Seiten, kann samtig-verschmust und schnurrend in unserem Schoß liegen und sich kraulen lassen oder verzückt uns einfach durch ihr geschmeidiges Auftreten und ihre schönen, rätselhaften Augen. Und dass sie ihre Launen hat, verleiht ihr letztendlich den Touch einer Diva.

Text: Maitreya | Fotos: Archiv TätowierMagazin

Die einen verehren sie, die anderen haben Allergien ausgebildet – Hauskatzen sind und waren nicht immer gleichermaßen beliebt. In dieser Variante von Frank, Nadelwerk Konstanz, als Madonna mit Fisch-Heiligenschein muss man sie aber lieben.



Inspiration und Liebesempfänger
»Wenn meine Augen, die diese geliebte Katze magnetisch auf sich lenkt, gehorsam sich wenden und ich dann nach innen blicke / So seh ich mit Erstaunen das Feuer ihrer bleichen Augensterne – Leuchtzeichen, lebende Opale – die mich anschaun, unverwandt.« Mit diesen Worten hat der französische Dichter Claude Baudelaire seinem Haustier gehuldigt, und er ist beileibe nicht der einzige. Wunderschöne Gedichte und Romane, wie »Die Katze mit den Bernsteinaugen« oder »Honourable Cat« sind zahlreich, in denen ein Wesen die Hauptrolle spielt: die Katze. Kaum ein anderes Tier wird von vielen Menschen so geliebt, bewundert, verehrt und respektiert wie der kleine geschmeidige Jäger mit dem samtweichen Fell und den geheimnisvollen Augen – und kaum ein anderes Tier erfährt in der Literatur ähnliche Beachtung.

Kleine Göttinnen: Katzen in Ägypten
Aber auch die verschmuste Hauskatze stammt von wilden Tieren ab, obwohl bei ihr, im Gegensatz zum Hund noch viele Wesensmerkmale der Ungezähmtheit verblieben sind. Bereits 2000 vor Christus wurden Katzen in Altägypten aus der nubischen Falbkatze domestiziert. Auch in der ägyptischen Götterwelt tauchten die kleinen Raubtiere auf, eine der ältesten Abbildungen ist im »Totenbuch« zu finden, in dem der Kater des Sonnengottes der bösen Apophis-Schlange den Kopf abschlägt. Später wurde auch eine Göttin mit einem Katzenkopf versehen und zwar die Katzengöttin Bastet, die in früheren Abbildungen einen Löwenkopf trägt. Sie wurde als Beschützerin des Hauses, der Mütter und Kinder verehrt. In Griechenland und im römischen Reich wurde der Katze auch eine Bedeutung als Attribut der Göttin Diana zuteil.

Auf Krawall gebürstet: Sebastian von Sign of Liberty (Berlin) hat diesen Kater in den Straßenkampf geworfen.



Mittelalter: Düstere Epoche für Miezen
Allerdings hatten Katzen nicht immer ähnlich hohe Beliebtheitswerte und waren vor allem im Mittelalter mit äußerst negativer Symbolik belastet. In Zeiten der Inquisition und den Machtspielen zwischen weltlichen und geistlichen Kräften galten die Katzen als »Hilfsgeister« der Hexen, die oft auf schwarzen Katern zu ihren Sabbatfeiern geritten sein sollen. Ihre Augen, die auch in fast völliger Dunkelheit noch sehen können, brachten sie in den Ruf, mit den Mächten der Finsternis verbündet zu sein, außerdem wurde in ihnen ein Symbol der Lüsternheit und Grausamkeit gesehen.
Bis in die heutige Zeit hat sich ein Rest dieses Aberglaubens gehalten. Wer kennt es nicht, das ungute Gefühl, wenn vor einem eine schwarze Katze von rechts nach links über den Weg läuft: Der alte Mythos der unglückbringenden Katze steckt auch heute noch in vielen von uns.
 

Ob realistisch oder im Comicstyle – vor keinem Stil machen Katzenfreunde halt.



Vom Unglücksbringer zum Stubentiger
Das negative Bild der Katze hat sich zum Glück in der heutigen Zeit komplett gewandelt: Mit ihr werden hauptsächlich positive Assoziationen verbunden und sie gehört mittlerweile mit zu den beliebtesten Haustieren. Vor allem wegen ihres geschmeidig-schönen Aussehens, ihrem kuscheligen Fell und der starken Persönlichkeit einer jeden Katze stehen die Samtpfoten bei uns so hoch im Kurs. Die Tatsache, dass man sie nicht bei Wind und Wetter Gassi führen muss, sondern dass die Katzen als reine »Stubentiger« gehalten werden können, ist sicherlich auch ein Grund dafür – obwohl man damit das Grundbedürfnis der Katzen, nämlich frei zu sein, oft missachtet.

Gerne tollpatschig: Katzen im Comic
Katzen stehen bei Comic-Zeichnern immer hoch im Kurs, schneiden dabei allerdings nicht immer besonders gut ab. So ist Kater Tom, der Gegenspieler des listigen Mäuse-Sympathieträgers Jerry, immer derjenige, der am Ende als der Dumme dasteht. Auch die Walt Disney-Kreation Sylvester muss sich vom sadistischen Küken Tweety einiges gefallen lassen – unbefriedigenderweise wird dem armen tollpatschigen Kater auch niemals die Gelegenheit gegeben, seinen Rachefeldzug zu beenden. Filme wie »Aristocats« oder »Oliver & Co« möbeln das Image der gezeichneten Kätzchen und Katerchen hingegen wieder etwas auf und zeigen sie als liebenswerte Wesen. Auf den Niedlichkeits-Faktor wird auch bei der Hello Kitty Katze gesetzt, wohingegen der schwarze Begleiter von Emily Strange eher eine düstere und geheimnisvolle Persönlichkeit vermitteln soll.
Katzen als Tattoo-Motive
Auch auf der Haut ist die Katze beliebt – und die Umsetzungen vielfältig. Waren bis vor kurzem die realistischen Interpretationen von Katzen am gefragtesten, hat mittlerweile der NewSchool- und Comic-Style die Katzenmotiv-Domäne gut im Griff. Süße Comic-Kätzchen mit lang bewimperten Riesenaugen, freche Rockabilly-Kater, abgedrehte Katzen-Szenarien in New School-Manier und immer wieder die »Hello Kitty« dominieren diesen Motiv-Bereich. Nur hin und wieder sieht man heute ein realistisches Katzenporträt – oft in Gedenken an die verstorbene Katze des Trägers. Wobei dieses Motiv für den Tätowierer auch eine Herausforderung darstellt, so wie alle realistischen Porträts: Lebendigkeit, Natürlichkeit und perfekte Proportionen müssen stimmen, sonst ist das Tattoo im wahrsten Wortsinne »für die Katz’« …
 
Motive: Piraten & Freibeuter
   
 
Nicht erst seit Johnny Depp als Piraten-Kapitän Jack Sparrow in »Fluch der Karibik« über die Kino-leinwände segelte, haben Seeräuber Konjunktur. Wer hat nicht in seiner Kindheit Bettlaken als Segel über einen Besenstiel gezogen, am Bug des Kinderbettes die Piratenflagge gehisst, um dann auf exotischen Inseln (oder in der Küche) auf die Suche nach überquellenden Schatzkisten (oder Muttis Keksdose) zu gehen?


Text: Dirk-Boris, Fotos: Archiv TätowierMagazin
Der wohl coolste Pirat aller Zeiten: Johnny Depp als Captain Jack Sparrow, tätowiert von Ezequiel Nunes (Buenos Aires)



Filme wie »Die Schatzinsel«, »Der rote Korsar«, »Die Piratenbraut« oder natürlich »Der Herr der sieben Meere« mit dem unvergessenen Errol Flynn prägten schon früh unser Bild vom wilden Freibeuter, der unter dem Zeichen der Totenkopfflagge auf allen sieben Weltmeeren auf Raubzug geht.
Auch wenn wir heute nicht mehr beim Spielen mit Piratenschiffchen das Badezimmer unter Wasser setzen oder zum Unmut der Eltern den Garten umgraben um nachzuschauen, ob Kapitän Schwarzbart nicht zufällig just unter dem Birnbaum eine Kiste mit spanischen Golddublonen vergraben hat – die Faszination für die Freibeuter hat sich bei vielen auch ins Erwachsenenalter hinein erhalten, was sich an den vielen Piraten-Tattoos ablesen lässt, die man auf Conventions und in den Fotomappen zahlreicher Tattoo-Studios finden kann.
Berichte über Seeräuber gibt es seit der Antike. Die ersten, die die Seeräuberei regelrecht professionalisierten, waren die Wikinger, die mit den blitzartigen Angriffen ihrer Drachenboote auf Küstenstädte ganz Europa terrorisierten.


STÖRTEBEKER UND MICHELS: ZWEI DEUTSCHE SEERÄUBER-KARRIEREN

Die berühmtesten deutschen Seeräuber
waren zweifellos Klaus Störtebeker und Gödeke Michels. Am Erstarken der Seeräuberei in Nord- und Ostsee hatten damals die großen Handelsstädte wie Rostock und Wismar selbst Schuld. Als Stockholm, damals noch deutsche Handelsmetropole, von der dänischen Königin bedroht wurde, riefen die Handelsstädte die Seeräuber zu Hilfe und stellten ihnen Kaperbriefe aus – und damit die Erlaubnis, alles zu unternehmen, was dem Königreich Dänemark schadet.
 
Piraten-Skull von Snüden (Forchheim)

Piratenschiff-Koproduktion von Jesus Sayalero, Human Fly Tattoo (F) und Steph, Dimitri Tatouages (St. Germain en Laye, F)




Die Seeräuber kämpften auf eigenes Risiko, durften aber die gesamte Beute behalten und sie sogar in den deutschen Hafenstädten handeln. Nachdem Stockholm erfolgreich unter Mithilfe der Freibeuter verteidigt worden war, sollten sich die Seeräuberverbände eigentlich wieder auflösen, doch viele hatten Geschmack an diesem einträglichen Geschäft gefunden und richteten ihre Aktionen nun gegen die Handelsschiffe der Hanse; unter ihnen eben auch Störtebeker und Michels. Für einige Jahre gelang es den beiden, immer wieder Hanse-Schiffe auszurauben und bei befreundeten Fürsten und Häuptlingen entlang der friesischen Küste Zuflucht vor Strafexpeditionen der Hanse zu finden. Im Jahr 1401 jedoch wurde Störtebeker auf See von einem Hamburger Flottenverband gestellt und im Oktober des selben Jahres hingerichtet.
Der Legende nach soll sich Störtebeker als letzten Wunsch ausgebeten haben, dass alle Männer seiner Besatzung frei sein sollten, an denen er noch mit abgeschlagenem Kopf vorbeischreiten würde. Doch als er enthauptet am elften Mann vorbeigelaufen war, stellte ihm der Henker ein Bein und Störtebeker stürzte. Was eigentlich unnötig war, denn der Bürgermeister von Hamburg, der Störtebeker den letzten Wunsch gewährt hatte, hielt sich ohnehin nicht an sein Versprechen und ließ alle 73 Mann der Besatzung köpfen und ihre Schädel am Hafen auf Spieße stecken, als Warnung für andere Seeräuber. Auch Gödeke Michels widerfuhr wenig später das selbe Schicksal.


KAPERN UND KORSAREN: PIRATEN IM MITTELMEER

Die große Zeit der Piraten
begann mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts. Politische Umwälzungen in Europa sowie die Entdeckung und Eroberung Amerikas, der »neuen Welt«, aber auch der See- und Handelswege nach Indien schufen beste Voraussetzungen für Seeräuberei. Im Mittelmeer machten sich mit der Besetzung Konstantinopels durch Mohammed II. alsbald türkische Korsaren breit, die vom Seehandel zwischen Italien und Spanien profitierten. Der berühmteste Vertreter der Seeräuber im Mittelmeer war der Türke Aruch, der sein Debüt als Korsar mit dem Kapern zweier päpstlicher Galeeren im Jahr 1504 gab; aufgrund seines auffälligen roten Bartes erhielt er den Beinamen »Rotbart«. Als Aruch starb, übernahm sein Bruder Jeireddin diesen Künstlernamen oder »nom de guerre« und verbreitete bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts als Jeireddin Rotbart Furcht und Schrecken unter den Handelskapitänen des Mittelmeers. Im direkten Zusammenhang zur Beute der Korsaren steht übrigens der Begriff »kapern«; er soll nach Meinung von Sprachforschern tatsächlich auf das gleichnamige Gewürz aus dem Mittelmeer, das man heute in Königsberger Klopsen findet, zurückgehen. Gewürze waren im ausgehenden Mittelalter für heutige Begriffe unvorstellbar wertvoll und wurden nicht selten mit Gold aufgewogen.


SIR FRANCIS DRAKE: PIRAT IM DIENSTE DER KÖNIGIN

Besonders einträglich für Piraten
waren natürlich die Handelsschiffe, die Waren aus Indien oder der neuen Welt nach Europa brachten. Besonders die See-Handelsmacht Spanien hatte unter den Piraten zu leiden, die nicht selten mit Duldung, oft sogar im Auftrag Englands unterwegs waren, um Spanien zu schaden. Einer dieser Seeräuber, dessen Namen noch heute jedem Kind geläufig ist, war Francis Drake. Der Sohn eines englischen Bauern heuerte bereits im Alter von 14 auf einem kleinen Schmuggler-Kahn an, das vor der englischen Küste herumschipperte. Seine ersten großen Raubzüge führten ihn nach La Gomera und Santa Cruz de la Palma. Später unternahm Drake, angelockt vom Reichtum der neuen Welt aber auch getrieben vom Hass auf die Spanier, Expeditionen nach Amerika. In der Gegend von Panama und Florida unternahm er zusammen mit seinem Bruder John zahlreiche Kaperfahrten gegen spanische Schiffe und Küstenstädte. Dort gelang es ihm auch, bei Cartagena, dem Handelsknotenpunkt des Vizekönigtums Peru, ein spanisches Handelsschiff von 250 Tonnen zu kapern. Um es segeln zu können, musste er eines seiner eigenen, kleineren Schiffe aufgeben. Doch die Genugtuung, den Spaniern vor der Küste der karibischen Hafenstadt – außer Reichweite der Kanonen, versteht sich – das gekaperte Schiff vorführen zu können, machte den Verlust seines kleineren Schiffes, der »Swan«, wohl wieder wett. Tatsächlich verfügten nur wenige Piratenkapitäne über sehr große Schiffe, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt; die meisten bevorzugten auch aus praktischen Gründen kleinere, wendige Schiffe, die weniger schwerfällig waren, sich leichter manövrieren ließen, rasche Angriffe und, wenn nötig, schnelle Flucht ermöglichten.
Drakes Mannschaften bestanden oft aus entlaufenen Sklaven, für die es kaum eine andere Beschäftigung als Räuberei gab. Mit einem Trupp Sklaven überfiel Drake auch im Inland Perus spanische Eselskarawanen, die Silber an die Küste transportierten. Bei einem Raubzug erbeutete er 100 000 Pesos in Gold und unvorstellbare 15 Tonnen Silber, von dem er den größten Teil an Ort und Stelle vergraben musste. Auch die Legenden um die riesigen Piratenschätze beruhen gar nicht so selten auf wahren Geschichten.
Als 1586 der Krieg zwischen England und Spanien ausbrach, unterstützte die englische Königin Elizabeth I. nun auch offiziell die Raubzüge Drakes, die sie zuvor nur geduldet hatte. Um den spanischen König, der Drakes Auslieferung forderte, zu brüskieren, schlug sie zu allem Überfluss den Piraten an Bord seines berühmtesten Schiffes, der »Golden Hind«, zum Ritter. Drakes größter Raubzug war der Überfall auf die Küste Galiciens, bei der er 21 Schiffe befehligte.


LASTERHÖHLE LA TORTUGA

Die Karibik, der Umschlagplatz
für Waren aus Amerika, wurde zum Lieblings-Tummelplatz der Piraten. Kleine Inseln, deren unübersichtliche Buchten als Rückzugsmöglichkeiten dienten, gab es hier in Hülle und Fülle. Eine davon war La Tortuga; gegen Ende des 17. Jahrhunderts war die Insel im englischen Besitz und sollte nach dem Wunsch Englands dauerhaft besiedelt werden, und zwar mit den Piraten, die ohnehin in dieser Gegend unterwegs waren. Ziel dieser Maßnahme, die auch auf anderen karibischen Inseln durchgeführt wurde, war es, die Piraten zu befrieden und zu einer sesshaften Lebensweise zu ermuntern. Um den potentiellen Siedlern eine Ansiedelung zu erleichtern, unternahm der Gouverneur von Tortuga die Initiative, um den eklatanten Frauenmangel auf der Insel auszugleichen; nämlich indem er 100 Prostituierte aus Frankreich kommen ließ, die an die Seeräuber verkauft wurden. Eine Aktion, die nicht wirklich dazu geeignet war, das verruchte Image La Tortugas aufzupolieren.
Doch Piraterie war nicht nur Männerhandwerk; wenn auch viele Tattoos der Gegenwart, die leichtbeschürzte Piratenbräute zum Motiv haben, eher das Produkt von Männerphantasien sind, gab es mindestens zwei historisch belegbare Piratinnen.


EMANZIPATION UNTER PIRATENFLAGGE

Eine davon war Anne Bonny,
die mit ihrem Mann eine Schänke in New Providence betrieb. Dort lernte sie 1719 den Piraten Jack Rackham kennen, der auch als »Calico Jack« bekannt war; dieser war kurz zuvor verhaftet worden und hatte gerade ein Begnadigungsverfahren laufen. Die beiden verliebten sich, und zusammen mit Anne und einigen Kumpanen des Seeräubers stahlen sie eine Brigg und machten sich davon, ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten – Anne Bonny war damit offiziell zur Piratin geworden.
 
Piratenbräute von Marcuse, Smilin’ Demons Tattoo (Mannheim) und Safwan, Imago Tattoo (Montreal, A)





Calico Jack sollte bald noch weiteren weiblichen Zuwachs zu seiner Mannschaft bekommen. Mary Read war in England als Junge großgezogen worden, und so benahm sie sich auch; sie heuerte erst auf einem englischen Kriegsschiff an, verdingte sich später als Söldnerin in Flandern, um schließlich, nachdem sie eine Weile in Breda eine Kneipe unterhalten hatte, zur holländischen Infanterie zu wechseln. Als es sie wieder aufs Meer trieb, heuerte sie auf einem von Calicos Schiffen an und fand in Anne Bonny eine Freundin und Seelenverwandte. 1720 wurde Calico Jack samt Crew gefasst und gehängt, die beiden Frauen dagegen wurden begnadigt, nachdem sie der Piraterie abgeschworen hatten.


SCHURKEN UND EDLE RÄUBER, SADISTEN UND EHRENMÄNNER

Einer der wohl schrecklichsten Piraten
war Bartholomew Roberts; schon seine beiden Flaggen kündeten von seiner Grausamkeit. Seine Hauptflagge zeigte Roberts, wie er zusammen mit dem Tod, einem Skelett, eine Sanduhr hält, was zur Bedeutung hatte: »Eure Zeit ist abgelaufen«. Die Bugflagge zeigte Roberts, der mit gezogenem Säbel auf zwei Schädeln steht, darunter die Kürzel »ABH« und »AMH« für »A Barbadian’s Head« und »A Martinician’s Head«. Gemeint waren die abgeschlagenen Köpfe der Gouverneure von Barbados und Martinique.
Auch Edward Teach, besser bekannt als Blackbeard, führte ein Skelett in seiner Flagge; dieses hielt in einer Hand das Stundenglas als Symbol für das Ablaufen der Lebenszeit, in der anderen einen Spieß, der auf ein blutrotes Herz zielte. In seiner Brutalität stand er Roberts in kaum etwas nach – angeblich soll er sich vor dem Kampf Zündhütchen in seinen langen schwarzen Bart und seine Haare gebunden haben, die er kurz vor dem Entern entzündete, um noch Furcht einflößender zu wirken. Zu seinen besten Zeiten befehligte Blackbeard 400 Mann und sechs Schiffe. Am 17. 11. 1717 wurde Edward Teach während einer Seeschlacht geköpft.
Besonders gefürchtet für seine sadistischen Misshandlungen war auch Edward Low, der ebenfalls ein Skelett, ohne weitere Attribute, auf der Flagge trug. Dass es hingegen auch wahre Gentlemen unter den Piraten gab, belegt das Beispiel von Stede Bonnet. Der ehemalige Major der britischen Armee entschied sich erst spät zu einer Karriere als Pirat und zeichnete sich durch stets korrektes Benehmen gegenüber Mannschaft wie auch Gefangenen aus. Das half ihm allerdings auch nicht, als er 1718 sein Piratenleben am Galgen beendete.
Mitte des 18. Jahrhunderts klang die goldene Epoche der Piraterie langsam aus. Die Seemächte England, Spanien und Frankreich, die sich zunächst selbst der Freibeuter für politische Zwecke bedient hatten, waren es zunehmend leid, ständig Verluste durch Piraten hinnehmen zu müssen und gingen konsequent gegen Seeräuberei vor – was bald die gewünschte Wirkung zeigte. Natürlich ließ sich Piraterie nie völlig ausrotten, doch die Zeit der großen Piraten-Kapitäne, die ganze Flottenverbände unter ihrem Kommando hatten, war endgültig vorbei


SKULL & CROSSBONES: Der Jolly Roger
Klassisches Skull & Crossbones-Motiv von Andy (Kitzingen)



Der Totenschädel über den gekreuzten Knochen
ist das Symbol für Piraten und Seeräuber schlechthin. Doch die »Jolly Roger« genannte Piratenflagge war nur für wenige Jahrzehnte ab Anfang des 18. Jahrhunderts in Gebrauch; der französische Freibeuter Emanuel Wynne soll gegen Ende des 17. Jahrhunderts der erste gewesen sein, der sich mit einer solchen Flagge Respekt verschaffte. Davor fuhren Piratenschiffe unter der Flagge des jeweiligen Landes, von dem sie »Kaperbriefe«, also die offizielle Erlaubnis zur Seeräuberei erhalten hatten. Der Name Jolly Roger soll sich angeblich ableiten vom französichen »jolie rouge«, hübsches Rot, denn die ersten Piratenflaggen waren nicht schwarz, sondern rot. Es ist aber auch möglich, dass »Roger« sich auf einen umgangssprachlichen alten englischen Ausdruck für den Sensenmann bezieht. Es gab den Jolly Roger in vielen Variationen, jeder Pirat hatte seine eigene, unverwechselbare Flagge. Die Fahnen bestanden aus weißem Leinenstoff, der mit schwarzem Teer bestrichen wurde, wobei die Totenschädel oder sonstigen Symbole ausgespart wurden und damit weiß blieben.
 

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